Das von der Regierung eingebrachte Arbeitszeitgesetz, das einen 12-Stunden-Tag ermöglichen soll, steht unter Beschuss. Die SPÖ will dagegen vorgehen.
Die SPÖ läuft weiter Sturm gegen das von der Regierung eingebrachte Arbeitszeitgesetz, das künftig generell 12-Stunden-Tage ermöglichen soll. "Die SPÖ wird mit allen Mitteln gegen dieses Gesetz vorgehen", kündigte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder am Donnerstag vor Journalisten an. Das Mittel der Wahl ist vorerst eine Sondersitzung im Nationalrat.
Der Termin dafür stehe noch nicht fest, da Parlamentspräsident
Die SPÖ wolle an einem beliebigen Tag Anfang kommender Woche einen medial sichtbareren Termin. "Wir werden uns aber nicht mundtot machen lassen, wurscht wann das ist", versicherte Schieder.
Aus Schieders Sicht haben "Konzernkanzler (Bundeskanzler
Arbeitszeitgesetz "Lohn-, Freizeit- und Gesundheitsraub"
Inhaltlich sei das Gesetz ein Lohn-, Freizeit- und Gesundheitsraub. Im ganzen Gesetzesantrag komme das Wort freiwillig nicht vor, es komme auch nicht vor, dass die Arbeitnehmer ein Recht darauf hätten, sich die Zeit selber einzuteilen.
Schieder würde es aber auch nicht genügen, sollte in das Gesetz die Freiwilligkeit der 11. und 12. Stunde eingebaut werden, wie es Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Mittwoch in der "ZiB2" angedacht hatte und auch die ÖVP- und FPÖ-Klubobleute in Aussicht stellen. Das würde nichts daran ändern, dass das Gesetz strukturell arbeitnehmerfeindlich sei und "viel Frechheiten gegenüber den Arbeitnehmern" beinhalten würden.
Auch kritisierte Schieder, dass Menschen mit Gleitzeit künftig 60 Stunden arbeiten könnten, ohne einen Zuschlag zu erhalten. Arbeitszeiten für alle würden länger, aber nicht flexibler, denn die Arbeitnehmer müssten sich künftig rechtfertigen, wenn sie Freizeit vorziehen, statt dass wie bisher der Chef längere Einsätze begründen müsste.
Auch falle die generelle Sonntagsruhe, da jedem an vier Wochenenden im Jahr Arbeit zugemutet werden könne. Aus 52 freien Wochenenden würden nur mehr 48.
"Auf alle Fälle wird die Gangart verschärft"
Der Vorsitzende der Produktionsgewerkschaft PRO-GE, der sozialdemokratische Gewerkschafter (FSG) Rainer Wimmer drohte den Arbeitgebern unverhohlen: "Auf alle Fälle wird die Gangart verschärft", meinte er am Donnerstag zur APA. Von Regierungsseite wurde unterdessen das Thema "Freiwilligkeit" betont.
Ab Freitag rollen die Belegschaftsvertreter-Konferenzen der Gewerkschaften unter anderem in Oberösterreich, Kärnten und Salzburg so richtig an. Tausende Personen werden insgesamt erwartet. Montag folgen dann Betriebsversammlungen, wenig überraschend während der Arbeitszeit. Diese sollen dann auch nicht geschlossen sondern nur unterbrochen werden, damit jederzeit neue Informationen den Produktionsprozess stören könnten.
Dazu kommt laut Wimmer eine Hotline über ÖGB und AK, in der Arbeitnehmer Arbeitszeitüberschreitungen in ihren Betrieben melden können: "Wir werden auch Fälle in die Auslage stellen", avisiert der FSG-Chef.
12-Stunden-Tage mit dem Gesetz Normalität?
Auch die Arbeiterkammer (AK) hat am Donnerstag bei ihrer Hauptversammlung in Feldkirch die von der Regierung geplante Erweiterung der maximal erlaubten Arbeitszeit auf 12 Stunden pro Tag dezidiert abgelehnt. "Unsere Mitglieder wollen den 12-Stunden-Tag nicht", stellte AK-Präsidentin Renate Anderl in ihrer Rede fest. Das neue Gesetz werde die AK-Mitglieder Geld, Gesundheit, Freizeit und Familie kosten.
