Zieht Österreich in Sachen Rauchverbot in Gaststätten den "Publikumsjoker"? Es geht nicht nur um die Volksgesundheit, sondern auch um das Vertrauen in dessen Urteilsfähigkeit. Darüber streiten Regierung und Opposition.

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Während Vertreter der Regierung eine Volksabstimmung über das "Don't smoke"-Volksbegehren ablehnen, plädieren erste Stimmen aus der ÖVP für einen Volksentscheid.

Das Volk soll abstimmen

Der Grazer ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl etwa spricht sich für einen "Publikumsjoker" aus. Die SPÖ strebt derweil eine "parteiübergreifende Initiative" für eine Volksabstimmung über ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie an.

Nagl, der für das Nichtraucher-Volksbegehren selbst die Werbetrommel gerührt hatte, sprach sich im "Kurier" für ein Referendum aus.

"Jetzt sollte es auf jeden Fall eine Volksabstimmung geben. Wenn ein Thema politisch nicht zum Heben ist, muss man den Publikumsjoker nehmen", so Nagl.

Volksentscheid 2021 käme zu spät

Auch der Salzburger ÖVP-Bürgermeister Harald Preuner meinte dort, dass "bei einer so hohen Beteiligung ein verbindlicher Volksentscheid möglich gemacht werden" sollte.

"Ich würde dafür plädieren, dieses Volksbegehren zum Anlass zu nehmen, schon früher einen verbindlichen Volksentscheid einzuleiten, nicht erst 2021", sagte auch der ÖVP-Bürgermeister und Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl im "Kurier".

Riedl kommt aus der niederösterreichischen ÖVP, die der Rücknahme des Rauchverbots von Anfang an kritisch gegenüber stand. "Der Zulauf zeigt, dass unser Koalitionspartner auf Bundesebene die Situation neu bewerten sollte", so der niederösterreichische ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner. Es sei klar, "dass man den Willen der Bürgerinnen und Bürger umzusetzen hat".

"Dieses Rauchverbot wird kommen"

Auch der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) - ein langjähriger Verfechter des Rauchverbots in der Gastronomie - bekräftigte am Dienstag seinen Standpunkt: "Ich bleibe bei meiner Meinung: Dieses Rauchverbot wird kommen - früher oder später. Ich hoffe auf ein Umdenken der FPÖ."

"Ich war der erste innerhalb der ÖVP, der vor vielen Jahren bereits ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie gefordert hat, damals stieß ich auf breite Ablehnung. Ob es eine Volksabstimmung geben soll ist Sache der Bundesregierung. Ratschläge erteile ich denen intern", sagte der steirische Volkspartei-Chef gegenüber der APA.

Fast 900.000 plädieren für ein Rauchverbot

Das "Don't smoke"-Volksbegehren wurde von 881.569 Österreichern unterzeichnet und kratzte damit nur knapp an der 900.000er-Marke, die von den Initiatoren als Ziel ausgegeben wurde.

Ab 900.000 Unterschriften bei einem Volksbegehren soll laut ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm künftig eine verbindliche Volksabstimmung kommen, allerdings erst ab 2022.

Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erklärte Montagabend nach Vorliegen der Ergebnisse via Facebook neuerlich, dass die freiheitliche Partei "jederzeit bereit" wäre, "direkte Demokratie als Recht des Volkes analog zur Schweiz auch früher umzusetzen".

Keine repräsentative Umfrage

Zugleich fügte Strache an, dass 85 Prozent der österreichischen Wahlberechtigten das erfolgreichste der drei Volksbegehren nicht unterschrieben hätten und die angepeilte 900.000 Unterschriften-Hürde nicht erreicht worden sei.

Automatische Abstimmungen nach erfolgreichen Volksbegehren mit mehr als 900.000 Unterstützern werde es laut Strache erst ab 2022 geben. Im ORF-"Report" verwies er auf das Regierungsprogramm, das diese Gesamtänderung der Verfassung erst dann vorsehe.

