• Mitten am Tag wurde ein Mann in Berlin erschossen. Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft handelt es sich um einen Auftragsmord.
  • Jetzt ist das Urteil gegen den Angeklagten aus Russland ergangen.
  • Die Bundesregierung reagiert umgehend.

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Mehr als zwei Jahre nach den tödlichen Schüssen auf einen Georgier tschetschenischer Abstammung mitten in Berlin ist ein 56-jähriger Russe zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Berliner Kammergericht sprach den Angeklagten am Mittwoch im sogenannten Tiergartenmord-Prozess des Mordes schuldig. Zudem verurteilte es den Mann wegen illegalen Waffenbesitzes.

Richter sehen Drahtzieher des Anschlags in Russland

Die Auftraggeber für den Mord in der Berliner Parkanlage saßen nach Überzeugung des Gerichts in Russland: "Das war Staatsterrorismus", sagte der Vorsitzende Richter Olaf Arnoldi am Mittwoch bei der Urteilsverkündung. Die Tat sei "nichts anderes als Rache und Vergeltung" gewesen.

Das Gericht zeigte sich nach mehr als einem Jahr Verhandlung davon überzeugt, dass der Angeklagte den Georgier am 23. August 2019 in der Parkanlage Kleiner Tiergarten heimtückisch erschoss. Die Richter stellten die besondere Schwere der Schuld fest, was eine Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausschließt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Georgier, der während des zweiten Tschetschenien-Krieges mehrere Jahre lang eine Miliz im Kampf gegen Russland angeführt habe, habe seit langem im Visier der Russischen Föderation gestanden, so der Vorsitzende Richter. Er erinnerte daran, dass der russische Präsident Wladimir Putin das Opfer später öffentlich einen "Banditen", "Mörder" und "blutrünstigen Mensch" genannt hatte.

Spätestens im Juli 2019 hätten "staatliche Stellen der Russischen Föderation" den Entschluss gefasst, das Opfer zu liquidieren. "Den Auftrag erteilten sie dem Angeklagten und statteten ihn mit einer neuen Identität aus", so der Richter. Einen Monat vor der Tat sei dem Russen ein offizieller Pass mit der Alias-Identität ausgestellt worden. Nach der Tat habe Russland an der falschen Identität festgehalten, um die "eigene Tatbeteiligung" zu vertuschen.

Der Angeklagte selbst hatte zu Beginn des Prozesses über seine Anwälte erklären lassen, er heiße Vadim S., sei 50 Jahre alt und Bauingenieur. Nach Überzeugung des Gerichts steht jedoch fest: Der Täter heißt Vadim K. und reiste am Tag vor der Tat als Tourist getarnt nach Berlin.

Moskau reagiert mit unverhohlener Drohung

Die verweigerte Hilfe Russlands bei der Aufklärung des Falles wertete des Gericht als ein weiteren Aspekt unter einer "Vielzahl schlagkräftiger Indizien" dafür, dass der Auftrag zur Tötung aus Russland kam. Dazu zähle auch die Einstufung des Opfers als Staatsfeind, so Richter Arnoldi. Denn das russische Gesetz erlaube bei dieser Einordnung eine Tötung im Ausland. Zudem habe nur ein Staat die logistischen Möglichkeiten der Tatvorbereitung.

Moskau reagierte prompt auf das Urteil - mit einer kaum verhohlenen Drohung. "Es handelt sich dabei um einen offensichtlich unfreundlichen Akt, der nicht unerwidert bleibt", erklärte der russische Botschafter Sergej Netschajew.

"Auch der Zeitpunkt der Urteilsverkündung wird nicht von ungefähr ausgesucht sein. Offenbar hat jemand ein Interesse daran, dass der Dialog zwischen Russland und der neuen Bundesregierung von Beginn an dadurch überschattet wird."

Berlin reagiert umgehend auf Urteil: Baerbock erklärt Diplomaten für "unerwünscht"

Weil das Gericht der Argumentation der Bundesanwaltschaft folgte, wird das Urteil die deutsch-russischen Beziehungen wohl weiter belasten. Berlin erklärte in einer ersten Reaktion zwei russische Diplomaten zu unerwünschten Personen, wie Außenministerin Annalena Baerbock mitteilte.

Es handle sich um zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft in Deutschland. Das sei dem russischen Botschafter Netschajew am Mittwoch bei einem Gespräch im Auswärtigen Amt erklärt worden, sagte Baerbock. Ein solcher Schritt kommt einer Ausweisung der Diplomaten gleich.

Erste Konsequenzen hatte die Vorgängerregierung schon gezogen, nachdem der Generalbundesanwalt die Ermittlungen aufgenommen hatte und der russischen Regierung mangelnde Kooperation vorwarf. Zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft in Berlin wurden deswegen ausgewiesen.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte daraufhin bei einer Pressekonferenz in Paris den ermordeten Georgier, der in der russischen Teilrepublik Tschetschenien auf Seiten der Separatisten gekämpft haben soll, einen "Banditen" und "Mörder" genannt. Diese Äußerungen hätten gezeigt, dass der getötete Georgier "bis in höchste Regierungskreise" als Terrorist angesehen worden sei, erklärte die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer. (dpa/ank)

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