Michael Häupl ist nicht nur einer der einflussreichsten Politiker Österreichs, sondern auch ein lebendes Wahrzeichen der Stadt Wien. Seit 20 Jahren regiert er bereits die Hauptstadt – solange wie sonst kein anderer Bürgermeister in der zweiten Republik. Ganz Österreich gratuliert und auch wir schließen uns mit einem Glückwunschbrief an.
Wo ist bloß die Zeit geblieben, Herr Dr. Michael Häupl? Seit bereits 20 Jahren sind Sie Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien. Zu diesem runden Jubiläum gratulieren wir Ihnen ganz herzlich! Damit sind Sie auf ewig mit der Stadt Wien verbunden und gehören quasi zum Inventar dazu.
Dass Sie ja eigentlich in Niederösterreich geboren wurden, haben Ihnen die Wiener längst verziehen. Immerhin kann man sich auf kaum einen Politiker so verlassen wie auf Sie. Ein Wien ohne Häupl können sich viele gar nicht mehr vorstellen.
Müssen sie vorerst auch nicht, denn wer Sie kennt, der weiß: Da geht noch was. 65 Jahre sind schließlich kein Alter für einen Politiker. Es gilt das gleiche wie beim Wein: je älter, desto charaktervoller. Jjunger Wein kann mitunter schon mal sauer aufstoßen - wie so manchem Ihrer politischen Gegner Ihre Vergangenheit in einer schlagenden national-freiheitlichen Jugendverbindung. Denn zu den Sozialdemokraten fanden Sie erst während Ihres Biologiestudiums, das Sie mit einer Dissertation über Geckos abgeschlossen haben. Eine Echsenart, die für ihre Anpassungsfähigkeit bekannt ist - was man von Ihnen nicht wirklich behaupten kann. Sie ziehen es vor, dass sich umgekehrt Ihre Umgebung an Sie anpasst.
Ein gutes Maß an Hartnäckigkeit konnten Sie zu Beginn Ihrer SPÖ-Karriere bestimmt gut gebrauchen. Ein studierter Biologe, der sich in seiner Vergangenheit in FPÖ-Kreisen bewegte und noch dazu aus einem konservativen Elternhaus stammt? Man muss kein Sozialdemokrat sein um zu erahnen, dass Sie in der Partei mit Gegenwind zu kämpfen hatten.
Doch das war einmal. Ihr Erfolg hat die Kritiker verstummen lassen. Die "Financial Times" nannte Sie einen der eindrucksvollsten und gewichtigsten Politiker Österreichs. Auch das internationale Renommee Wiens kommt Ihnen zugute. Die Hauptstadt zählt mittlerweile zu den lebenswertesten Städten der Welt. Attraktiv sowohl für junge Menschen und Familien, aber auch für internationale Manager. Die Frage, wie viel Sie selbst zu diesem Erfolg beigetragen haben, mag unterschiedlich beantwortet werden. Ganz frei von jeglichem Sarkasmus darf man aber behaupten: Zumindest standen Sie dem Erfolg Wiens nie im Weg. Die Bürger vieler anderer Großstädte wissen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Kein Wunder, dass andere Bürgermeister von Ihrer Beliebtheit nur träumen können.
Ihr erfolgreicher Werdegang war jedoch kein Selbstläufer. Im Gegenteil begann Ihre Karriere als Bürgermeister nicht gerade glanzvoll. 1994 übergab Ihnen der überaus beliebte Helmut Zilk sein Amt, die Erwartungen an Sie waren dementsprechend groß. Doch bei Ihren ersten Gemeinderatswahlen im Jahre 1996 verlor die SPÖ zum ersten Mal die absolute Mehrheit und musste fortan mit der ÖVP koalieren. Eine herbe Niederlage nicht nur für die Sozialdemokraten, sondern auch für Sie persönlich. 2010 folgte die zweite Zwangsehe, diesmal mit den Grünen.
Doch wer weiß besser als Sie, dass die meisten Ehen ein Ablaufdatum haben? Privat sagten Sie 2011 sogar schon zum dritten Mal "Ja, ich will". Aus den vorherigen Ehen stammen zwei Kinder und als Vater können Sie wohl kaum stolzer sein, wenn die Lieblingsfarben des Sohnemanns ebenfalls SPÖ-rot und Austria-Violett sind. Politik und Fußball, zwei Leidenschaften die in der Familie Häupl ganz groß geschrieben werden.
Eine weitere Ihrer Leidenschaften kann man wohl als Genuss am Leben zusammenfassen. Nicht ohne Grund haben Sie in den Köpfen vieler Bürger immer ein Glaserl Weißwein in der Hand. Wen wundert es, dass Wien so lebenswert ist, wenn der Bürgermeister selbst am besten weiß, wie es sich gut leben lässt. Doch niemals abgehoben, sondern immer bodenständig und volksnah. Dass manche Kritiker Ihr gemütliches Fiaker-Image als Teil eines machtpolitischen Kalküls sehen, hindert die Wiener nicht daran, Sie als einen der ihren zu betrachten. Und wer die Wiener kennt, weiß: es kann für einen Bürgermeister keine größere Ehre geben.
Herr Dr. Häupl, wir wünschen Ihnen auch für die Zukunft alles Gute und noch viele erfolgreiche Jahre als Bürgermeister. Doch verpassen Sie den richtigen Moment des Abschieds nicht. Schließlich sind es meist die letzten Amtsjahre eines Politikers, die der Öffentlichkeit am meisten in Erinnerung bleiben.
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