Vor knapp einem Jahr gab es im Marchfeldkanal einen grausigen Fund: Mehrere Leichenteile wurden entdeckt. Ein 39-Jähriger ist nun angeklagt - und hat sein Geständnis widerrufen.

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Am Dienstag hat am Landesgericht Wien der Mordprozess gegen einen 39-jährigen Iraner begonnen, der am 15. November 2023 einen 45 Jahre alten Landsmann in dessen Wohnung in Hietzing erschlagen, zerstückelt und im Marchfeldkanal versenkt haben soll. Zur Tötung soll es aus finanziellen Gründen gekommen sein. "Er hat auch hingeschlagen", räumte Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger ein. Es gebe aber "mafiöse Hintergründe". Der Angeklagte habe "Anweisungen befolgt."

Der mit dem Opfer befreundete 39-Jährige soll diesem 17.000 Euro geschuldet haben, die ihm der 45-Jährige im Oktober 2023 in drei Tranchen überwiesen hatte. Weil eine angeblich vereinbarte geschäftliche Verbindung nicht zustande kam, soll der 45-Jährige sein Geld zurückverlangt haben.

22 Leichenteile aus Marchfeldkanal geborgen

Laut Anklage besorgte sich der 39-Jährige darauf einen Lattenhammer und schlug damit seinem Gläubiger bei einem Treffen in dessen Wohnung die Schädeldecke ein.

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"Die Leiche wurde dann in der Badewanne zerteilt", sagte Staatsanwalt Bernhard Löw. In weiterer Folge habe der Angeklagte die Leichenteile "in mehreren Fahrten zum Marchfeldkanal gebracht und versenkt". Er soll dafür einen Trolley seiner Freundin und einen Koffer verwendet haben.

Der 45-Jährige galt seit Ende November als vermisst. Mitte Jänner fischte ein Angler dessen abgetrennten linken Unterschenkel samt Fuß aus dem Marchfeldkanal. Taucher der Polizei bargen in weiterer Folge 21 weitere Leichenteile, darunter den Kopf, den rechten Unterschenkel samt Fuß, beide Schulterblätter, mehrere Teile der Brust, mehrere Teile der Wirbelsäule und einige Organe, wie Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp bei der Erstattung seines Gutachtens ausführte.

Opfer wurde der Schädel eingeschlagen

Anhand des Schädels konnte der Gerichtsmediziner die Todesursache feststellen. Demnach wurde dem Mann die scharfe Seite des Hammers einmal gegen den Scheitel und zwei Mal gegen die linke Schläfe geschlagen, was kreisrunde Einbruchsbrüche am Schädel bewirkte. Am Hals wurde außerdem eine großflächige Schnittverletzung festgestellt.

Mit einem Hammer wurde dem Opfer der Schädel eingeschlagen
Als Tatwerkzeug wurde ein Hammer benutzt. © APA/EVA MANHART

Zerlegt wurde die Leiche laut Klupp "nicht professionell". Demnach wurden mit einem Messer zunächst die Weichteile aufgeschnitten und die einzelnen Teile dann mit einer Säge und einer Hacke abgetrennt. An den Unterschenkeln habe er Sägespuren nachweisen können, berichtete der Gerichtsmediziner. Etliche Teile des Körpers dürften sich noch im Gewässer zwischen der Schwarzlackenau und Strebersdorf befinden. Bisher nicht gefunden wurden beide Oberschenkel, das Becken und beide Arme.

Mehrere Geschworene interessierten sich sehr für die Ausführungen des Gerichtsmediziners, der schließlich auf eine Mappe mit den Bildern der Leichenteile verwies. Es sei zumutbar, sich die Fotos "unter Supervision der vorsitzenden Richterin" anzuschauen, meinte Klupp: "Es sind keine schönen Bilder, keine schöne Ansicht." Die sterblichen Überreste seien zwei Monate im Wasser gelegen.

Verteidiger: Angeklagtem "wurden Anweisungen gegeben"

Nach seiner Festnahme hatte der 39-Jährige zunächst ein Geständnis abgelegt. Nun behauptet der Angeklagte, die "albanische Mafia" sei im Spiel gewesen. Er sei an den Tathandlungen beteiligt gewesen, aber dazu gezwungen worden. "Ihm wurden Anweisungen gegeben", erklärte Verteidiger Arbacher-Stöger. Hätte sich der Angeklagte widersetzt, "hätte er dabei das Leben gelassen".

"Ich bin schuldig. Ich bin nicht hier, um mich zu verteidigen", stellte der Angeklagte zu Beginn seiner Einvernahme klar. Er habe "diese Causa verursacht", indem er das Opfer "in diese Geschichte involviert" habe. Der 39-Jährige behauptete, er habe seit Juni 2023 für eine mafiöse Gruppierung gearbeitet und unter anderem Drogen- und Falschgeld-Transporte durchgeführt.

