- Wien blieb lange vom islamistischen Terror verschont.
- Vor einem Jahr hat ein IS-Sympathisant dann aber zugeschlagen.
- Opfervertreter sehen eine Mitverantwortung des Staates.
In Wien hat am frühen Abend die Staatsspitze der Opfer des Terroranschlags vor einem Jahr gedacht. Am 2. November 2020 hatte ein IS-Sympathisant vier Menschen in der Wiener Innenstadt getötet und 20 verletzt, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Die Gedenkveranstaltung der Republik wurde in der Ruprechtskirche abgehalten, in deren unmittelbarer Nähe damals die Schüsse gefallen sind.
Die von Opfervertretern geforderte Entschuldigung für schwere Pannen bei der Überwachung des vorbestraften IS-Sympathisanten vor seiner Tat blieb am Dienstag bei den stillen Gedenkfeiern allerdings aus.
"Es gibt keine Worte, die angemessen wären angesichts dessen, was hier draußen vor dieser Kirche passiert ist vor einem Jahr", befand Bundespräsident
Van der Bellen dankte der Exekutive
Der Bundespräsident nannte die Vornamen der getöteten Opfer, Gudrun, Nedzip, Qiang und Vanessa. Jeweils vier Kerzen, die am Altar sowie am Aufgang zum Altarraum postiert worden waren, erinnerten ebenfalls an sie. Van der Bellen hob auch das Leid der Verletzten hervor und dankte der Exekutive: "Sie haben uns alle verteidigt." Er würdigte auch jene Menschen, die in der Terrornacht Passanten geholfen haben.
Sympathisanten sowie Unterstützern des Täters wolle er sagen: "Sehen sie genau her." Am Ende sei es immer ein Mensch, der einem anderen Menschen etwas antue. "Am Ende bleibt es kalter Mord", sagte Van der Bellen.
Bundeskanzler
Auch er hielt fest, dass man sich kaum ausmalen könne, was die Hinterbliebenen im vergangen Jahr durchlitten hätten. Ihnen allen gelte das tief empfundene Mitgefühl. Die Gedanken seien auch bei all jenen, die durch den feigen Anschlag verletzt wurden und die noch heute darunter leiden würden. Der Kanzler verwies jedoch ebenfalls darauf, dass die Gesellschaft damals zusammengehalten habe.
Schallenberg: Terror darf die Gesellschaft nicht spalten
Man werde, so beteuerte Schallenberg, Intoleranz nicht tolerieren - egal, ob die Radikalisierung aus dem In- oder dem Ausland komme, egal, ob sie online oder offline geschehe: "All jenen, die versuchen Hass und Zwietracht zu säen, muss klar sein, dass sie die volle Härte des Gesetzes spüren werden." Ihnen müsse ganz klar gesagt werden, dass Hass, Intoleranz und Extremismus keinen Platz in der offenen, pluralistischen Gesellschaft hätten. Es dürfe dem Terror nicht gelingen, die Gesellschaft zu spalten.
"Unser aller Fassungslosigkeit ist auch nach einem Jahr noch spürbar", sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Der Anschlag habe "unauslöschliche Spuren" hinterlassen und tiefe Wunden in die Gesellschaft geschlagen. Österreich sei nun kein weißer Fleck mehr auf der Landkarte des Terrors. Er verwies unter anderem darauf, dass es wichtig sei, im Vorfeld Radikalisierung zu erkennen und zu verhindern.
Immer wieder gebe es Menschen, die glauben würden, Gewalt sei die Lösung, warnte Kardinal Christoph Schönborn. "Warum geschieht es immer wieder?" Ausgangspunkt sei offenbar stets eine "fundamentale Unzufriedenheit mit der Welt wie sie ist". Die Saat werde oft in den Herzen und Köpfen junger Menschen ausgesät. Das Gegenbild, so zeigte er sich zuversichtlich, sei aber stärker. Der Geist der Gemeinschaft habe sich an jenem Abend beeindruckend manifestiert.
Die Gedenkveranstaltung in der Ruprechtskirche - an der auch weitere Regierungsmitglieder und Vertreterinnen und Vertreter der Parlamentsparteien teilnahmen - wurde musikalisch von den jungen Musikerinnen der Gruppe "Weil ma glaubn" begleitet werden. Sie probten in der Stunde des Anschlages vor einem Jahr in dem kleinen Sakralbau, der als die älteste Kirche der Stadt gilt. Der Attentäter war nur wenige Meter von dieser entfernt am Ruprechtsplatz von Einsatzkräften der Polizei erschossen worden, nachdem er vier Personen getötet hatte. "Heute wird der Gesang zu Ende gesungen", sagte Schönborn: "Das sind die Zeichen der Hoffnung."
Kranzniederlegung beim Gedenkstein am Desider-Friedmann-Platz
Bereits am Vormittag hatte die Stadt Wien beim Gedenkstein am benachbarten Desider-Friedmann-Platz mit einer Kranzniederlegung an den Anschlag erinnert. Man wolle zum Ausdruck bringen, wie sehr man diesen Terrorakt verurteile, sagte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Der 2. November 2020 habe eine tiefe Narbe in die Geschichte der Stadt geschlagen. Man werde diesen Tag, die Opfer und deren Angehörige - von denen auch einige an dem Gedenkakt teilnahmen - nie vergessen. Der Bürgermeister wurde von der Stadtratsriege und Vertretern aller Gemeinderatsfraktionen begleitet.
Ludwig versicherte, dass man sich vom "feigen Terrorismus" nicht in die Knie zwingen lasse: "Diese Stadt ist stark und diese Stadt zeigt, dass auch in Krisensituationen das Zusammenstehen, das Miteinander im Vordergrund stehen." Und, so Ludwig: "Wir werden deutlich machen in unserer Stadt, in unserem Heimatland Österreich, aber auch international, dass wir jede Form des Terrorismus nicht nur ablehnen, sondern auch Maßnahmen setzen, um gegen diesen Terrorismus einzutreten." (apa)
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