Er wollte es allen beweisen: Der geniale Self-Made-Ingenieur Peter Madsen konstruierte das größte privat gebaute U-Boot der Welt und wollte die Raumfahrt revolutionieren. Nun ist er der Hauptverdächtige in einem bizarren Todesfall.
Als "Raketen-Madsen" am 11. August in Kopenhagen an Land kam, wartete das Fernsehen schon am Hafen. Der berühmte Erfinder, gesunken mit seinem U-Boot, das war eine große Story in Dänemark. Sie sollte noch viel größer werden.
Denn Peter Madsen war nach der Rettung aus seiner "Nautilus" wohlauf, aber allein. Keine Spur von Kim Wall, der Journalistin, die er mit an Bord genommen hatte.
Und plötzlich stand "Raketen-Madsen" im Mittelpunkt eines der merkwürdigsten Kriminalfälle der letzten Jahre – der geniale Tüftler wird verdächtigt, die 30-jährige Wall getötet zu haben.
Die dänische Polizei hat heute bestätigt, was sie schon vermutete, seit an diesem Montag ein Frauentorso angespült wurde: Es handelt sich um die Leiche der vermissten Journalistin, das hat ein Abgleich der DNA ergeben.
Offenbar wurde ein Metallteil am Torso befestigt, das ein Auftreiben verhindern sollte, sich aber gelöst hat. Außerdem stellte die Polizei in Madsens U-Boot Blutspuren fest, die Kim Wall zugeordnet werden können.
Der verdächtigte Erfinder hatte zunächst behauptet, die Journalistin sicher am Hafen von Kopenhagen abgesetzt zu haben. Später sagte er aus, sie sei bei einem Unfall in der "Nautilus" zu Tode gekommen und er habe sie in einer Bucht über Bord geworden.
Die neuen Details der Polizei legen nahe, dass er nicht wollte, dass die Leiche gefunden wird: Offenbar hat er gezielt Löcher in den Torso geschnitten, damit Gase entweichen können und der Körper nicht an die Wasseroberfläche kommt.
Die grausigen Neuigkeiten füllten sofort die Webseiten der dänischen Zeitungen, seit Tagen macht der mysteriöse Todesfall Schlagzeilen.
Denn Peter Madsen ist eine kleine Berühmtheit in Dänemark, er galt als spleeniger, aber unbeirrbarer Visionär, der mit seinem neuesten Projekt nichts weniger als die Raumfahrt revolutionieren wollte.
Ein eigenes U-Boot als Kindheitstraum
"Ich wollte immer eine Mission haben im Leben", sagte er vor zwei Jahren bei der bekannten Vortragsreihe TED-Talk. Sein Auftritt richtete sich besonders an Kinder, er berichtete darin von seinen Träumen als kleiner Junge.
Geboren 1971 als Sohn eines Zimmermann wuchs Madsen im dänischen Nirgendwo auf. In seiner Biografie, die 2014 erschien, beschreibt er sich selbst als "Nerd ohne viele Freunde".
Sein eigenes Flugzeug wollte er bauen, erzählte er im TED-Talk. "Leider war so etwas in Dänemark verboten." Getan hätte er es trotzdem. "Hört nicht auf die Erwachsenen, hört nicht auf die Nein-Sager", lautet sein Rat an seine Zuhörer.
Mit diesem Entdeckergeist hat er es weit gebracht: Ohne je ein Studium auch nur angefangen zu haben, bastelte er an einem U-Boot, das er 2002 fertigstellte – auch das die Erfüllung eines Kindheitstraums: Die Faszination für U-Boote habe ihn schon als Kind erfasst, als er Wolfgang Petersens Kriegsdrama "Das Boot" sah, sagte er einmal in einem Interview.
Getrieben habe Madsen stets der Wille, es allen zu beweisen, sagte sein Biograf Thomas Djursing, derzeit ein sehr gefragter Gesprächspartner.
Als Heranwachsender sei der heute 46-Jährige Mitglied in einigen Vereinen für Technikfreaks geworden, die er aber im Streit wieder verließ - Madsen war berüchtigt für seine Ungeduld und seine aufbrausende Art.
Laut Djursing ließ er das auch Journalisten spüren, die nicht wie gewünscht über seine Projekte berichteten. "Aber auch wenn er mal mit Werkzeug geschmissen hat", sagte Djursing dem schwedischen "Aftonbladet", "als gewalttätige Person habe ich ihn nie erlebt. Ich hatte nie Angst vor ihm."
Madsens eigener Bruder beschrieb ihn in der dänischen "Expressen" als "Unikum": "Du kannst mit ihm kein normales Gespräch führen. Wenn du ihm aber eine schwarze Tafel zum Zeichnen in die Hand drückst, kann er sich über Zeichnungen ausdrücken."
Als Amateur in den Weltraum
Populär wurde Madsen spätestens mit dem Bau der "Nautilus", dem größten privat gebauten U-Boot der Welt, das 2008 vom Stapel lief.
Drei Jahre arbeitete er mit Unterstützern an dem 18 Meter langen 40-Tonner, die Kosten von rund 200.000 Euro holte er über Crowdfunding ein. Mit seinen Unterstützer lag er allerdings bald über Kreuz.
Nachdem das U-Boot lange stillgelegt war, holte er es sich 2015 zurück und fuhr hin und wieder damit aufs Meer – so auch mit Kim Wall.
Die freie Journalistin wollte offenbar ein Portrait über Madsen schreiben, der zuletzt mit einer Ankündigung für Aufsehen sorgte, die bemannte Raumfahrt zu revolutionieren.
Er wollte eine günstige Rakete konstruieren, die unter anderem mit Resten aus dem Teppichladen gebastelt werden kann. "Amateurs in Space" nannte er das Projekt, das Reisen bis 100 Kilometer über die Erdoberfläche erschwinglich machen sollte.
Immer wieder schossen er und sein Team erfolgreich Testraketen ab. Zwar gibt es in Dänemark zwar kein Startareal wie Cape Canaveral, doch Madsen löste das Problem auf seine typische Art: Seine Nautilus zog eine schwimmende Raketenrampe hinaus in internationale Gewässer.
"Da kann dir keiner verbieten, eine Rakete ins All zu schießen." Doch diejenigen, die Peter Madsen für seine Kreativität bewundert haben, sie rätseln nun darüber, ob der 46-Jährige zu einem brutalen Mord fähig wäre – und wenn ja, warum.
"Noch ergibt es keinen Sinn für mich", sagte sein Biograf Djursing dem "Aftonbladet". "Aber ich würde es wirklich gern verstehen."
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