Abstimmung mit der ÖVP

Strache machte kein Hehl daraus, dass ihm eine Hürde von nur 250.000 Unterstützern lieber wäre. Man sei aber in einer Koalition mit der ÖVP, und das Übereinkommen mit dieser sei bindend; es werde daher "keine Nachverhandlungen, auch keine Legergeschichte" geben.

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ist es vorrangig wichtig, "dass Jugendliche erst gar nicht zu rauchen beginnen", wie die Ressortchefin laut Parlamentskorrespondenz am Dienstag im Sozialausschuss des Nationalrats sagte.

Eine Sonderbehandlung des Volksbegehrens "Don't smoke" hält auch sie trotz der mehr als 880.000 Unterschriften für nicht nötig. Die 900.000 Unterschriften wurden nicht erreicht, das Volksbegehren werde daher im Parlament behandelt wie jedes andere auch.

Jugendliche rauchen immer weniger

Die Zahl der rauchenden Jugendlichen sei auch massiv zurückgegangen, meinte Hartinger-Klein. Die Ministerin versicherte, die von ihr verordneten strengeren Regelungen für den Aufenthalt von Gastronomie-Lehrlingen in Raucherräumen würden durch das Arbeitsinspektorat kontrolliert.

Unterdessen kündigte die designierte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner eine "parteiübergreifende Initiative" für eine Volksabstimmung an. Sie werde in den nächsten Tagen das Gespräch mit den anderen Parteien darüber suchen, sagte Rendi-Wagner im Gespräch mit der APA.

Da die anderen beiden Oppositionsparteien ohnehin dafür sind, werde sie in erste Linie den Kontakt mit den beiden Regierungsparteien suchen und an deren Verantwortungsbewusstsein appellieren.

900.000 Stimmen sind nicht zu ignorieren

Sie wolle noch vor dem nächsten Nationalratsplenum mit den anderen Parteien ins Gespräch kommen, betonte die designierte SPÖ-Chefin. Man dürfe über die fast 900.000 Unterschriften für das "Don't smoke"-Volksbegehren "nicht einfach drüberfahren".

Das Thema sei viel zu wichtig, um es der Parteipolitik zu überlassen. Es gehe um die Gesundheit aller Menschen, vor allem der Kinder und Jugendlichen, da sei Parteipolitik "komplett fehl am Platz". Alle müssten jetzt Verantwortung übernehmen.

Auf die Frage, ob die SPÖ ihre Stimmen für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zur Verfügung stellen würde, um den Plan der Regierungsparteien umzusetzen, ab 2022 bei 900.000 Unterschriften für ein Volksbegehren eine zwingende Volksabstimmung durchzuführen, wollte sich Rendi-Wagner nicht einlassen.

Verfassungsänderung nicht nötig

Sie betonte, dass eine Volksabstimmung über das Rauchverbot "hier und jetzt" möglich sei. Das sei nur eine "Frage des politischen Willens", dafür brauche man jetzt keine Verfassungsänderung.

Die designierte SPÖ-Vorsitzende betonte auch, dass zwei Drittel der Bevölkerung ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie unterstützen würden. Als Ärztin sei es ihr auch wichtig hervorzuheben, dass damit pro Jahr 30.000 Spitalsaufenthalte verhindert werden könnten.

Schutz vor Krebs und Herzinfarkten

In fünf Jahren könnten allein mit dem Rauchverbot in der Gastronomie 150.000 Menschen vor schweren Erkrankungen wie Krebs oder Herzinfarkt verschont werden.

Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger drängte die Regierung zu einer Volksabstimmung über das Anti-Raucher-Volksbegehren. "Wenn die Forderung nach direkter Demokratie mehr war als ein schwarzblauer Wahlkampfschmäh, muss die Regierung eine Volksabstimmung zu Don't Smoke zulassen", fordert Meinl-Reisinger in einer Aussendung.

Direkte Demokratie kein "Schönwetterprogramm"

"Direkte Demokratie ist kein Schönwetterprogramm. Das heißt, dass man direkte Demokratie nicht immer nur dann unterstützen darf, wenn es einem gerade in den Kram passt."  © APA

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