Die Lage in Myanmar nach dem Erdbeben spitzt sich weiter zu: Tausende Menschen sind tot oder vermisst, viele Überlebende kämpfen ums Überleben – teils ohne Wasser, Schutz oder medizinische Hilfe.

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Im Katastrophengebiet von Myanmar ist die Zahl der Todesopfer vier Tage nach dem verheerenden Erdbeben weiter gestiegen. Bis zum Morgen (Ortszeit) seien 2.719 Leichen geborgen worden, teilte die regierende Militärjunta mit. Junta-Chef Min Aung Hlaing sagte, dass die Zahl aber wahrscheinlich auf mehr als 3.000 steigen werde. Das Beben, das am Freitag vor allem die Regionen rund um die Städte Sagaing und Mandalay erschütterte, hatte eine Stärke von 7,7.

Mehr als 4.500 Menschen wurden dem Militär zufolge verletzt, rund 440 werden noch vermisst. Es sei aber wahrscheinlich, dass diese ebenfalls nur noch tot geborgen werden, fügte General Min Aung Hlaing hinzu. Die kritische Marke, die ein Mensch ohne Essen und Trinken auskommen kann, liegt generell bei 72 Stunden.

Wie sieht es an der Unglücksstelle in Bangkok aus?

Auch in Bangkok, wo die Erdstöße ebenfalls zu spüren waren und der Rohbau eines Hochhauses einstürzte, ist diese Zeitspanne schon überschritten. Die Helfer suchen aber weiter in einem riesigen Trümmerberg mit Hunden, Kameras und Sonargeräten nach Lebenszeichen.

Bislang wurden allerdings nur Leichen geborgen - und Dutzende Verschüttete werden noch vermisst. Der Gouverneur der Millionenstadt, Chadchart Sittipunt, betonte aber, es handele sich weiter um eine Rettungsmission und nicht um eine reine Bergungsmission. Nach Behördenangaben liegt die Totenzahl in der thailändischen Hauptstadt derzeit bei rund 20.

Viele Pagoden zerstört

Im buddhistisch geprägten Nachbarland Myanmar sind derweil Tausende religiöse Gebäude zerstört worden. Laut der Organisation International Buddhist Education Centre sollen allein in der Region Sagaing mehr als 2.000 Klöster und Pagoden ganz oder teilweise eingestürzt sein. Die Organisation sprach von einem "großen Verlust für den Buddhismus" und betonte, es habe sich um eines der schwersten Erdbeben aller Zeiten in Sagaing gehandelt.

Auch in der zweitgrößten Stadt Mandalay sowie in der berühmten Welterbestätte Bagan haben Berichten zufolge viele buddhistische Bauwerke sowie Buddha-Statuen Schaden genommen. Das genaue Ausmaß ist aber noch unklar, speziell in Bagan. Die Tempelstadt gehört seit 2019 zum Weltkulturerbe der Unesco. Fast 90 Prozent der Bevölkerung sind Buddhisten.

Beben baute sich über viele Jahre auf

Vor dem Beben hat sich Experten zufolge viele Jahrzehnte - womöglich an die zwei Jahrhunderte - unsichtbar Spannung im Untergrund aufgebaut. Die Erdstöße ereigneten sich entlang der prominentesten Störungslinie in Myanmar, der Sagaing-Verwerfung, wo die indische und die eurasische Platte aneinanderstoßen, sagte der Münchner Geophysiker Martin Käser. "Durch das große Beben ist die Spannung, die sich zwischen diesen beiden Platten aufgebaut hatte, auf einen Schlag gelöst worden."

Nach dem Erdbeben am Freitag in Myanmar

Angst vor Nachbeben – Menschen schlafen auf der Straße

Nach dem Erdbeben am Freitag in Myanmar verbringen viele Menschen in der Metropole Mandalay aus Sorge vor Nachbeben die Nacht auf der Straße. Durch das Erdbeben waren in Myanmar und Thailand mehr als 2000 Menschen ums Leben gekommen.

Für die Bevölkerung ist die Lage derweil verzweifelt. Familien graben in Trümmern nach ihren Angehörigen, Menschen schlafen teils ohne Überdachung auf Matten, es fehlt an allem. In sozialen Netzwerken kursieren Videos, die die beispiellose Zerstörung in der Region zeigen. Viele Menschen stehen vor Lebensmittelausgaben von Helfern Schlange.

"Wir haben keine genauen Zahlen, aber wir gehen davon aus, dass neun Millionen Menschen stark betroffen sind", sagte Henry Braun, Landesdirektor der Welthungerhilfe, der Deutschen Presse-Agentur.

"Sandalenretter" graben in den Trümmern

Weil die professionellen Rettungstrupps zum Teil bisher nicht angekommen seien oder keinen Zugang hätten, machten vor allem "Sandalenretter" die Arbeit. "In Myanmar tragen die Menschen normalerweise Flipflops. Es sind die einfachen Menschen, die mit Schaufeln graben und am meisten tun", betonte er. Gleichzeitig warnte Braun wegen der großen Sommerhitze vor der Ausbreitung von Seuchen. Beobachter sprechen von einem starken Verwesungsgeruch in vielen Gebieten, weil mittlerweile die Leichensäcke ausgehen.

Auch hätten es Hilfsorganisationen unter anderem wegen zerstörter Straßen und Brücken schwer, überhaupt in die betroffenen Regionen zu gelangen. Gleichzeitig gibt es in anderen Landesteilen weiter Kämpfe und auch Luftangriffe der Junta. Erst am Sonntagabend soll das Militär nach einem Bericht des Nachrichtenportals "Myanmar Now" den Distrikt Moenyin im Kachin-Staat bombardiert haben. Dabei seien mindestens 38 junge Männer getötet worden, hieß es. Die Generäle sind schon lange im Krieg mit der eigenen Bevölkerung.

In dem Vielvölkerstaat hatte sich die Junta Anfang 2021 an die Macht geputscht. Seither reagiert sie mit brutaler Härte. Menschenrechtler befürchten, dass die Generäle verhindern könnten, dass die internationalen Hilfen etwa aus China, Russland und Indien am Ende wirklich ins Katastrophengebiet geliefert werden. (dpa/bearbeitet von skr)