Er wäre der erste grüne Bundespräsidentschaftskandidat seit mehr als zwanzig Jahren. Doch noch will sich Alexander van der Bellen nicht zu einer möglichen Kandidatur äußern: "Heinz Fischer übt das Amt des Bundespräsidenten gut aus. Ich finde es geradezu unhöflich, eineinhalb Jahre vor Ablauf seiner Amtszeit über eine Kandidatur zu spekulieren", sagte der ehemalige Grünen-Vorsitzende erst letzten Monat in einem "Profil"-Interview. Die Anforderungen würde er nach Ansicht vieler Österreicher aber erfüllen.

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Wer ist er?

Alexander Van der Bellen wurde am 18. Jänner 1944 in Wien geboren, wuchs jedoch in Tirol auf, wohin seine Eltern vor der Roten Armee geflüchtet waren. Vorwürfe des ehemaligen Tiroler Landeshauptmanns Herwig von Staa, nach denen Van der Bellens Vater ein hochrangiger Nazi gewesen sei, stellten sich 2007 als haltlos heraus. Van der Bellen studierte Volkswirtschaft in Innsbruck und war viele Jahre als Professor und Dekan an verschiedenen österreichischen Universitäten tätig. Er war zunächst Mitglied der SPÖ, zog aber später für die Grünen in den Nationalrat ein. Parteimitglied wurde Van der Bellen jedoch erst nach seiner Wahl zum Bundessprecher der Grünen 1997. Mit elf Jahren Amtszeit ist er der Rekordhalter unter den bisherigen Bundessprechern der Partei. Heute ist Van der Bellen Universitätsbeauftragter der Stadt Wien und sitzt für die Grünen im Gemeinderat. Seit letztem Sommer wird er als Bundespräsidentschaftskandidat gehandelt. Auch wenn Van der Bellen selbst sich frühestens ein halbes Jahr vor der Wahl zu diesem Thema äußern möchte, haben die Grünen sich vorsichtshalber schon einmal die Domain "vdb2016.at" für einen möglichen Wahlkampf gesichert.

Hat er das Zeug zum obersten Staatsmann?

Van der Bellen genießt Anerkennung weit über die Parteigrenzen der Grünen hinaus. Ebenso wie der amtierende Bundespräsident Heinz Fischer repräsentiert er den Typus des honorigen Landesvaters: eine ruhige, besonnene Respektsperson, deren Wort nicht nur in der eigenen Partei Gewicht hat. In Beliebtheitsumfragen hat Van der Bellen seit jeher besser abgeschnitten als seine Partei. Somit erfüllt er nach Ansicht vieler Österreicher also die Anforderungen, die an einen überparteilich agierenden, souveränen Staatsmann gestellt werden.

Welche Positionen vertritt er?

Als Wissenschaftler und Universitätsbeauftragter setzt Van der Bellen sich vor allem für eine stärkere Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft und die Förderung der Forschung ein. Zu seinen jüngsten Erfolgen zählt die Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Rings in Universitätsring und die Eintragung aller Hochschulen in den Stadtplan von Wien. Zudem fordert Van der Bellen eine unbürokratischere Integration ausländischer Hochschulabsolventen nach dem Vorbild Deutschlands. So soll es Fachkräften aus Ländern außerhalb der EU, die in Österreich studiert haben, leichter gemacht werden, einen Job zu finden oder ein Unternehmen zu gründen. In seiner Zeit als Bundessprecher der Grünen machte Van der Bellen sich unter anderem für die Stärkung von Frauen in Politik und Wirtschaft stark.

Wie medientauglich ist er?

Skandale? Fehlanzeige! Alexander Van der Bellen gelingt das Kunststück gelungen, so gut wie ausschließlich mit seiner Politik Schlagzeilen zu machen. Anders als beispielsweise Erwin Pröll, der zu offiziellen Terminen stets seinen eigenen Fotografen mitbringt, inszeniert sich Van der Bellen nicht für die Medien. Dennoch wird fast durchwegs positiv berichtet, sei es in seiner Funktion als Wirtschaftsexperte oder als Politiker.

Wie stehen seine Chancen?

Van der Bellen sagte bereits mehrfach, er ziehe eine Kandidatur überhaupt nur dann in Betracht, wenn er eine realistische Chance habe. Laut einer Umfrage aus dem Winter 2014 könnte der Ex-Grünen-Chef sich tatsächlich gegen alle anderen potenziellen Kandidaten durchsetzen: Sollte Van der Bellen kandidieren, sehen ihn Experten in einer Stichwahl gegen den ÖVP-Kandidaten Erwin Pröll. Hier könnte der Grüne mit Unterstützung der Stimmen der momentan eher chancenlosen SPÖ die Mehrheit holen.

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