John Bingham, der siebte Earl of Lucan, soll sein Kindermädchen ermordet haben. Von dem Aristokraten fehlt lange jede Spur. Lebt er noch?

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Der Fall wirkt wie aus einem Roman: Ein britischer Lord, der wegen Mords an seinem Kindermädchen verdächtigt wird, verschwindet vor 50 Jahren beinahe spurlos. Nur sein mit Blut verschmierter Wagen wird entdeckt. Nahm er sich das Leben? Eine Leiche wird nie gefunden. Doch der Sohn der Nanny ist überzeugt: John Bingham, der siebte Lord of Lucan, lebt noch und er ist überzeugt, den Aristokraten auf einem anderen Kontinent gefunden zu haben.

Aber der Reihe nach: Als das 29-jährige Kindermädchen Sandra Rivett am 7. November 1974 im Keller der Familie Lucan im noblen Londoner Viertel Belgravia von einem Eindringling erschlagen wird, gerät schnell der von seiner Frau getrennt lebende Lord ins Visier der Ermittler. Bis heute hat die Londoner Metropolitan Police den Fall nicht zu den Akten gelegt.

Auch Lady Veronica Lucan wird angegriffen, kann aber entkommen und rettet sich in einen nahe gelegenen Pub. Dort sagt sie dem Wirt zufolge: "Ich glaube, mein Hals ist gebrochen. Er hat versucht, mich zu erwürgen." Ihrem Bericht zufolge handelte es sich bei dem Angreifer um ihren Mann. Doch sie erzählt die Geschichte später immer wieder in abweichenden Versionen, was Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aufkommen lässt.

Mordverdächtiger Lord beschäftigt Briten
Außenansicht von dem Pub "The Plumbers Arms", in das Lady Lucan flüchtete. © dpa / Benedikt von Imhoff/dpa

Der Profi-Glücksspieler trägt den Spitznamen "Lucky"

Lucan ist ein gut aussehender britischer Aristokrat und Lebemann mit gescheiteltem Haar und Schnauzer, der seinen Job bei einer Bank an den Nagel gehängt hat, um professioneller Glücksspieler in Londoner Gentleman-Clubs zu werden. Er trägt den Spitznamen "Lucky", doch das Glück ist ihm nicht immer hold. Er verzockt immer wieder riesige Summen.

John Bingham mit seiner Ehefrau Veronica anlässlich ihrer Verlobung im Oktober 1963. © Picture-Alliance / Photoshot/

Mit seiner Ehefrau trägt er einen erbitterten Sorgerechtsstreit um die drei gemeinsamen Kinder aus, in dem er vor Gericht eine schwere Niederlage erleidet. Vermutet wurde, dass er eigentlich seine Frau töten wollte und das Kindermädchen im Dunkeln mit ihr verwechselte.

Mordverdächtiger Lord beschäftigt Briten
Blumen zum Gedenken an das Kindermädchen Sandra Rivett stehen am Tatort. © dpa / Benedikt von Imhoff/dpa

Zum 50. Jahrestag des Mords hat jemand Blumen an den Stufen abgelegt, die zum ehemaligen Wohnhaus der Lucans führen. Daran ist eine kleine Botschaft zur Erinnerung an Sandra Rivett angebracht. Eine Nachbarin, die sich als Laura vorstellt und die Ereignisse als Kind mitbekommen haben will, bleibt kurz stehen. Es sei unvorstellbar, dass der Lord unerkannt bleibe, allein wegen seiner großen Statur, sagt sie einem dpa-Reporter.

Immer wollen ihn Menschen gesehen haben

Lucans Wagen wird einen Tag nach der Tat in Newhaven an der Südküste Englands entdeckt. Darin sind Blutspuren und ein Bleirohr, das der Tatwaffe ähnelt, die bei der Leiche gefunden wurde. Doch was mit dem Lord geschah, bleibt unklar und wird in den kommenden Jahrzehnten zum Stoff zahlreicher Mythen. Stürzte er sich von einer Fähre ins Meer oder setzte er sich ins Ausland ab? Immer wieder gibt es Berichte, er sei in Südafrika, Indien oder Australien gesehen worden.

Eine Untersuchung zur Todesursache des Kindermädchens kommt zu dem Schluss, dass Lord Lucan der Mörder ist. Doch eine jahrelange polizeiliche Suche nach ihm bleibt erfolglos. 1999 wird er für tot erklärt. Doch es dauert bis 2016, bevor sein Sohn das Recht erhält, das Erbe seines Vaters anzutreten und den Titel als achter Earl of Lucan anzunehmen.

Dem 50. Jahrestag des Mords an Sandra Rivett und Lord Lucans Verschwindens widmet die BBC eine mehrteilige TV-Serie, in der sie den Sohn Rivetts, Neil Berriman, auf der Suche nach Lucan nach Australien begleitet. Dort lebt ein mysteriöser betagter Engländer, den Berriman für den Mörder seiner Mutter hält. Ob er es ist, bleibt aber offen. (Christoph Meyer und Benedikt von Imhoff, dpa/bearbeitet von tas)

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