Jausenbrettl-Verbot? Schwalben-Verbot? Dekolleté-Verbot? Um die EU ranken sich die herrlichsten österreichischen Mythen. Wir graben zum 20. Jahrestag der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags die schönsten davon noch einmal aus.

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Es ging hoch her auf Korfu an jenem 24. Juni im Jahr 1994: Österreich unterschrieb den EU-Beitrittsvertrag - gemeinsamt mit Schweden, Finnland und Norwegen. Knapp zwei Wochen zuvor hatten sich 66,6 Prozent der Österreicher (die Wahlbeteiligung lag bei über 80 Prozent) für einen Beitritt zur Europäischen Union ausgesprochen.

Die Mehrheit der Österreicher ist nach wie vor von den Vorteilen der EU-Mitgliedschaft überzeugt. Eine lautstarke Minderheit aus EU-Gegnern versucht jedoch beharrlich, immer wieder Mythen in die Welt zu setzen, die den Regulierungswahn Brüssels auf Kosten der Unabhängigkeit und Identität Österreichs untermauern sollen. Die EU mischt sich in die Jausengewohnheiten der Österreicher ein?

Vom "Jausenbrettl-Verbot" zum "Schwalben-Verbot"

Einen ihrer wohl schlimmsten Schocks durchlebten traditionsbewusste Österreicher mit dem Jausenbrettl-Verbot, das 2004 die Runde machte. "Hygienevorschriften der EU bedrohen die Brettljause" titelte ein Boulevardblatt. In Brüssel wusste freilich niemand nichts - und die EU-Kommission hielt fest, dass trotz neuer Hygienevorschriften kein "Brettlverbot" bei der Jause vorgesehen war.

Im Jahr darauf folgte ein "Dekolleté-Verbot". Es hieß, die EU-Kommission verbiete demnächst Kellnerinnen, die in Gastgärten servieren, ihre Ausschnitte zu zeigen. Ein Sturm der Entrüstung brach los - "Mein Dekolleté geht die EU gar nichts an" zitierte etwa die "Kronen"-Zeitung eine Service-Angestellte. In Wahrheit gab es einen EU-Richtlinienentwurf für Mindeststandards zum Sonnenschutz von Arbeitnehmern, der jedoch in keiner Weise Bekleidungsvorschriften enthielt.

Einem Landesbeamten aus Kärnten ist die Fehlinterpretation der EU-Richtlinie 89/362 zu verdanken, die ein vermeintliches "Schwalben-Verbot" in Ställen vorschrieb. Einige Landwirte liefen gegen die Richtlinie Sturm, da Schwalben in Ställen mit Vorliebe Jagt auf lästige Fliegen machen. Die EU hatte jedoch nur festgelegt, dass sich während des Melkens kein "Geflügel, Nagetiere und Ungeziefer" in den Stallungen befinden sollte.

EU-Mythen halten sich hartnäckig

Auch andere Evergreens unter den EU-Mythen werden verlässlich - vor allem in Wahljahren - von EU-kritischen Parteien und dem Boulevard immer wieder gerne forciert: "Die EU will Österreichs Wasser verkaufen", "Die EU bestimmt über unsere Pensionen", "Der Euro ist ein Teuro", "Die Österreicher sind die Zahlmeister der EU" und "Die EU-Erweiterung führt zu Sozialtourismus". Jeder dieser Mythen wurde schon mehrfach widerlegt - einige davon in der Studie "Legenden und Mythen rund um die Europäische Union... und was wirklich dahinter steckt" der Österreichischen Wirtschaftskammer.

Schwerwiegender für die außenpolitische Zukunft der Union ist das Gericht, die EU dürfe Österreicher ungefragt in den Krieg schicken. Es ist zwar richtig, dass es im Lissabon Vertrag eine sogenannte Solidaritätklausel gibt, die die gegenseitige Hilfe unter Mitgliedstaaten im Falle von Katastrophen und Terroranschlägen vereinbart. Jedoch ist diese Klausel nicht mit der militärischen Beistandsklausel zu verwechseln, die festlegt, dass neutrale Länder wie Österreich unabhängig entscheiden dürfen, wann und wo ihre Soldaten zum Einsatz kommen.

Auch sollte ein für alle mal mit dem Mythos der "Beamtenunion" aufgeräumt werden. Das wichtigste Organ der EU - die Kommission - zählt 23.000 Beamte, die für rund 506 Millionen EU-Bürger zuständig sind. Das entspricht einem Verhältnis von 1:22.000. Das Magistrat der Stadt Wien hingegen zählt für eine Bevölkerung von knapp 1,8 Millionen fast 30.000 Mitarbeiter - also einen Beamten pro 60 Wienern.

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