Die Zerstörung des Euthanasiemahnmals und hunderte Schmierereien von Neonazis beschäftigen die Polizei in Salzburg. Zudem gibt es mutmaßlich rechtsextrem motivierte Angriffe auf Homosexuellen-Initiativen. Die Stadt versucht, dem Herr zu werden.
Rechtsextreme halten derzeit die Stadt Salzburg in Atem. Vor allem in den vergangenen Wochen und Monaten ließen Vandalen ihrer Zerstörungswut freien Lauf.
Die Liste der Schäden ist lang: Zahlreiche Stolpersteine, die das Gedenken an deportierte und ermordete Juden aufrechterhalten, wurden mit schwarzer Lackfarbe überzogen. Auf die Türe einer Notschlafstelle der Caritas, wo Bettler untergebracht sind, schmierte jemand das Wort "KZ". In allen Stadtteilen finden sich derzeit reihenweise Graffitis von Neonazis. Zu lesen sind Parolen wie "NS statt US" oder "NSU reloaded".
Vor Kurzem steckten Unbekannte eine Roma-Schlafstelle in Brand, und Mitte Mai wurde das Mahnmal für NS-Euthanasie-Opfer im Salzburger Kurgarten zerstört. "Es ist erschreckend und beängstigend. Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", sagt Gemeinderätin Ingeborg Haller, Bürgerliste - die Grünen. Auf ihre Initiative hin hat der Gemeinderat kürzlich Maßnahmen diskutiert, wie sich rechtsextrem motivierte Taten eindämmen lassen. Forderungen nach verstärkter Aufklärung werden laut. Zudem sollen Tippgeber belohnt werden, um die Straftaten zu klären. Ähnliches versuchte schon das Innenministerium, das anlässlich einer Schmieraktionen im KZ Mauthausen 5.000 Euro auslobte, um die Täter zu fassen.
In der Stadt Salzburg denkt man gar darüber nach, den Verfassungsschutz zu involvieren. "Die Zeit für Lippenbekenntnisse ist vorbei, nun müssen Taten folgen", findet Haller. "Jeder Einzelne steht in der Verantwortung, aber auch die Stadt Salzburg selbst. Rechtsextremismus darf niemals wieder salonfähig werden."
Angriffe gegen Homosexuelle
Die Welle der Zerstörungswut trifft auch die Homosexuellen-Initiativen in der Stadt Salzburg. Ob auch diese Angriffe von Rechtsextremen verübt wurden, ist bisher nicht geklärt. Für Georg Djundja, Landesvorsitzender der SoHo – Sozialdemokratie und Homosexualität Salzburg, liegt das aber auf der Hand: "Nach der gezielten Beschädigung des Euthanasiemahnmals und unzähligen Schmierereien ist dies der nächste Übergriff einer Neonazigruppierung in Salzburg. Das ist eine klare Attacke gegen unsere Community", sagt Djundja.
Anlässlich des internationalen Tages gegen Homophobie am 17. Mai hatte die SoHo die Staatsbrücke mit Regenbogenfahnen beflaggt. Unbekannte rissen sechs der acht Fahnen herunter. Schon im April hatten Unbekannte mit Paintball-Gewehren auf das Gebäude der Salzburger Homosexuellen-Initiative HOSI gefeuert.
Neonazis wollen Präsenz zeigen
Warum die Vorfälle gerade in jüngster Zeit zunehmen, darüber lässt sich nur spekulieren. In Salzburg ist nach dem Übergriff auf die Roma-Gemeinde zumindest die Diskussion um ein Bettelverbot in der Innenstadt erneut entflammt. Die Debatte wird nicht nur kontrovers, sondern auch sehr emotional geführt. Womöglich möchten Rechtsextreme diese Stimmung nutzen, um Verbündete zu gewinnen.
Ähnliches passierte Anfang Mai in Oberösterreich: An einer 20 Meter langen Außenmauer in Mauthausen stand die Parole "Türken-Rass ab ins Gas. Sieg Heil" zu lesen, und im nahe gelegenen Friedhof wurde ein türkisches Kindergrab mit einem Hakenkreuz geschändet. Bernd Wagner, Ex-Kriminalbeamter und Betreiber des Vereins "Exit" für einen Ausstieg aus der rechten Szene, sagte zu "Profil": "Das sind keine Streiche von ahnungslosen Jugendlichen, das ist eine neue Strategie von Neonazi-Gruppen, um Präsenz zu zeigen, ein Territorium zu markieren und Mitkämpfer anzuwerben."
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