Es deutete auf einen "Familienstreit" hin, doch es war weit mehr als dies: Einen Tag nach einer tödlichen Geiselnahme in Bayern hat die Polizei den Vorfall rekonstruiert. Worum ging es?
Mehr als eine Stunde hält ein Mann seine Lebensgefährtin in seiner Gewalt. Am Ende sind die Frau und der Mann tot, zurückbleibt das kleine Kind des Paares. Nach der tödlichen Geiselnahme im oberbayerischen Ferienort Tegernsee im Landkreis Miesbach haben Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch den Vorfall rekonstruiert.
Der 46 Jahre alte Mann hatte am Dienstagabend die 25 Jahre alte Frau als Geisel genommen und bedroht. Eine Nachbarin bekam die Auseinandersetzung mit und rief die Polizei.
Eine Frau habe geschrien, teilte sie den Beamten mit. "Familienstreit" lautete die erste Meldung bei der Polizei.
Tegernsee: "Familienstreit" endet tödlich
Die Beamten seien um 17:27 Uhr eingetroffen und hätten durch die Wohnungstüre Kontakt mit dem Mann aufgenommen, berichtete Polizeipräsident Robert Kopp am Mittwoch. Der 46-jährige Italiener habe verlangt, mit seinem Sohn zu sprechen.
Dieser traf wiederum um 18:40 Uhr ein. Die beiden hätten sich auf Italienisch unterhalten - danach sei die Lage eskaliert. Es sei Geschrei aus der Wohnung zu hören gewesen.
An einem bestimmten Punkt sei für die Beamten klar gewesen: "Sie müssen der Frau helfen, sie müssen in die Wohnung rein", sagte Kopp. Ein Spezialeinsatzkommando war zu dem Zeitpunkt zwar auf dem Weg zum Tatort, aber noch nicht eingetroffen.
Der Mann sei mit der Frau auf den Nachbarbalkon geklettert. Dort habe er sie bedroht, ein Beamter habe eine Art Stichbewegung erkannt. Nach Angaben der Polizei stach der Mann sogar mehrfach auf die Frau ein. Ein Knallkörper explodierte.
"Leg das Messer weg, ich muss sonst schießen"
Bodycams zeichneten das weitere Geschehen auf. "Lass uns durch, leg das Messer weg", riefen die Beamten mehrfach dem Täter zu, der die Polizisten mit dem Messer bedrohte.
"Leg das Messer weg, ich muss sonst schießen." Dann schoss ein Beamter, der Täter wurde tödlich verletzt.
Es habe sich nach derzeitigem Ermittlungsstand zum einen um den Versuch der Nothilfe für die Frau gehandelt, zum anderen um Notwehr, weil sich der Beamte angegriffen fühlte, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Hajo Tacke von der Staatsanwaltschaft München II. Das Landeskriminalamt untersuche wie in derartigen Fällen üblich den Schusswaffengebrauch des Beamten, der aber nicht als Beschuldigter gelte.
Das Kleinkind der beiden war zu der Zeit in der Wohnung, es sei nun in der Obhut von Angehörigen, teilte die Polizei weiter mit. Mehrere Dutzend Beamte waren bei der Tat im Einsatz.
Auch am Mittwoch waren Experten der Polizei noch in der Wohnung dabei, Spuren zu sichern. Die Kriminalpolizei übernahm die Ermittlungen. Worum es bei dem Streit ging, der in der Gewalttat mündete, war offen. (msc/dpa)
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