Nach drei Festnahmen wegen geplanter Terroranschläge ist der Weihnachtsmarkt in Göppingen am Samstagabend aufgrund einer Bedrohungslage geräumt worden. Inzwischen ist der Markt wieder für Besucher geöffnet. Wie ein Polizeisprecher am Sonntag sagte, hatte ein Mann am Telefon am Samstagabend eine Drohung ausgesprochen. Der Weihnachtsmarkt in Baden-Württemberg war daraufhin zügig geschlossen worden. Wer der Mann ist, der die Drohung ausgesprochen hatte, ist derzeit unklar. Zum Inhalt der Drohung machte der Sprecher aus ermittlungstaktischen Gründen keine Angabe.
Zuvor hatte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, auf die Belastung der Polizei durch den Schutz der Weihnachtsmärkte hingewiesen. Die Polizei sei dort personell stark gefordert, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Die Präsenz wird durch Umstellung der Dienstpläne, Urlaubssperren und Überstunden erzwungen." Diese Extraschichten könnten nicht dauerhaft aufrechterhalten werden.
GdP-Chef für mehr Videoüberwachung
Kopelke riet dazu, Weihnachtsmärkte häufiger per Video zu überwachen. "Videoüberwachung auf Weihnachtsmärkten ist ein hilfreiches Mittel, das intensiv unter dem Einsatz bester Technik genutzt werden sollte", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das sei bislang nur vereinzelt der Fall, weil oftmals aufgrund des Datenschutzes eine präventive Videoüberwachung nicht möglich sei.
Auch der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sieht die Polizei stark belastet. "Zum einen sind Polizisten infolge des Gaza-Kriegs im Objektschutz jüdischer Einrichtungen tätig. Und zum anderen kann die Bundespolizei in den Bundesländern auf Weihnachtsmärkten nicht unterstützen, weil sie an der Grenze gebunden ist", sagte er dem RND. Dort würden auch diejenigen abgefangen, die möglicherweise Gefährder seien oder werden könnten.
Festnahmen wegen mutmaßlicher Anschlagsplanungen
Zuletzt waren in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg zwei Jugendliche im Alter von 15 und 16 Jahren festgenommen worden, die einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt geplant haben sollen. Zudem war ein 20-Jähriger im niedersächsischen Helmstedt in Gewahrsam genommen worden. Laut Landeskriminalamt hatte die Polizei Hinweise erhalten, wonach der Verdächtige eine schwere Gewalttat geplant haben soll.
Die beiden Jugendlichen sitzen in Untersuchungshaft. Ihre mutmaßlichen Planungen erinnern an den Anschlag am 19. Dezember 2016 auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin, durch den 13 Menschen starben, einer von ihnen Jahre später an den Folgen.
Schausteller sehen Sicherheit gewährleistet
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Schaustellerbundes, Frank Hakelberg, beteuerte aber in der "Rheinischen Post" (Samstag): "Die 3200 Weihnachtsmärkte in Deutschland sind sicher. Die Menschen sollten zwar achtsam sein, aber keine Sorgen haben."
Verfassungsschutz sieht gestiegene Terrorgefahr
Schon vor Bekanntwerden der jüngsten Festnahmen hatte der Verfassungsschutz gewarnt, dass vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts die Gefahr für mögliche Terroranschläge gegen jüdische und israelische Personen und Einrichtungen sowie gegen "den Westen" deutlich zugenommen habe. Die größte Gefahr geht demnach aber nicht von Anhängern der Hamas oder der pro-iranischen Hisbollah aus, sondern von Terrorgruppen wie Al-Kaida oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS).
Rufe aus der Union nach Speicherung von IP-Adressen
Die Vizevorsitzende der Union im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU), forderte die vorsorgliche Speicherung von IP-Adressen. Das Innen- und das Justizministerium sollten "umgehend einen Aktionsplan gegen islamistischen Terrorismus vorlegen, so wie es ihn im Bereich Rechtsextremismus längst gibt", sagte die Innenexpertin der "Rheinischen Post". "Dazu gehört insbesondere die Pflicht zur Speicherung von IP-Adressen für einige Monate zum Zweck der Terrorbekämpfung." Der Europäische Gerichtshof habe dies bereits vor über einem Jahr zum Zweck der Terrorbekämpfung für zulässig erklärt.
"Es darf nicht sein, dass es - wie momentan - praktisch vom Zufall abhängt, ob Fahnder eine IP-Adresse einem Terroristen zuordnen können oder nicht", mahnte Lindholz. Die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus in Deutschland sei nie weg gewesen. "Durch die einseitige Fokussierung der Bundesregierung auf den Rechtsextremismus ist sie aber ein Stück aus dem Blick geraten. Jetzt zeigt sich, dass das ein Fehler war." © dpa
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