Offenbar gibt es neue Details zur Regierungsbildung. Demnach sollen die EU-Agenden an die ÖVP gehen. Ums Innenressort wird sich weiterhin gezofft.
FPÖ und ÖVP dürften bei der Ressortaufteilung einen Schritt nach vorne gemacht haben. So sollen die Freiheitlichen dem Verhandlungspartner das Außenministerium angeboten haben, dem künftig auch wieder die EU-Kompetenzen zufallen sollen. Sollte die ÖVP das Angebot annehmen, dürfte der Bereich Verfassung und Deregulierung im dann blau geführten Kanzleramt bleiben, hieß es aus ÖVP-Verhandlerkreisen zur APA. Weiter wird um das Innenministerium gestritten.
Die FPÖ bestätigte auf APA-Anfrage lediglich, dass man bereits am Freitag den Türkisen ein Angebot gemacht habe, ohne auf den Inhalt einzugehen. Auch Bundespräsident
Die EU-Agenden waren unter ÖVP-Kanzler
Noch viel zu reden
Ohnehin werden FPÖ und ÖVP kommende Woche noch viel zu reden haben. Protokolle aus den Untergruppen, über die der ORF berichtete und die auch der APA vorliegen, bekräftigen bisherige Informationen, wonach es noch große inhaltliche Differenzen zwischen den Koalitionsverhandlern gibt. So will die FPÖ etwa eine Teilnahme am WHO-Pandemievertrag verhindern und plädiert für einen Ausstieg aus der NATO-Partnerschaft für den Frieden. Auch stellt sich die FPÖ gegen Pläne, wonach Amtsgebäude eine EU-Fahne tragen sollen.
Selbst in der Asylfrage ist man sich nicht einig: Die blauen Verhandler wollen etwa "Pushbacks" an den Außengrenzen und stellen das Asylrecht infrage - konkret ist in den Unterlagen davon die Rede, das Asylrecht "durch Notgesetz" auszusetzen. Strittig sein dürfte auch der blaue Wunsch nach einer Aufkündigung des UN-Flüchtlingspakts. Auch der bereits bekannte FPÖ-Wunsch, medizinische Leistungen für Asylwerber auf medizinische Grundversorgung ("keine Zahnsanierungen, künstliche Gelenke, etc.") und Geburtenhilfe zu reduzieren, war noch rot markiert.
Im Bereich Inneres - beide Parteien beanspruchen das Ministerium für sich - will die FPÖ laut den Protokollen das Krisensicherheitsgesetz abschaffen. Gestrichen werden soll im Sinne der FPÖ auch die CO2-Bepreisung. Auch eine Anhebung des Grundwehrdienstes auf acht Monate und "Schmerzensgeld" für die Coronavirus-Maßnahmen schweben den blauen Verhandlern vor. Viele große Brocken sollen nach wie vor die Parteispitzen selbst ausverhandeln.
Diskussion zu Minarett-Verbot und Aus für DÖW-Vertrag
Gesprächsbedarf dürfte es auch noch in Sachen politischem Islam geben. "Rot" war unter vielen anderen Punkten etwa der FPÖ-Vorschlag, das Islamgesetz zu verschärfen und der Vorschlag, dass das Errichten von "Symbolen, die einen fremden Herrschaftsanspruch über unsere Heimat verkörpern" (wie etwa Minaretten) zu "unterbleiben" sei. Vorgeschlagen war offenbar auch die Streichung des § 188 StGB (Herabwürdigung religiöser Lehren), hier ist laut den Unterlagen die ÖVP dagegen.
Ebenfalls rot: Der blaue Wunsch nach Abschaffung des eigenen Rechtsextremismusberichtes des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands und der "sofortigen Beendigung" des Vertrags mit dem DÖW - stattdessen soll dies im Verfassungsschutzbericht behandelt werden.
Kammern, Klarnamenpflicht und Justiz
Ein FPÖ-Nein gibt es derzeit offenbar beispielsweise auch zum Vorschlag von gezielten Maßnahmen zur Stärkung von Unternehmerinnen (im Bereich Frauenförderung). Ablehnung der ÖVP wiederum unter anderem zum FPÖ-Wunsch nach einem "echten Opting out" bei Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Landwirtschaftskammer. Ebenfalls "rot" markiert war noch der ÖVP-Wunsch nach einer "Klarnamenpflicht" im Internet und der Messengerdienst-Überwachung.
Dissens dürfte es auch in Sachen Justiz geben: So ist die FPÖ laut den Protokollen "entschieden" gegen die Einführung einer bundesweit operierenden Generalstaatsanwaltschaft. Ein türkises Nein gab es offenbar unter anderem zur Idee, über die Abschaffung anonymer Anzeigen nachzudenken.
Maßnahmen bei Kirche soll Millionen bringen
Vor allem der Wirtschaftsflügel der ÖVP sieht sich mit für ihn unmachbaren FPÖ-Forderungen konfrontiert. Nach Bankenabgabe und einem finanziellen Beitrag der Kammern zur Budgetsanierung verlangen die Freiheitlichen nun auch, dass Kirchenbeitrag und Spenden an gemeinnützige Vereine nicht mehr steuerlich absetzbar sind. Auch das Ende der Grundsteuerbefreiung für Kirchengebäude wird gefordert. Nach FPÖ-Rechnungen könnte die gestrichene Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages jährlich 155 Mio. Euro bringen, die Steuerbegünstigungen 60 Mio. Euro.
Ebenfalls rot sind bekannt Streitpunkte, die an die Parteispitze delegiert wurden, wie die von der FPÖ gewünschte Abschaffung der ORF-Haushaltabgabe. Gleiches gilt für weitere Punkte, etwa der Frage der Teilnahme an der Einkaufsgemeinschaft "Sky Shield" zur Raketenabwehr. Rot waren auch breite Teile in den Bereichen EU- und Außenpolitik, u.a. etwa der FPÖ-Wunsch nach Prüfung der bestehenden Russlandsanktionen auf ihre Auswirkungen auf den österreichischen Wirtschaftsstandort und Ausverhandeln von österreichspezifischen Ausnahmen. Auch will die FPÖ, dass die Rechtsprechung des EGMR und der EuGH-Vorrang keinen Vorrang vor nationalem Recht hat.
Trotz der aufgezeigten Differenzen ist es nicht ganz auszuschließen, dass es zu einer Einigung kommen könnte. In freiheitlichen Verhandlerkreisen zeigte man sich zuversichtlich, dass man bei vielen Punkten dennoch Kompromisse finden könnte, zumal die Protokolle doch schon ein paar Tage alt seien. Auch die ÖVP verwies auf APA-Anfrage darauf, dass es sich dabei um einen bereits älteren Verhandlungsstand handle. (APA/bearbeitet von mbo)
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