Der renommierte russische Geschichtsprofessor Oleg Sokolow wird seiner Eifersucht nicht Herr und tötet seine fast 40 Jahre jüngere Freundin. Sie war auch seine Studentin und Co-Autorin. Die Polizei findet ihre Leiche zerstückelt vor. Sokolow muss seine Tat nun einem Gericht erklären.
Weil er seine erst 24 Jahre alte Partnerin Anastasia Jeschtschenko getötet und zerstückelt hat, muss sich der 63 Jahre alte russische Historiker Oleg Sokolow in St. Petersburg wegen Mordes vor Gericht verantworten.
Der international bekannte Napoleon-Experte, der gern in historischen Kostümen auftrat, zeigte sich am Dienstag zum Prozessauftakt mit Schutzmaske und Handschuhen.
Wegen der Corona-Pandemie wurden kaum Menschen in den Gerichtssaal gelassen. Die Richterin ließ eine Live-Übertragung im Internet zu, doch nach nur einer Stunde wurde der Prozess auf Antrag der Verteidigung vertagt.
Prozess gegen Oleg Sokolow wird am 15. Juni fortgesetzt
Sokolow stellte einen zweiten Verteidiger vor, der um Zeit bat, sich mit dem Fall besser vertraut zu machen. Der Prozess soll am 15. Juni fortgesetzt werden.
Sokolow, bekannter Wissenschaftler der Staatlichen St. Petersburger Universität, hatte die Tat vom November bereits gestanden. Demnach brachte Sokolow die Studentin, mit der er zusammenlebte, im Streit um. Die Anklage nennt Eifersucht als Motiv.
Der Gelehrte hatte bei einer Anhörung kurz nach der Festnahme angegeben, seine Partnerin sei "in letzter Zeit verrückt geworden", wenn es um seine Kinder aus einer früheren Ehe ging. Sie habe ihn "mit einem Messer angegriffen".
Der Bruder der Ermordeten sagte russischen Medien, Sokolow sei rasend eifersüchtig gewesen. So habe er seine Partnerin einmal zusammengeschlagen, als sie auf die Geburtstagsfeier eines Kommilitonen gehen wollte.
Beschossen, erwürgt und zerstückelt
Die eigentliche Tat lief Sokolow zufolge so ab: Er habe erst einen Schuss auf die Frau abgegeben, mit der er während ihrer Beziehung auch mehrere Bücher verfasst hatte.
Er erwürgte sie anschließend und versetzte ihr noch drei Kopfschüsse. Dann zerstückelte er die Leiche. Die Körperteile wollte er in betrunkenem Zustand im Fluss Moika versenken.
Die Polizei holte den 63-Jährigen dabei aus dem eiskalten Wasser und entdeckte in seinem Rucksack abgetrennte Frauenarme. In der Wohnung des Täters fanden die Beamten eine blutverschmierte Säge sowie die enthauptete Leiche von Jeschtschenko.
Der Fall sorgte international für Aufsehen - auch weil der schillernde Professor wegen seiner Forschung Träger des renommierten Ordens der französischen Ehrenlegion war. Er lehrte auch an der renommierten französischen Sorbonne.
Faible für Napoleon und für junge Verehrerinnen
Sokolow stellte gern historische Schlachten nach. Er ist Autor militärhistorischer Literatur zu den Feldzügen Napoleons, die auch ins Französische übersetzt wurde. Dass die Russen einst Napoleon schlugen, fasziniert beide Seiten bis heute. Der Dozent war berühmt für seine Leidenschaft, seine Bälle und Picknicks im Stil der Napoleon-Zeit.
Und er hatte ein Faible für junge Studentinnen, die sich für seine Art begeisterten. Eine 40-minütige Dokumentation zeichnet das Leben des Familienvaters nach, der seine einflussreiche Stellung an der Universität wohl wiederholt für Seitensprünge nutzte. In dem online verfügbaren Film mit dem Titel "Einladung zum Ball. Die Opfer des russischen Napoleons" schildern mehrere Frauen Gewalt-Exzesse des Professors.
So gab eine Studentin, die 2008 eine Affäre mit Sokolow hatte, laut Medienberichten an, der Professor habe sie an einen Stuhl gefesselt, ihr ins Gesicht geschlagen und gedroht, sie anzuzünden und zu töten, wenn sie ihn verlasse.
Die Anwältin Alexandra Bakschejewa, die Nastjas Familie vor Gericht vertritt, erzählt im Film, dass sie auf die maximale Strafe hinwirken wolle.
Im Gespräch mit Bakschejewa bricht eine junge Frau in Tränen aus, weil sie Sokolow nicht anzeigte - und sich nun Vorwürfe macht. Trotzdem war er der Polizei als Gewalttäter durch die Anzeige einer anderen Frau bekannt, wie die Doku zeigt.
Häusliche Gewalt wird in Russland kaum bestraft
Wie so oft im Fall häuslicher Gewalt in Russland blieb der Angriff folgenlos. In Russland werden nach Angaben von Aktivisten jährlich 16,5 Millionen Frauen Opfer häuslicher Gewalt. Unter Präsident Wladimir Putin waren die Strafen dafür herabgesetzt worden, die meisten Täter kommen mit einer Geldstrafe davon.
Aktivistinnen kämpfen bisher erfolglos für härtere Strafen. Die bekannte Frauenrechtlerin Alena Popowa prangerte nach der Festnahme von Sokolow ein "verfaultes Rechtssystem" an, "das gewalttätige Männer bis zu dem Moment schützt, an dem man eine Leiche hat". Erst im Wiederholungsfall droht Tätern ein Strafverfahren. Für Nastja endete dieser Übergriff tödlich.
Jeschtschenkos Mutter klagt an
"Sokolow hat nicht nur uns getötet, mich, meinen Mann, unsere Verwandten, Nastja", sagt die Mutter der Studentin. "Er hat unsere Hoffnung getötet, unsere Träume und unsere Wünsche."
Die Dokumentation zeichnet auch nach, wie der Beschuldigte vor dem Haftrichter versucht, der Studentin die Schuld an der Bluttat zu geben. "Ein Mädchen, das einfach wie ein ideales Wesen erschien, verwandelte sich schrittweise in ein Monster aus einem schrecklichen Märchen", sagt Sokolow. (dpa/AFP/hau)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.