Eine Reportage der ORF-Sendung "Thema" berichtet über die Bande Struja, die von Wiener Lokalbesitzern Schutzgelder in Höhe von mindestens einer halben Million Euro erpresste. Der Bericht zeigt die Vorgehensweise der Organisation, die trotz vor Kurzem durchgeführter Verhaftungen noch Angst verbreitet.

Mehr Panorama-News

Am 22. März wurden in einem Großeinsatz der Sondereinheit Cobra in Wien und Vorarlberg sieben Männer und eine Frau verhaftet. Sie sollen die Anführer der Bande Struja ("Strom") sein, die vor allem in Ottakring von Lokalbetreibern Schutzgeld erpresste. Unter den Verhafteten ist der 37-jährige Edin D., der als Kopf der Organisation gilt.

Ungefähr 500.000 Euro soll die Bande bislang erpresst haben, die tatsächliche Summe könnte aber weitaus höher sein. Viele Erpressungsopfer trauen sich nicht Anzeige zu erstatten oder über die Vorfälle zu sprechen.

Wie ging die Bande vor?

Das "Thema"-Team konnte zwei betroffene Geschäftsleute interviewen – unter der Voraussetzung, dass beide komplett anonym bleiben. Ihre Aussagen werden im Bericht nachgesprochen bzw. zitiert.

Ein Geschäftsmann erklärt, dass die meisten Lokalbesitzer stillschweigend bezahlt haben. Manche hätten sich gewehrt, einige wenige standhaft. Viele haben offenbar auch einfach den Betrieb zugesperrt oder sogar einen Ortswechsel vollzogen.

Die Masche der Struja-Organisation sei stets gleich gewesen: Zunächst habe es einige "freundliche" Besuche im Lokal gegeben, bevor dann für Unruhe gesorgt wurde. Gäste wurden belästigt oder durch Knochenbrüche oder Nasenbeinbrüche verletzt, um den Lokalbetreiber zu zwingen, ein Bandenmitglied als "Security" anzuheuern – für 400 bis 800 Euro in der Woche. Darüber hinaus wurde oft noch zusätzliches "Schutzgeld" verlangt.

Unter den Verhafteten ist auch eine 28-jährige Frau. Sie heuerte in verschiedenen Lokalen als Bardame an oder flirtete mit den Besitzern, um auszukundschaften, welche Umsätze gemacht werden. So wusste die Bande, welche Beträge sie tatsächlich verlangen konnte.

Teilweise hat die Bande offenbar auch Familienangehörige der Barbesitzer bedroht. Betroffen seien nicht nur Lokale, sondern auch der Einzelhandel, zum Beispiel Handyläden oder Boutiquen. In manchen Betrieben sei durch die Bande Drogenhandel aufgezogen worden.

Wie gefährlich ist die Bande?

"Die haben keinen Kodex", erklärt ein weiteres anonymes Opfer. "Die verstehen nichts außer Gewalt und streuen nichts außer Gewalt." Die Bande mache auch durch die Anzahl ihrer Mitglieder Angst: "Die kommen mit 50 Personen, und jeder hat ein Messer eingesteckt."

Hannes Gulnbrein, Leiter der Sondereinheit Cobra, bestätigt, dass die Täter als "extrem gefährlich" eingestuft werden müssen: Sie hätten teilweise Kriegserfahrung, ihre Vorgeschichten umfassen unter anderem brutale Raubüberfälle und schwere Nötigungen.

Edin D.s Name tauchte laut den Ermittlern auch schon 2007 in Zusammenhang mit einem bislang ungeklärten Mord in der Ottakringer Straße in Wien-Hernals auf. Damals wurde ein Lokalbesucher des Café Cappuccino mit gezielten Schüssen in den Kopf getötet, ein anderer schwer verletzt. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter konnte damals nicht geführt werden, weil der Kronzeuge seine Aussage zurückzog.

Ist die Bande durch die Verhaftungen zerschlagen?

Dieter Csefan vom Bundeskriminalamt erklärt, dass mit den aktuellen Verhaftungen die Köpfe der Struja-Bande gefasst wurden und in Untersuchungshaft sitzen. Man müsse abwarten, ob sich Struja eventuell neu organisieren könnte, aber vorerst sei "der Hydra der Kopf abgeschlagen".

Die anonymen Opfer sind sich da nicht sicher: Es kämen schon neue nach. "Es wird auch keinen geben, der gegen diese Bande aussagt", meint ein Interviewpartner. "Wenn die ein paar Mal vor deinem Haus warten, überlegst du dir, was du machst." Auch der andere Informant ist skeptisch: "Vorbei ist die Geschichte bei weitem nicht."

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.