In der Schweiz rätseln Experten über die Ursache des Absturzes einer Junkers Ju-52. Beim schwersten Unglück der Schweizer Luftfahrt seit 2001 starben 20 Menschen. Obwohl die Maschine 79 Jahre alt war, galt der Oldtimer als sicher - und die Crew als erfahren.

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Der Absturz eines Oldtimer-Flugzeugs an der Westflanke des Schweizer Berges Piz Segnas beschäftigt seit dem Wochenende die Flugunfallexperten. Der Absturz der dreimotorigen Junkers Ju-52/3m gilt als ungewöhnlich und wirft viele Fragen auf.

Sind Flüge im Gebirge anspruchsvoller als im Flachland?

Ja. Es gibt dort das Phänomen der gefährlichen Bergwinde - Verwirbelungen, die sich vor allem auf der windabgewandten Seite ("Lee-Seite") von Gipfeln bilden können.

Diese unsichtbaren Leewirbel führen teilweise zu starken Turbulenzen. Erfahrene Piloten wie die in der abgestürzten Maschine kennen aber solche Phänomene. "Selbst bei bestem Wetter lauern in den Bergen Gefahren, die sich sehr negativ auf die Sicherheit eines Flugzeuges auswirken können", bestätigt der Unfallforscher Jan-Arwed Richter vom Hamburger Flugunfallbüro JACDEC ("Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre").

Als Beispiel nennt er den Absturz einer Maschine der damaligen BOAC im März 1966 am japanischen Fuji-Berg. Die Wetterlage am Unfalltag der Ju-52 deute angesichts der vorherrschenden Nordströmung des Windes auf einen Absturz auf der Leeseite des Berges hin. Ob es aber einen Zusammenhang gibt, muss nun die Unfalluntersuchung herausfinden.

Sind alte Flugzeuge unsicherer als moderne Maschinen?

Nein - wenn sie gut gewartet werden. In der Regel werden fliegende Oldtimer von ihren Eigentümern sogar mit extremer Sorgfalt überholt, die oft weit über vorgeschriebene Standards hinausgeht.

Die Technik ist im Vergleich zu heutigen Flugzeugen zudem überschaubar. Allerdings ist die Ersatzteilbeschaffung oft schwierig. In Südafrika etwa hat das Problem, passende Reifen für das Fahrwerk einer dort stationierten Ju-52 aufzutreiben, den Tiefdecker jahrelang zu einer sogenannten "Hangar-Queen" gemacht: Zu einem Flugzeug, das den Hangar kaum verlässt.

Die Zahl der heute noch flugfähigen Ju-52 wird weltweit auf ein halbes Dutzend geschätzt: neben der in Südafrika noch drei in der Schweiz, eine in Deutschland und eine in Frankreich.

Welche Einfluss spielt die Hitze in der Luftfahrt?

Sie spielt eine große Rolle - vor allem bei Start und Landung. Auf hochgelegenen Plätzen wie dem in Johannesburg (1680 Meter Höhe) starten die meisten Langstreckenflüge deswegen in den kühleren Abendstunden.

Denn heiße Luft "trägt" weniger als kühlere Luft - gerade in höher gelegenen Regionen. Die Luftdichte nimmt ja nach oben hin ab, wie es jeder Bergwanderer auch spürt. Dadurch werden auch die Startstrecken für die Flugzeuge länger.

Im Flug selber sind Piloten für die Auswirkungen der sogenannten Dichtehöhe sensibilisiert: "Man fliegt in der dünnen Luft zu schnell", sagte der Beauftragte der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU), Matthias Felsch. Er meint damit das Phänomen, dass sich das Leistungsvermögen des Flugzeugs mit zunehmender Dichtehöhe verändert.

Warum haben Oldtimer wie die Ju-52 keine "Black-Box"?

Flugzeuge mit einem Gewicht von über 5,7 Tonnen oder mehr als zwölf Sitzplätzen müssen laut einer Richtlinie der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO Flugdatenschreiber an Bord haben.

Bei knapp 90-jährigen Oldtimern wie der Ju-52 wäre der Aufwand nach Ansicht von Experten jedoch unverhältnismäßig hoch. Zur Zeit des Baus der Unfallmaschine gab es noch keine derartigen "Black-Boxes".

Was macht Oldtimer wie die Junkers Ju-52 so ungewöhnlich?

Die Ju-52 ebnete einst dem kommerziellen Luftverkehr heutigen Stils den Weg. Sie befand dabei in einer Liga mit der als "Rosinenbomber" bekanntgewordenen DC-3. 1930 als Ableitung aus einer kleineren Maschine entwickelt, stellte sie die Antwort der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke Dessau auf steigende Fracht- und Passagieraufkommen dar.

Der Tiefdecker wurde zunächst einmotorig, später dann dreimotorig konzipiert - für die dreimotorige Variante gab es dann die Bezeichnung Ju-52/3m.

Charakteristisch war die Junkers-typische Wellblechbeplankung aus Duraluminium für Rumpf und Tragflächen. Die Ju-52 wurde in alle Welt geliefert, sowohl an Airlines wie auch als Militärtransporter an Luftwaffen.

Im Zweiten Weltkrieg kam sie als Transporter zum Einsatz. Die als sehr robust geltenden Maschine, von der knapp 5000 Exemplare gebaut wurden, wurde auch in Lizenz in Spanien und Frankreich hergestellt.  © dpa

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