Menschen mit ausländischen Wurzeln sind heute besser integriert als vor zehn Jahren, so eine Studie. Sie zeigt aber auch: Lebenswelten driften auseinander. Und auch Migranten können besorgte Bürger sein.

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Die meisten der rund 19 Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln sind heute in Deutschland besser integriert als vor zehn Jahren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Bundesverbands für Wohnen und Stadtentwicklung. Rund 2.000 Migranten mit unterschiedlichen Hintergründen wurden dafür befragt.

Die vom "Gastarbeiter"-Kind bis hin zum Flüchtling reichende Teilnehmergruppe betrachte sich demnach mehrheitlich "als völlig selbstverständlichen Teil der Gesellschaft".

Beim Blick in die Details werden allerdings auch problematische Umstände sichtbar. So gaben beispielsweise zwei Drittel der Befragten an, Diskriminierung am eigenen Leib erfahren zu haben.

Außerdem haben sich laut der Studie die Lebensbedingungen von sozial schwachen Migranten in Deutschland seit 2008 verschlechtert. Dadurch komme es zum "Rückzug in Enklaven, Abwendung und Resignation".

Milieus

Auch bei Migranten fallen die Lebenswelten immer stärker auseinander. Die Autoren der Studie sehen insgesamt zehn Milieus, die sehr unterschiedlich integriert sind, darunter Nachkommen der einstigen "Gastarbeiter" und Religiös-Verwurzelte, aber auch eine bürgerliche Mitte und die Szene der kosmopolitischen Intellektuellen.

Von den rund 19 Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln in Deutschland gibt es die, die sich für "deutscher als Deutsche" halten. Und andere, die sich in eine Nische unter Ihresgleichen zurückziehen.

Die eigenen Wurzeln

Acht von zehn Befragten meinen, dass Migranten sich der übrigen Bevölkerung anpassen sollten. Die Deutschen sollten sie aber auch an ihrem Leben vollständig teilhaben lassen.

Die Bräuche des Herkunftslandes - von Musik über Speisen und Getränke bis zur Kultur - bleiben für mehr als 70 Prozent aber weiterhin wichtig. Ähnlich viele sind "stolz auf ihr Herkunftsland".

Die eigenen kulturellen Wurzeln bewahren, das ist neun von zehn Migranten wichtig. Smartphone und Kopftuch - die Autoren sprechen von "hybriden Identitäten".

In der Nische

Während es den einen gelingt, Karriere zu machen und sich zu engagieren, zögen sich andere in eine Nische zurück.

"Die traditionellen und prekären Milieus fühlen sich ihrer Herkunftskultur insgesamt deutlich stärker zugehörig als noch vor zehn Jahren", heißt es in der Studie. Die deutsche Kultur sei ihnen fremd.

Westliche Werte wie die Gleichberechtigung von Frau und Mann würden abgelehnt. Das sei auch eine Folge sozialer Ungleichheit, Benachteiligung und Ausgrenzung. Diese Migranten resignierten.

Dies gelte vor allem für das relativ kleine religiös-verwurzelte Milieu, dem rund 900.000 Migranten zugerechnet werden. "Ihre Probleme werden leider zu oft auf das Ganze projiziert", sagte Verbandspräsident Jürgen Aring der Deutschen Presse-Agentur. Die Integrierten gerieten aus dem Blick.

Stadt und Land

Zwei von drei Migranten halten das Zusammenleben hierzulande für gut oder sehr gut. Jeder Dritte glaubt, es habe sich in den vergangenen Jahren verschlechtert. Die Wahrnehmungen entwickelten sich auseinander, schreiben die Autoren.

Das hänge auch vom Wohnort ab. "In kleineren Orten scheint das Zusammenleben für viele besser zu klappen." Dort hätten Menschen mit ausländischen Wurzeln mehr Kontakt zur übrigen Bevölkerung.

Sprache

Die deutsche Sprache bleibe der Schlüssel für die Integration, hob Studienautor Bernd Hallenberg hervor. Unter den beruflich Erfolgreichen und im Milieu der Angepasst-Pragmatischen versuchen 80 Prozent, nur Deutsch zu sprechen.

Bei denen in prekären Verhältnissen sind es nur 44 Prozent, bei den Religiös-Verwurzelten nur 12 Prozent. Sie hätten kaum Kontakt zum Rest der Bevölkerung - was nicht nur selbst gewählt sei. Nordafrikaner, Araber und Türken berichteten am häufigsten von Diskriminierung.

Besorgte Bürger

"Auch Migranten sind besorgte Bürger", schreiben die Autoren und verwenden ein Etikett, das eigentlich Deutschen angeheftet wird, die gegen Zuwanderung protestieren.

Migranten sähen zum Beispiel Politik und Medien ebenso kritisch wie die Gesamtbevölkerung, sorgten sich ebenso um die Sicherheit auf Straßen und Plätzen.

Nur drei Prozent engagierten sich in Parteien und Bürgerinitiativen. Aber knapp jeder Zweite sei in einem Verein, meist einem Sportverein.

Wohnen

Benachteiligung bleibe für viele Migranten Alltagsrealität, schreiben die Autoren, die neben der Umfrage auch 160 Einzelinterviews geführt haben. Bei der Job- und Wohnungssuche hätten es Migranten schwerer, sagte Hallenberg.

Wer ausländische Wurzeln hat, wohnt demnach auf weniger Wohnfläche, aber bei höherer Quadratmeter-Miete.

Doch deutlich mehr als vor zehn Jahren wollten sich in den nächsten Jahren eine Wohnung kaufen - laut Studie ein Zeichen, dass die moderne und statusbewusste migrantische Mittelschicht wachse. (dpa/thp)

Verwendete Quellen:

  • Studie des Bundesverbands für Wohnen und Stadtentwicklung


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