Zwar hat uns der EU-Beitritt im Jänner 1995 viel gebracht, einiges liegt jedoch im Argen in der Union. Wir haben eine Reihe von Fehlentwicklungen innerhalb des Staatenverbundes ausgemacht, die in den nächsten 20 Jahren behoben werden sollten.

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"Brüssel ist schuld": Mit diesem Satz schaffen es Österreichs Bundespolitiker am leichtesten, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Die EU eignet sich perfekt als Sündenbock. Und auch wenn Österreich am 1. Jänner 2015 bereits den 20. Jahrestag in der Europäischen Union begangen hat:, ist die Skepsis gegenüber dem Staatenverbund groß.

Die EU stiftet Frieden, der bürokratische Aufwand beim Handel an den Grenzen wurde deutlich verringert, und Österreichs Unternehmen haben ihre Exportquoten drastisch erhöht. Das sind bedeutende Vorteile, die der EU-Beitritt seit 1995 mit sich gebracht hat. Trotzdem gibt es eine ganze Reihe von Problemen - und somit gehöriges Verbesserungspotenzial für die nächsten 20 Jahre.

Überregulierung schadet dem Image

Eingedämmt werden sollte etwa die Überregulierung. Vielen noch gut in Erinnerung sind penible EU-Verordnungen, die vorgeben, wie stark Bananen gekrümmt und Gurken gebogen sein müssen. "Es sind aber schon auch die Mitgliedstaaten selbst, die dafür eintreten könnten, gewisse unnötige Rechtsakte zu unterlassen", sagt Hubert Isak, Stellvertretender Leiter des Instituts für Europarecht an der Karl-Franzens-Universität Graz auf Anfrage von GMX.at. "Ich bin der Meinung, die Nationen hätten es in der Hand, dass es nicht zu so vielen Überregulierungen kommt."

Es wird auch reguliert, um eine gewisse Aktivität zu demonstrieren. "Gleichzeitig werden aber die grundsätzlichen und schwierigen Fragen - die EU betreffend - nicht angegangen", urteilt Isak. Der EU-Rechtsexperte geht davon aus, dass es zukünftig zu weniger Überregulierungen kommen wird. "Es dürfte inzwischen zur EU-Kommission durchgesickert sein, dass es wenig Sinn macht, wenn man durch diese Vorgehensweise die EU-Bürger verliert. Wenn die Regulierungen gegen deren Willen passieren, dann ist das nicht gut für die Union, denn sie braucht eine gewisse Legitimation durch die Akzeptanz ihrer Bürger."

EU-Berichterstattung ist "zu wenig sexy"

Wasser auf den Mühlen der Kritiker sind die Korruptionsfälle innerhalb der EU, die bekannt wurden. Eine Eurobarometer-Erhebung ergab, dass 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher die EU-Institutionen für korrupt halten. Die Alpenrepublik ist damit Spitzenreiter innerhalb der EU, was das Misstrauen gegenüber Europapolitikern betrifft. Es gilt Korruption also zukünftig aufzudecken und entsprechend zu ahnden.

Ein weiteres Problem ist mangelnde Transparenz. Viele Bürger wissen weder, wie die Europäische Union funktioniert, noch ihre Entscheidungsfindung. Die EU muss den Leuten näher gebracht werden. Diesbezüglich in der Bringschuld sieht Manfred Perterer, Chefredakteur der "Salzburger Nachrichten" und von 2001 bis 2006 EU-Korrespondent, die Journalistinnen und Journalisten. Die EU-Berichterstattung sei "zu wenig sexy". "Wir Medienleute müssen die EU anders darstellen. Spannender, interessanter, so dass sich die Menschen dafür interessieren." Das sei schwierig, "weil es sich sehr oft um trockene Themen handelt. Und die werden nicht so gerne konsumiert. Aber es muss gelingen", sagt Perterer.

EU-Sanktionen sind ein Fehler

Nach dem Wahlerfolg der FPÖ im Jahr 1999 und der Angelobung von Schwarz-Blau demonstrierten in Österreich tausende Menschen auf den Straßen. Fremdenfeindliche Aussagen führender FPÖ-Politiker ließen befürchten, dass sich diese Haltung auf die Regierungspolitik auswirken könnte.

Die damals 14 weiteren EU-Staaten verhängten Sanktionen gegen Österreich, wodurch sich die bilateralen Beziehungen reduzierten. Was als Zeichen gegen Rassismus gedacht war, entpuppte sich im Nachhinein als Fehler - der eher dazu führte, dass sich viele zuvor skeptisch Eingestellte mit der Schwarz-Blauen Koalition solidarisierten. Im September 2000 wurden die Sanktionen zurückgenommen.

Lobbyismus offenlegen

Laut "lobbycontrol.de" nehmen schätzungsweise 20.000 Lobbyisten in Brüssel Einfluss auf die EU-Institutionen. Etwa 70 Prozent davon arbeiten für Unternehmen und Wirtschaftsverbände. Sie genießen privilegierte Zugänge zu den Kommissaren und überhäufen die Abgeordneten mit Änderungsanträgen für Gesetzesvorlagen.

"Die europäische Demokratie läuft Gefahr, endgültig zugunsten eines wirtschaftsdominierten Europas ausgehöhlt zu werden", schreiben die Verantwortlichen bei "lobbycontrol.de". Sie verlangen daher ein öffentliches Lobbyregister der EU.

Möchte die Europäische Union in den nächsten Jahren Fehler beheben, müsste sie sich vermehrt für schwächer ausgestattete Institutionen und Interessen einsetzen, anstatt sich zum Werkzeug für mächtige Lobbyisten machen zu lassen. Vom geplanten Freihandelsabkommen TTIP, um nur ein Beispiel zu nennen, profitieren laut "Greenpeace" vor allem große Konzerne. Diese wünschen einen Abbau von "Handelshemmnissen" zwischen der EU und den USA. Solche Hemmnisse sind laut den Lobbyisten etwa der Atomkraft-Ausstieg oder die vergleichsweise hohen Standards für die Lebensmittelproduktion in Europa.

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