Ein Mann ersticht auf offener Straße seine Ehefrau, nachdem sie ihn verlassen hat, und deren Schwester: Die ORF-Reihe "Thema" berichtet über den tragischen Mord, der sich letzte Woche im steirischen Kapfenberg ereignete. Dabei versucht die Reportage nicht nur, den Täter zu porträtieren, sondern auch generell Fälle anzusprechen, in denen Ehemänner die Kontrolle verlieren.

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Was ist passiert?

Am Montag, den 4. April 2016, erstach der 33-jährige Rafet R. im steirischen Kapfenberg seine 30-jährige Ehefrau Enisa und deren jüngere Schwester Neziha P. auf offener Straße. Er flüchtete und wurde kurz darauf von der Polizei festgenommen.

Enisa lebte seit mehreren Tagen mit den drei Kindern bei den Eltern und wollte sich von Rafet scheiden lassen. Sie hatte am Morgen des Tages schon die Polizei gerufen, weil sie Angst vor ihrem gewalttätigen Ehemann hatte. Der Beamte, den sie sprechen wollte, war nicht da, also wurde ihr gesagt, sie solle ins Polizeirevier kommen.

Auf dem Parkplatz vor dem Einkaufszentrum, in dem Enisa arbeitete, lauerte Rafet den beiden Frauen auf, bevor sie nach ihrer Arbeit zur Polizei fahren konnten.

Was wird über den Beschuldigten berichtet?

Chefermittler Anton Kiesl sprach nach der Tat in der Haftzelle mit Rafet R.

Kiesl bezeichnet den Mann als "etwas renitent", er habe umhergeschrien. "Es hat den Anschein gehabt, als ob er nicht wüsste, was er gemacht hätte. Das kann natürlich auch gespielt gewesen sein", mutmaßt Kiesl.

Später habe Rafet R. ruhig nach einem Anwalt gefragt. "Ich möchte das nur sagen, was war, und alles andere interessiert mich nicht", habe der Beschuldigte laut Kiesl dazu gesagt.

"Die Schwester war sehr explosiv", habe Rafet zur Tat auch erklärt. "Vielleicht kann man da was herauslesen – dass die Schwester sich vielleicht gegen diese Beziehung ausgesprochen hat", überlegt Kiesl.

Weil Rafet schon öfter gewalttätig gegenüber seiner Frau wurde, suchte die Polizei nach etwaigen vorigen Anzeigen, aber es liegen keine vor. "Es spielt sich alles im Familienverbund ab", erklärt Kiesl. "Da will man keine Anzeige erstatten – und wenn man eine Anzeige erstattet, wird die am nächsten Tag zurückgezogen."

"Er war aggressiv, jähzornig", beschreibt eine Nachbarin Rafet R. "Sie hat fast nie etwas gesagt, wenn er sie geschlagen hat." Die Polizei sei oft da gewesen, aber es sei nichts gemacht worden.

Was passiert mit den Kindern? Gab es ähnliche Fälle?

Die drei Kinder von Enisa, zwischen 4 und 11 Jahre alt, sind jetzt in der Obhut ihrer Großeltern. In einem Verfahren soll geklärt werden, ob ihnen die dauerhafte Obsorge übertragen wird.

Die Reportage zieht einen älteren Fall vom Dezember 2012 hervor, in dem ein Mann seine Frau erstach, nachdem sie ihn am Vortag verlassen hatte und ins Frauenhaus gezogen war. Der Bruder des Opfers nahm ihre beiden Kinder auf, die sich nach wie vor in psychologischer Betreuung befinden.

Der achtjährige Sohn besucht seinen Vater pro Monat für eine halbe Stunde. Er erkundigt sich in seinem Umfeld nach der Tat, traut sich aber nicht, den Vater direkt zu fragen. Der Onkel des Jungen erzählt, dass sich der Täter mehrfach bei der Familie entschuldigt habe und dankbar sei, den Buben sehen zu dürfen.

Woher kommt die Gewalt, an wen kann ein Mann sich wenden?

"Die Eifersucht spielt eine ganz große Rolle", erläutert der ehemalige steiermärkische Landtagsabgeordnete Eduard Hamedl die Gewaltbereitschaft der Männer in solchen Fällen. "Der Mann sieht seine Lebensplanung den Bach hinunterrinnen". Er merke, dass er den geliebten Menschen verliert. "Sie geben dann meistens auch dem Partner die Schuld."

Hamedl hat den Verein Männernotruf gegründet, wo sich Männer melden können, die zum Beispiel mit Trennungen nicht fertig werden. Ein Klient, dem die Hotline geholfen hat, wird anonym in der Reportage gezeigt. "Das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, habe ich schon oft gehabt", erklärt der Mann – aber er sei zum Glück nicht aggressiv.

Wie erkenntnisreich ist die Reportage?

Der Bericht ist sachlich gehalten, reißt aber seine Themen nur kurz an, ohne tiefere Erkenntnisse vermitteln zu können. Das Porträt von Rafet R. ist zu knapp gehalten, um wirkliche Einblicke zu erlangen.

Der ältere Fall aus dem Jahr 2012 und die Vorstellung des Männernotrufs mitsamt anonymem Klienten hängen nur vage mit dem aktuellen Fall zusammen. Die Geschichte um den achtjährigen Jungen ist sicherlich tragisch, hat aber wenig Aussagekraft über den jüngsten Fall – abgesehen davon, dass hier auch ein Ehemann seine Ehefrau umgebracht hat. Der Männernotruf mag eine sinnvolle Einrichtung sein, aber vor allem hier sind die Erläuterungen recht oberflächlich und sagen wenig über den Doppelmord in Kapfenberg aus.

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