Maximilian Krah stolpert von einem Skandal in den nächsten. Der AfD ist ihr Spitzenkandidat für die Europawahlen längst zur Last geworden. Krah droht, seine Partei mit in den Abgrund zu ziehen. Wie ist es so weit gekommen?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Joshua Schultheis sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Vor zehn Monaten schien die Welt von Maximilian Krah noch in Ordnung. Gerade wurde er auf dem Parteitag der AfD mit einem passablen Ergebnis zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gewählt. Stehend applaudieren ihm seine Parteikollegen, während Krah – wie gewohnt mit Krawatte, Einstecktuch und Manschettenknöpfen – breit grinsend ins Publikum winkt.

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"Ihr wisst nicht, wie gut es tut, Freunde zu haben", sagt der hochgewachsene 47-Jährige.

Auf dem Parteitag der AfD im Juli 2023 triumphiert Krah. Seine Gegner in der eigenen Partei, die als die "gemäßigten" AfDler gelten, sind weitgehend kaltgestellt. Krah hat die Rückendeckung der beiden Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla. Vor allem ist er jedoch der Wunschkandidat desjenigen Politikers, den viele als den eigentlich starken Mann in der AfD betrachten: des rechtsextremen Vorsitzenden der Thüringen-AfD, Björn Höcke. Krah wird der völkischen Strömung innerhalb der AfD zugeordnet.

Vollmundig schließt der neue Spitzenkandidat seine Parteitagsrede mit den Worten: "Und jetzt mit voller Kraft in diese Wahl, auf dass es die beste bundesweite Wahl in der Geschichte der AfD werden wird."

AfD-Mitglied bezeichnete Krah als "tickende Zeitbombe"

Nicht einmal ein Jahr später ist von diesem Optimismus nichts mehr übrig. Krah ist zu einem Paria in der eigenen Partei geworden, hat Auftrittsverbot bei Wahlkampfveranstaltungen. Die rechte "Identität und Demokratie"-Fraktion (ID) im Europaparlament hat ihn und alle anderen AfD-Abgeordneten rausgeworfen. In Umfragen steht die Partei schlecht da. Viele Freunde hat Maximilian Krah nicht mehr. Wie ist das passiert?

Der tiefe Fall des sächsischen AfD-Politikers – für viele kommt er gar nicht so überraschend. Dass Krah regelmäßig Skandale produziert, war bereits vor seiner Wahl als Spitzenkandidat bekannt. Schon damals hatte die EU-Antikorruptionsbehörde Ermittlungen gegen den AfD-Politiker eingeleitet, unter anderem wegen verdächtiger Kontakte nach China und Russland. Zudem war Krah, der seit 2019 im EU-Parlament sitzt, mehrfach von der ID wegen Fehlverhaltens suspendiert worden.

In der "Bild"-Zeitung sprach ein AfD-Mitglied im vergangenen Jahr auf dem Parteitag von Krah als "tickende Zeitbombe". Die Zeitung aus dem Verlag Springer schrieb damals: "Kaum jemand in der Partei glaubt, dass bis zur Europawahl nichts mehr über Krah ans Licht kommt." Doch die wenigsten dürften damit gerechnet haben, wie schlimm es wirklich werden würde.

Die Affäre um "Voice of Europe"

Ende März geriet zunächst die Nummer zwei auf der AfD-Liste für die Europawahl in die Kritik. Petr Bystron soll aus dem Umfeld des Russland-nahen Propagandasenders "Voice of Europe" Geld erhalten haben, wie "tagesschau.de" berichtet. Der tschechische Geheimdienst hat laut eigener Angabe die Geldübergabe mit Wanzen mitgeschnitten. Auf der Audioaufnahme soll zu hören sein, wie Bystron raschelnd das Geld zählt. 20.000 Euro haben angeblich an diesem Tag den Besitzer gewechselt. Bystron dementiert die Vorwürfe.

Damals war es ausgerechnet Maximilian Krah, der Bystron nahelegte, bis zur Aufklärung der Vorwürfe auf Wahlkampfauftritte zu verzichten. Krah selbst gab "Voice of Europe" in der Vergangenheit wiederholt Interviews – und geriet nur kurz nach seinem Partei-Freund ebenfalls in den Verdacht, Geldzahlungen von prorussischen Akteuren erhalten zu haben.

Im April legten Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung offen: Krah war während einer USA-Reise im Dezember 2023 vom FBI verhört worden. Der AfD-Politiker hatte bei seiner Einreise ungewöhnlich viel Bargeld dabei. Krah selbst spricht von "ungefähr 3.000 Euro". Die Herkunft des Geldes vermuteten die FBI-Ermittler offenbar in prorussischen Netzwerken. Auch hier soll es eine Verbindung zu "Voice of Europe" geben. Krah behauptet dagegen, das viele Bargeld für Hotel- und Essensausgaben gebraucht zu haben.

