Die zunächst friedvollen Revolutionen des arabischen Frühlings seit Ende 2010 versprachen einen sanften Übergang zur Demokratie. Doch viele Hoffnungen wurden inzwischen schwer enttäuscht: In Syrien tobt ein extrem grausamer Bürgerkrieg und in Ägypten scheint eine Diktatur von einer anderen abgelöst zu werden. Amnesty International prangert mit ihrem Bericht zur Menschenrechtslage des vergangenen Jahres schwere Menschenrechtsverletzungen in 159 Ländern an. In 112 Staaten dokumentierte die Organisation Folter und Misshandlung sowie in 101 Staaten Einschränkungen der Meinungsfreiheit.

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Der Report dokumentiert zahlreiche Beispiele von Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in bewaffneten Konflikten. Dramatisch zugespitzt hat sich vor allem der Bürgerkrieg in Syrien. Beide Seiten begehen dort schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen - auch wenn Amnesty die Mehrheit der Kriegsverbrechen auf der Regierungsseite sieht. So ist das Assad-Regime unter anderem für wahllose Angriffe auf Wohngebiete mit Brand- und Streubomben verantwortlich. Zuletzt hatten Berichte über von Rebellen verübte Gräueltaten für Bestürzung gesorgt.

Bis heute sind nach Angaben von Amnesty International mehr als 1,4 Millionen Menschen vor dem Bürgerkrieg in Syrien ins Ausland geflohen, etwa vier Millionen sind innerhalb des Landes vertrieben. Daher fordert Amnesty von Deutschland und der EU eine großzügige Unterstützung der Nachbarländer Syriens, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Weltweit waren 2012 43 Millionen Menschen auf der Flucht vor bewaffneten Konflikten oder Verfolgung, 27 Millionen davon sind Binnenflüchtlinge. Die Zahlen sind so hoch wie zuletzt Mitte der 1990er Jahre, so Amnesty.

Auch um künftige bewaffnete Konflikte einzudämmen, fordert Amnesty die Kontrolle des internationalen Waffenhandels. "Es ist ein Skandal, dass Flüchtlingen die Grenzen
versperrt werden, während Waffen, die zu Kriegsverbrechen und Verletzungen der Menschenrechte benutzt werden, oft ungestört passieren können", sagte Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty in Deutschland, bei der Vorstellung des Amnesty International Report 2013 in Berlin.

Arbeit von NGOs wird oft behindert

"2012 haben viele Regierungen versucht, ihren Bürgern die in den vergangenen Jahren gewonnenen Freiheiten wieder zu nehmen", sagte Çalışkan. "Mit Gesetzen und bürokratischen Schikanen behinderten Staaten wie Russland, Äthiopien, Ägypten und Bangladesch Nichtregierungsorganisationen in ihrer Arbeit."

Çalışkan sagte weiter, dass zivilgesellschaftliches Engagement auch in Ländern behindert werde, die sich offiziell zu den Rechten auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit bekennen. Die Unterstützung aus dem Ausland sei oft ein Vorwand, um gegen Nichtregierungsorganisationen vorzugehen. "Das Argument, es handele sich bei Spenden aus dem Ausland um Einmischung in innere Angelegenheiten, ist nicht haltbar. Menschenrechte machen nicht vor Grenzen halt. Es ist das gute Recht von Menschenrechtsaktivisten, sich internationale Unterstützung zu organisieren", sagte Çalışkan.

Einen positiven Trend sieht Amnesty hingegen beim Kampf für die weltweite Ächtung der Todesstrafe. Singapur und Malaysia unternahmen wichtige Schritte zur Abschaffung der Todesstrafe. In den USA schaffte Connecticut im April 2012 als 17. Bundesstaat die Todesstrafe ganz ab.

Dunkler Schatten über der Fußball-WM 2014

Çalışkan kritisierte auch weltweit stattfindende rechtswidrige Zwangsräumungen: "In Brasilien werfen die Fußballweltmeisterschaft und die Olympischen Spiele ihre Schatten voraus: 2012 wurden dort zahlreiche Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben, um Platz für Infrastrukturprojekte zu schaffen oder um der Welt im Zuge der Sportereignisse ein geschöntes Bild des Landes zu zeigen."

2012 dokumentierte Amnesty rechtswidrige Zwangsräumungen in 36 Staaten. Besonders häufig sind Slumbewohner davon betroffen: "Oft wird ihnen buchstäblich das Dach über dem Kopf abgerissen", sagte Çalışkan. "Sie werden aus ihren Häusern oder Hütten geräumt, ohne dass sie rechtzeitig informiert werden, ohne dass sie gegen die Räumung klagen könnten, ohne dass ihnen eine angemessene Alternative angeboten wird."

Auch in EU-Staaten dokumentierte Amnesty rechtswidrige Zwangsräumungen, betroffen davon waren vor allem Roma. In Rumänien und Bulgarien, aber auch in Italien
und Frankreich wurden Roma immer wieder vertrieben, ohne dass ihnen eine angemessene Alternative geboten wird.

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