Zum Holocaust-Gedenktag am 2. Mai ist auf Instagram die Geschichte der ungarischen Jüdin Éva Heyman erschienen - in Form von mehreren kleinen Storys. Das Projekt "The Girl with the Instagram" (zu deutsch: "Das Mädchen mit Instagram") soll jungen Menschen die Leiden des Holocausts näher bringen, indem die Frage gestellt wird: Was, wenn ein Mädchen während des Holocausts Instagram gehabt hätte?
"Nein, das trage ich nicht. Das bin nicht ich." Das junge Mädchen mit den braunen, lockigen Haaren schluchzt laut los: "Es ist hässlich. Jeder in der Schule wird mich auslachen." Sie wirft den Mantel, um den sich das Gespräch dreht, auf den Boden.
Die Szene könnte eine normale Meinungsverschiedenheit zwischen Mutter und Tochter sein, festgehalten auf den Instagram-Storys der Tochter im Jahr 2019. Der Streit aber soll sich so ähnlich vor über 70 Jahren, 1944, zugetragen haben, als die Social-Media-Plattform Instagram noch in weiter Ferne lag. In der Diskussion geht es nicht etwa um ein unliebsames Kleidungsstück, sondern um den darauf genähten, dicken, gelben Judenstern.
@eva.stories: Geschichtsunterricht per Instagram
In dem Projekt "The Girl with the Instagram" wird auf dem Instagram-Kanal "@eva.stories" die Geschichte der damals 13-jährigen Éva Heyman erzählt - per Instagram-Storys. Die ungarische Jüdin hatte 1944 - kurz vor ihrer Deportation nach Ausschwitz und ihrer Ermordung durch die Nazis - für kurze Zeit ein Tagebuch geführt. Dieses wurde nun in dem Projekt von Hightech-Unternehmer Mati Kochavi und seiner Tochter Maya per moderner Technologie "verfilmt".
Hauptdarstellerin Mia Quiney schlüpfte dafür in die Rolle der Éva. Zu Beginn der Geschichte sind die Storys noch spielerisch gestaltet mit lustigen Umfragen, Emojis und Hashtags versehen - so wie Jugendliche das heute machen würden.
"Mein Name ist Éva. Wir sind vom Krieg umringt, aber ich sehe immer die Sonne", ist ein Zitat aus den insgesamt 45 Minuten umfassenden Instagram-Stories. Die Videos zeigen die Jugendliche lachend mit Freunden beim Eis essen, an ihrem 13. Geburtstag mit ihren Großeltern, von ihrer ersten großen Liebe schwärmend.
Nach und nach werden die Geschehnisse düsterer und ernster. So wird etwa die Enteignung von jüdischen Unternehmern anhand Évas Großvater, einem Apotheken-Besitzer, gezeigt, ihre Nachbarn werden ins Ghetto deportiert und schließlich auch ihre eigene Familie.
Im Laufe der schrecklichen Ereignisse fasst die junge Éva einen Entschluss: "Von heute an muss ich alles dokumentieren, was uns widerfährt."
Die Storys brechen etwa an der gleichen Stelle ab, wie Éva Heymans Original-Tagebuch: Kurz vor ihrer Deportation nach Ausschwitz.
In der letzten Szene, die im Viehwaggon nach Ausschwitz spielt, fragt eine blasse, abgekämpfte Éva ihre Freundin: "Denkst du, die Menschen werden sich an uns erinnern?" Diese antwortet: "Ja, Éva. Deine Aufzeichnungen. Jeder wird sich an uns erinnern."
Erinnerung im digitalen Zeitalter
Mit dem Projekt soll vor allem die israelische Jugend angesprochen werden. "Im digitalen Zeitalter, in dem die Aufmerksamkeitsspanne kurz und das Bedürfnis nach Nervenkitzel hoch ist, ist es extrem wichtig, neue Modelle der Zeugenaussagen und Erinnerung zu finden – auch angesichts der sinkenden Zahl von Holocaust-Überlebenden", ist sich Initiator Kochavi sicher.
Kritik gab es für das Projekt aber trotzdem. So schreibt etwa ein Instagram-Nutzer: "Der Platz zum Gedenken an den Holocaust und eine Nachricht zu übermitteln, ist auf Instagram, zwischen dem Hintern irgendeines Models und einem Video von Schokoladenkuchen."
Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wiederrum äußert sich folgendermaßen: "Das Nutzen von sozialen Medienplattformen, um an den Holocaust zu erinnern, ist legitim und effektiv." (dar)
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