Ob er tatsächlich Geld mit dem Ziel der politischen Einflussnahme erhalten hat, ist bisher nicht erwiesen. Doch seit April stand der Vorwurf der Korruption gegen Krah im Raum und die AfD-Spitze geriet zunehmend unter Druck: Wie lange könnte sie noch offen zu ihrem EU-Spitzenkandidaten stehen?

Krah-Mitarbeiter soll für China spioniert haben

Nur wenige Tage später platzte die nächste Krah-Bombe: Am 24. April wurde ein enger Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten in Dresden festgenommen. Jian G. soll seit 20 Jahren für China spioniert haben. Seitdem sitzt G., ein Deutscher mit chinesischen Wurzeln, in Untersuchungshaft. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.

Erneut legten WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung eine Recherche vor, die auch für den Arbeitgeber von G. brisant ist. Demnach soll Geld des chinesischen Geheimdienstes auch an Krah persönlich geflossen sein. Ein Anwalt Krahs wies die Vorwürfe zurück und er selbst reagierte mit der Entlassung von Jian G.

Für die AfD-Vorsitzenden Weidel und Chrupalla war nun dennoch der Moment gekommen, auf Abstand zu Krah zu gehen. Beim Wahlkampfauftakt in Donaueschingen war der Spitzenkandidat nicht anwesend, "um den Wahlkampf und das Ansehen der Partei nicht zu belasten", wie die AfD verlautbaren ließ. Zwar kritisieren weder Weidel noch Chrupalla ihren Parteigenossen Krah direkt und deuten stattdessen an, die Vorwürfe gegen ihn seien eine Anti-AfD-Kampagne. Auf einer gemeinsamen Bühne will man seitdem mit ihm aber auch nicht mehr stehen.

Krahs Skandal-Interview in "La Repubblica"

Trotzdem schaffte es Krah auch danach, seine eigene Partei erneut in die Bredouille zu bringen. In einem Interview mit der italienischen Zeitung "La Repubblica" im Mai behauptete er, dass in der nationalsozialistischen SS-Organisation "nicht alle Verbrecher" gewesen seien. Die SS war unter anderem für die Verwaltung der Konzentrationslager zuständig und verübte zahlreiche Massaker in ganz Europa.

Die Französin Marine Le Pen vom rechtspopulistischen "Rassemblement National" zeigte sich von Krahs Geschichtsauffassung ganz und gar nicht begeistert. Es sei nun an der Zeit, mit der AfD zu brechen, die "eindeutig unter dem Einfluss radikaler Gruppen innerhalb der Bewegung steht", sagte Le Pen. Es folgte der Rauswurf der AfD aus der ID-Fraktion im Europäischen Parlament. Damit ist die deutsche Rechtsaußen-Partei auf europäischer Ebene völlig isoliert. Ein Gau für die AfD.

Der Parteivorstand verhängte daraufhin endgültig ein Auftrittsverbot über ihren Spitzenkandidaten. Krah erklärte, sich dem Verbot beugen zu wollen und trat zudem aus dem AfD-Bundesvorstand zurück. Ist das das Ende von Krahs politischer Karriere in der AfD?

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Für Krah sind die EU-Wahlen entscheidend

Nicht ganz. Immerhin ist der Sachse nach wie vor Spitzenkandidat für die Europawahl. Aus rechtlichen Gründen ließe sich das auch nicht mehr ändern. Der AfD-Vorstand hat Krah zudem nie öffentlich aufgefordert, die Partei zu verlassen oder nach der Wahl auf das Mandat im EU-Parlament zu verzichten. Hinter den Kulissen dürfte es bei der AfD jedoch brodeln.

Entscheidend für das weitere Schicksal Krahs wird – neben der Frage, ob sich die Korruptionsvorwürfe weiter erhärten oder nicht – das Ergebnis bei den EU-Wahlen am 9. Juni sein. Derzeit steht die AfD in den Umfragen so schlecht da wie lange nicht mehr – die Skandale um Krah dürften ihren Beitrag dazu geleistet haben.

Aktuell wollen etwa 15 Prozent der Deutschen ihr Kreuz bei der AfD machen. Das wären zwar vier Prozentpunkte mehr als noch bei den Europawahlen 2019. Angesichts enormer Zugewinne der Rechten in anderen europäischen Ländern könnte sich die AfD mit einem solchen Ergebnis dennoch nicht zufriedengeben.

Derweil scheint Krah noch die ein oder andere böse Überraschung für seine Partei parat zu haben. Vergangene Woche wurde er von "Bild"-Zeitung bei einem Wahlkampfstand in Dresden beobachtet. Krah trug dabei eine blaue AfD-Jacke. Ein Bruch mit dem Auftrittsverbot? Er sagt: nein. Der AfD-Vorstand äußerste sich laut Bericht dagegen "verwundert". Es wirkt, als habe die Parteispitze die Kontrolle über Krah verloren.

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