Es ist eine überraschende Entscheidung: Die Türkei hebt die Ausreisesperre gegen Mesale Tolu auf. Die Anklage wegen Terrorverdachts bleibt jedoch bestehen. Profitiert Deutschland vom Konflikt zwischen Washington und Ankara?
Die wegen Terrorvorwürfen in der Türkei angeklagte deutsche Journalistin Mesale Tolu darf die Türkei verlassen. Ein Gericht habe die Ausreisesperre gegen Tolu aufgehoben, teilte der Solidaritätskreis "Freiheit für Mesale Tolu" am Montagmorgen mit.
Der Prozess werde allerdings weitergeführt. Tolus Mann, Suat Çorlu, der im selben Verfahren angeklagt ist, werde vorerst in der Türkei bleiben müssen. Seine Ausreisesperre bleibe bestehen, heißt es in der Erklärung weiter. Die Anwältin Tolus war zunächst für eine Bestätigung nicht zu erreichen.
Tolu drohen 20 Jahre Haft
Tolu werde schon in Kürze in Deutschland erwartet. "Wir, der Solidaritätskreis 'Freiheit für Mesale Tolu' freuen uns, Mesale nach mehr als 17 Monaten, am 26. August, wieder in Deutschland begrüßen zu dürfen", heißt es in der Mitteilung weiter.
Zudem wurde darauf verwiesen, dass der Prozess gegen die Journalistin weitergeführt werde und ihr dabei bis zu 20 Jahre Haft drohten.
"Von einem rechtsstaatlichen Verfahren kann weder für Mesale, noch für alle anderen zu unrecht inhaftierten Menschen keine Rede sein."
Der Fall Tolu hatte, zusammen mit dem des "Welt"-Reporters
Ausreisesperre wurde im April noch verlängert
Die Entscheidung kam überraschend. Noch Ende April hatte das Istanbuler Gericht bei der Fortsetzung des Prozesses gegen Tolu entschieden, die Ausreisesperre gegen die 33-Jährige aufrechtzuerhalten.
Am 18. Dezember war sie per Gerichtsbeschluss aus der Haft entlassen worden, aber mit einer Ausreisesperre belegt worden. Zuvor hatte sie mehr als sieben Monate in Istanbul in Untersuchungshaft gesessen. Zwischenzeitlich war ihr kleiner Sohn bei Tolu im Gefängnis.
Die Verhandlung gegen Tolu, der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen wird - gemeint ist die linksextreme MLKP - soll am 16. Oktober fortgesetzt werden.
Überraschende Entscheidung in turbulenten Zeiten
Die Entscheidung des Gerichts kommt inmitten einer Serie von Annäherungsversuchen der Türkei an Europa und speziell Deutschland. Am Mittwoch hatte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mit Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert, sein Schwiegersohn und Finanzminister Berat Albayrak sprach am Donnerstag mit seinem deutschen Kollegen Olaf Scholz.
Albayrak hatte betont, dass eine Vertiefung der Beziehungen zu Europa und langfristige Zusammenarbeit die beste Antwort auf die Bedrohung durch die USA seien.
Das Verhältnis zwischen den USA und der Türkei ist so schlecht wie lange nicht. Im Zentrum des Konflikts steht der in der Türkei festgehaltenen US-Pastor Andrew Brunson. US-Präsident Donald Trump hatte Sanktionen und Strafzölle gegen die Türkei verhängt, um Brunson freizubekommen. Ankara erwiderte die Sanktionen. Das befeuerte eine Währungskrise - die Landeswährung Lira brach auf historische Tiefstände ein.
Freilassungen - aber auch weitere Festnahmen
Die Türkei hatte vergangenen Dienstag zwei griechische Soldaten aus der Haft entlassen - ihre Festnahme hatte die Beziehungen zum Nachbarland Griechenland schwer belastet. Am Mittwoch kam überraschend auch Taner Kilic, Ehrenvorsitzende der in London ansässigen Menschenrechtsorganisation Amnesty International, aus der Untersuchungshaft frei. Kilic war vor mehr als einem Jahr ebenfalls wegen Terrorvorwürfen inhaftiert worden. Beide Fälle schienen zuvor festgefahren.
Allerdings gehen die Festnahmen weiter. Am vergangenen Mittwoch war ein weiterer Deutscher inhaftiert worden. Ihm werde vorgeworfen, über soziale Medien Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK verbreitet zu haben, sagte sein Anwalt Ercan Yildirim der Deutschen Presse-Agentur.
Sein Mandant Ilhami A. (46) sei am Mittwoch in der osttürkischen Provinz Elazig festgenommen worden. Kurz darauf habe ein Gericht entschieden, der Mann müsse in Untersuchungshaft. Zuerst hatte der NDR über den Fall berichtet.
Nach offiziellen Angaben sind in der Türkei derzeit sieben weitere Deutsche aus "politischen Gründen" in Haft. Darunter ist der 73-jährige Enver Altayli, der am 20. August ein Jahr lang ohne Anklageschrift in Einzelhaft sitzen wird, wie seine Familie der dpa sagte. Es gehe ihm gesundheitlich schlecht.
Erst Ende Juli war der Deutsche Dennis E. im südtürkischen Hatay verhaftet worden. Auch ihm wird vorgeworfen, über soziale Medien Propaganda für die PKK verbreitet zu haben. Die PKK steht in der EU, den USA und der Türkei auf der Terrorliste.
Gegen andere Deutsche, die aus der Haft entlassen wurden und ausreisen durften wie der "Welt"-Reporter Deniz Yücel, gehen die Prozesse ebenfalls in Abwesenheit weiter. (ank/dpa)
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