Er habe sich dann mit dem späteren Opfer "selbstständig" machen wollen. Das sei schief gegangen. Der 45-Jährige habe nämlich "ein Problem verursacht" und offenbar Drogen und Blüten unterschlagen.

Ein Mafia-Mitglied namens "Mike" habe ihn dann aufgefordert, einen Hammer und Nägel zu besorgen, die er in einem Baumarkt gekauft habe, erzählte der 39-Jährige. Dann sei es zu einem ersten Treffen in der Wohnung des 45-Jährigen gekommen. "Mike" habe dem 45-Jährigen die Nase gebrochen.

Tags darauf sei man neuerlich in dessen Wohnung gegangen, worauf der Mafioso ihm erklärt habe, der 45-Jährige müsse sterben. "Mike" habe mit dem Hammer "den ersten Schlag verursacht", schilderte der Angeklagte: "Dann hat er mich aufgefordert, das Gleiche zu tun." Das habe er gemacht. Er habe zweimal hingeschlagen: "Ich wusste, das, was ihm passiert, würde mir auch passieren."

Mehrere Menschen sollen beim Zerstückeln der Leiche beteiligt gewesen sein

Zum Zerstückeln der Leiche und zur Beseitigung der Spuren seien dann "Freunde von Mike" in die Wohnung gekommen, setzte der Angeklagte fort. Einer habe "Toni" geheißen. Die Körperteile seien am Ende "in einem Sackerl" gewesen, die "Utensilien" in einem anderen. Er habe in die Sackerl "nicht reingeschaut", aber beim Verbringen derselben geholfen, räumte der 39-Jährige ein.

Für den Staatsanwalt handelte es sich bei der Verantwortung um Schutzbehauptungen. Der Angeklagte habe seinem Landsmann die Gründung eines gemeinsamen Transportunternehmens vorgeschlagen. Der 45-Jährige habe ihm Geld überwiesen und auch Bitcoins verkauft, um in das vermeintliche Geschäft einzusteigen. Nach einiger Zeit habe der 45-Jährige aber Betrug gewittert und erkannt, dass er ein zweifelhaftes Investment getätigt hatte, meinte Staatsanwalt Löw. Er habe sein Geld zurückverlangt - für den Ankläger das Motiv für die inkriminierte Tötung.

Nach der Zerstückelung der Leiche habe der Angeklagte die Wohnung des Getöteten "picobello gesäubert", berichtete der Ankläger. In der Wohnung des von seinen Angehörigen - der Ex-Frau und dem Bruder - als vermisst Gemeldeten hielt die Polizei am 28. November 2023 Nachschau. Dabei wurden keine verdächtigen Spuren gefunden.

Der Angeklagte habe mit dem Handy des Getöteten auch noch Sprach- und Textnachrichten verschickt, um dessen Angehörigen vorzumachen, dieser sei nach Kroatien gefahren und noch am Leben, berichtete Löw.

Blutspuren zwischen Ritzen im Parkett überführten Täter

Nachdem Teile der Leiche aufgetaucht waren, wurde die Wohnung noch einmal durchsucht - dieses Mal mit Spürhunden und speziellen Untersuchungsmethoden. Der Holzboden wurde aufgerissen - zwischen den Ritzen im Parkett wurden Blutspuren entdeckt.

Blut des Opfers fand sich auch an einem Türstock und im Eingangsbereich. Insgesamt elf humane, dem Getöteten zuordenbare Blutspuren waren laut der DNA-Sachverständigen Christina Stein in der Wohnung nachweisbar. Den Hammer mit dem Blut des 45-Jährigen und den DNA-Spuren des Angeklagten fand die Polizei auf einem Pritschenwagen in der Nähe der Wohnung des Erschlagenen.

Als erster Zeuge wurde der im Iran lebende Bruder des Getöteten im Weg einer Videokonferenz vernommen. Er hatte sich dazu zur österreichischen Botschaft in Teheran begeben. Er konnte nicht ausschließen, dass der 45-Jährige illegale Geschäfte machte, Botendienste für Drogen oder Falschgeld "kann ich mir aber nicht vorstellen", sagte der Zeuge: "Er war sogar beim Autofahren ein vorsichtiger Mensch."

Die Verhandlung ist auf zwei Tage anberaumt. Der zweite Termin wird am 21. Jänner stattfinden. Im Fall einer anklagekonformen Verurteilung drohen dem bisher Unbescholtenen zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft. (APA/bearbeitet von ank)

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