Komme dieses Gesetz, würden 12-Stunden-Tage und 60-Stunden-Wochen für viele Beschäftigte in Österreich zur Normalität, warnte die AK-Präsidentin. Beruf und Familie würden schwerer vereinbar, und Vorgesetzte hätten es noch einfacher, "einseitig anzuschaffen, dass man länger zu arbeiten hat", so Anderl.
"Ich sage Nein zur einseitigen Ausweitung der Höchstarbeitszeiten, Nein zu einem Lohnraub und zu einem Angriff auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie", betonte die AK-Präsidentin. Im Gegenteil brauche es eine Verkürzung der Arbeitszeit und mehr Selbstbestimmtheit der Beschäftigten.
Anderl stützte sich bei ihren Aussagen auch auf die gemeinsam mit dem ÖGB durchgeführte Mitgliederbefragung "Wie soll Arbeit?". Demnach lehnten bei der Umfrage 89 Prozent der Menschen den generellen 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche ab.
Für die AK sei das "ein klarer Auftrag: der Auftrag, gegen die drohenden Verschlechterungen anzukämpfen und Druck für Verbesserungen zu machen", so Anderl. Man werde mit aller Kraft gegen den generellen 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche eintreten.
Antrag soll noch verändert werden, versichert die Koalition
Die Koalition hat am Donnerstag versichert, ihren Antrag zur Höchstarbeitszeit noch zu verändern und die Freiwilligkeit von längerer Arbeit sicherzustellen. In einer gemeinsamen Stellungnahme kündigen die Klubchefs August Wöginger (ÖVP) und Walter Rosenkranz (FPÖ) "Klarstellungen" vor dem parlamentarischen Beschluss an, freilich ohne ins Detail zu gehen.
Klar sei, dass der Acht-Stunden-Tag bleibe: "Wer freiwillig mehr arbeiten möchte, wird das in Zukunft können und somit entweder mehr Freizeit oder mehr Geld bekommen." Die Klubobleute richteten zudem wie am Tag davor Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) einen Aufruf an alle Interessenvertreter, "sachlich zu bleiben, keinen falschen Jubel und keine Unwahrheiten zu verbreiten".
Versichert wurde, dass noch die Stellungnahmen aus dem sogenannten Begutachtungsverfahren, das ÖVP und FPÖ selbst eingeleitet haben, berücksichtigt werden.
Hartinger-Klein (FPÖ) wehrt sich gegen Vorwürfe
Auch Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) wehrt sich gegen den Vorwurf eines Sozialabbaus wegen der Debatte über eine 60-Stunden-Woche und eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden. "Ich bitte Sie, keine Verunsicherung zu betreiben. Es gibt die 40-Stunde-Woche und den 8-Stunden-Tag. Dazu stehen wir", sagte sie vor dem EU-Sozialrat in Luxemburg.
Wirtschaft und Industrie versuchen indessen eine Gegenoffensive in Sachen Arbeitszeit. Die Wirtschaftskammer hat bei "market" eine Umfrage in Auftrag gegeben, laut der 73 Prozent sagen, bereit zu sein, fallweise länger zu arbeiten. Die Industriellenvereinigung mahnte indes die Arbeitnehmer-Vertreter, die Bevölkerung nicht zu verunsichern.
IV-Generalsekretär Christoph Neumayer meinte, es entstehe mittlerweile der Eindruck, dass es einzelnen Organisationen primär um den individuellen politischen Machterhalt und nicht um eine sachliche Lösung für Unternehmen und Beschäftigte gehe. Interessant sei dabei, dass sich gerade jene Teilgewerkschaften, bei denen ihre Mitglieder bereits teilweise die Möglichkeit hätten, zwölf Stunden zu arbeiten, besonders vehement dagegen einsetzen.
Erfreut reagiert NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker indes auf heutige Aussagen aus der Koalition, wonach es Verbesserungsbedarf bei der Arbeitszeitflexibilisierung gebe: "Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung." Ungenaue Rechtsbegriffe, Verwirrspiele bei Zuschlägen, Gleitzeit und Freiwilligkeit sowie widersprüchliche Aussagen zeigten eindrucksvoll, dass hier völlig überhastet und dilettantisch agiert worden sei, meinte Loacker, der an sich für die Flexibilisierung eintritt.
Das unterscheidet ihn von Liste-Pilz-Mandatarin Daniela Holzinger. Sie forderte ganz im Gegenteil eine Arbeitszeitsenkung auf 35 Stunden - und das bei vollem Lohnausgleich. Das Vorhaben der Regierung nennt sie "asozial". © APA
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