Österreich will nach Erreichen der Obergrenze keine weiteren Asylanträge mehr annehmen. Mit welcher Begründung? Der Entwurf zu der geplanten "Notverordnung" zeichnet mit Argumenten aus Bereichen wie Kriminalität, Arbeitsmarkt und Schulwesen ein düsteres Szenario.
Langsam wird es ernst mit der "Obergrenze": Wird die Zahl von 37.500 Asylanträgen erreicht, will Österreich den "Notstand" erklären und praktisch keine Asylanträge mehr an der Grenze annehmen.
Ein Entwurf dieser Asyl-Notverordnung ist bereits ausgearbeitet und liegt dem "Standard" vor. Der Zeitung zufolge reiht das 20-seitige Dokument vor allem Argumente auf, warum die innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung durch den Flüchtlingszustrom gefährdet seien und Österreich daher einer so hohen Zahl an Flüchtlingen wie 2015 nicht gewachsen wäre.
Diese Argumente dienen vor allem einem Zweck: Sie sollen das Risiko mindern, dass die Asyl-Notverordnung vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gekippt wird.
Die Argumente, die der Entwurf enthält:
- Das "Funktionieren der öffentlichen Einrichtungen" sei wegen des Rückstaus an Asylverfahren bereits jetzt "wesentlich beeinträchtigt". Ein Zustrom wie 2015 hätte "einen totalen Zusammenbruch der Einrichtungen zur Folge".
- Die Grundversorgung der Schutzsuchenden könne nicht mehr garantiert werden. Bereits jetzt sei "temporäre Obdachlosigkeit" nicht vermeidbar gewesen. Und: Großquartiere seien "mit einem hohen Potenzial an ethnisch-kulturellen bzw. sozialen Konflikten und Anspannungen" verbunden.
- Kriminalstatistik: Die Zahl ausländischer Tatverdächtiger sei von 2014 auf 2015 von 89.594 auf 92.804 gestiegen (die der einheimischen hingegen von 166.221 auf 157.777 gesunken), ebenso sei der Anteil der Asylwerber unter den ausländischen Tatverdächtigen (von 11,6 auf 15,6 Prozent) gestiegen. Deutlich höher seien aber auch die Delikte gegen Flüchtlinge (von 25 im ersten Halbjahr 2015 auf 172 im zweiten Halbjahr).
- In den Gefängnissen zeichneten sich "innerhalb der Gruppe der Fremden besondere Radikalisierungstendenzen ab", warnt das Justizministerium.
- Die Bundesverwaltungsgerichten fürchten einen weiteren Anstieg der Asylbeschwerdeverfahren (heuer dürften rund 15.000 anhängig sein).
- Von "kaum zu bewältigenden Herausforderungen" im Schulbereich ist die Rede. Die Zahl der Schüler, die wegen mangelnder Deutschkenntnisse nicht dem Unterricht folgen können, sei innerhalb eines Jahres um ein Drittel auf 46.000 gestiegen. Zudem seien nicht genügend Schulpsychologen und Sozialarbeiter verfügbar.
- "Versorgungsengpässe" im Gesundheits- und Pflegebereich: Insbesondere in der Kinderpsychiatrie wird vor "massiver Überlastung" gewarnt.
- Uneinig ist sich die Koalition laut "Standard" vor allem im Abschnitt zum Arbeitsmarkt. Das Innenministerium wollte demnach im Entwurf verankern, dass "75 Prozent der beim AMS gemeldeten Schutzsuchenden maximal einen Pflichtschulabschluss" hätten, eine "historisch hohen Arbeitslosenrate" zu befürchten sei und eine "direkte Konkurrenz" im Segment der unqualifizierten Beschäftigung drohe.
Solche Passagen entschärfte das Sozialministerium von Alois Stöger (SPÖ) und will statt einer "enormen Belastung" lieber von einer "zusätzlichen Herausforderung" sprechen. Gestrichen haben wollte Stöger auch den Punkt, Flüchtlinge würden eine "langfristige Belastung" am Arbeitsmarkt bedeuten, sowie die Passage, dass die gesamten Mehrkosten zwischen 2015 und 2019 bei "kumulativ zehn Milliarden Euro" lägen. Die Kosten für heuer von zwei Milliarden Euro sind aber in dem Entwurf enthalten.
Notstand frühestens Mitte Oktober
Die entsprechende Gesetzesnovelle soll kommende Woche in Begutachtung gehen, wie Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) diese Woche ankündigte. In Vorbereitung auf mögliche Zurückweisungen von Flüchtlingen nach Ungarn, Slowenien oder Italien sind weitere Gespräche mit den Nachbarländern geplant.
Der Notstand könnte damit frühestens Mitte Oktober ausgerufen werden. Bisher wurden bis Ende Juli über 24.000 Flüchtlinge zum Asylverfahren zugelassen. Über 28.500 Migranten haben einen Antrag gestellt. (af/dpa)
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