Starkregen und Hochwasser haben zuletzt in vielen Teilen Österreichs extreme Zerstörungen angerichtet. Das Schadensvolumen wird derzeit auf 600 bis 700 Millionen Euro geschätzt, womögllich erreichen sie sogar die Milliardengrenze. Kommt es zu einer Versicherungspflicht?
Die Versicherungsbranche rechnet mit massiven Schadenssummen nach den jüngsten Unwettern in Österreich. Laut Versicherungsverband (VVO) werden Schäden im Wert von bis zu 600 bis 700 Millionen Euro erwartet. Das bildet allerdings nur einen kleinen Teil der tatsächlich entstandenen Schäden ab, denn viele Menschen sind nicht gegen Hochwasser- oder Sturmschäden versichert. Für Wifo-Experte Franz Sinabell wäre daher eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden denkbar.
Bei Schäden an der Immobilie greift teilweise die Eigenheim- bzw. Haushaltsversicherung, deckt aber in den meisten Fällen nur Schäden von 5.000 bis 10.000 Euro ab. Auch aus dem Katastrophenfonds bekommen Betroffene im Regelfall nur 20 Prozent des Schadens abgegolten. Wer auf Nummer sicher gehen will, muss entsprechende Versicherungen wie etwa gegen Katastrophen - oder in der Landwirtschaft gegen Hagelschäden und Überschwemmung abschließen. "Es ist aber so, dass die meisten Menschen nicht versichert sind und folglich bleiben die Meisten auf einem großen Teil des Schadens sitzen und müssen ihn selber finanzieren", sagte Sinabell am Freitag im Ö1-"Mittagsjournal" des ORF-Radio.
Viele Betroffene stünden damit vor einer echten Notlage. "Daher sollten wir über eine Verbesserung des Systems nachdenken", so der Wifo-Ökonom. Laut Sinabell muss man dafür ins Ausland schauen, denn in Belgien oder der Schweiz gebe es beispielsweise gut funktionierende Modelle. So könnte man mehrere Naturgefahren in einer Versicherung bündeln und eine Elementarversicherung daraus machen.
Debatte um Pflichtversicherung
Das würde natürlich die Prämien erhöhen, aber gleichzeitig auch einen Rechtsanspruch auf Schadensabgeltung schaffen. Wie stark sich die Prämien erhöhen würden, sei schwer abschätzbar, in Deutschland seien Berechnungen zu ähnlichen Überlegungen aber auf zusätzliche Kosten von durchschnittlich 150 Euro pro Haushalt pro Jahr gekommen. Zu bedenken gebe es dabei aber, dass Haushalte in gefährdeten Gebieten höhere Prämien zahlen müssten als Haushalte in weniger gefährdeten Gebieten. Für Sinabell sind diese zu erwarteten Mehrkosten bei einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden der Hauptgrund, warum keine Partei in Österreich eine solche Art der Versicherung in ihrem Programm habe.
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In der Versicherungsbranche wird eine solche Pflichtversicherung, die in eine Feuerversicherung eingebettet werden könnte, schon seit vielen Jahren diskutiert und befürwortet. "Die österreichische Versicherungswirtschaft schlägt vor, die Naturkatastrophenrisiken untrennbar mit der Feuerversicherung zu koppeln (Belgisches Modell)", betonte der VVO auch am Freitag erneut. "Durch die Erweiterung der Solidargemeinschaft wäre es der Versicherungswirtschaft möglich, die nötigen höheren Deckungen anzubieten, bei gleichzeitig sozial verträglichen Prämien", so VVO-Präsident Rémi Vrignaud weiter.
Das Schadensausmaß der Unwetter sei jedenfalls enorm. Das Schadensvolumen wird derzeit auf 600 bis 700 Millionen Euro geschätzt, im Extremfall könnte laut VVO sogar die Milliardengrenze erreicht werden. Zahlen von einzelnen Versicherern haben das große Ausmaß der Schäden aber bereits vermuten lassen. Vor einigen Tagen erwartete die Wiener Städtische ein Schadensvolumen von bis zu 100 MillionenEuro. Auch die Niederösterreichische Versicherung rechnet mit Rekordschäden von 80 bis 100 Millionen Euro. Niederösterreich hat in Österreich am stärksten unter den Unwettern gelitten. © APA
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