Nach drei Jahrzehnten in US-Haft kommt der verurteilte Doppelmörder Jens Söring frei: Am Dienstag ist er in Frankfurt gelandet. Der deutsche Diplomatensohn beteuert bis heute seine Unschuld. Einige Aspekte seines Falls sind ungeklärt.

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Mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens hat Jens Söring im Gefängnis verbracht. Zu Unrecht, sagen seine Unterstützer. In den USA war er rechtskräftig wegen Doppelmordes an den Eltern seiner damaligen Freundin verurteilt worden.

Mehr als 30 Jahre nach der Tat im US-Bundesstaat Virginia polarisiert der Fall des deutschen Diplomatensohns noch immer. Nun ist der heute 53-Jährige frei und auf dem Weg in seine alte Heimat. Am Dienstag ist er in Deutschland gelandet.

Wer einmal damit anfängt, sich in die Geschichte Sörings einzulesen, kann lange nicht mehr damit aufhören. Der Fall lieferte damals wie heute jede Menge Erzählstoff: Es geht um Drogen, Sex und die scheinbar grenzenlose Liebe zwischen einer schönen Kanadierin und dem "kindergesichtigen" Deutschen, wie die "Washington Post" Söring einst nannte.

An unzählige Artikel reihen sich Filme und Bücher, Söring selbst schrieb über den Fall. Auf Blogs und Facebook-Seiten ist darüber zu lesen, vielfach in Sörings Sinne. Der beteuert bis heute seine Unschuld.

Jens Söring ist zum Zeitpunkt des Mordes 18 Jahre alt

Im August 1984 lernt Söring Elizabeth Haysom kennen - sie sind bei einem Orientierungsabend der University of Virginia. Veranstaltet wird er für Stipendiaten mit Hochbegabung. Söring verliebt sich in die zwei Jahre ältere Frau.

Im März 1985 werden Haysoms Eltern Derek und Nancy in ihrem Haus in Lynchburg in Virginia mit zahlreichen Messerstichen ermordet. Am Tatort finden die Ermittler blutüberströmte Leichen. Zum Zeitpunkt des Mordes ist Söring 18 Jahre alt. Das Paar nimmt an der Beerdigung der Haysoms teil.

Als Elizabeth und Jens unter Verdacht geraten, fliehen sie. Ein Jahr nach dem Mord werden sie in London gefasst. Scheckbetrug hatte sie auffliegen lassen.

Haysom und Söring werden an die USA ausgeliefert

Nach der Auslieferung in die USA wird Haysom 1987 wegen Anstiftung zum Mord zu zweimal 45 Jahren Haft verurteilt. Söring erhält 1990 dieselbe Strafe: zweimal lebenslänglich. Großbritannien hatte seiner Auslieferung nur unter der Bedingung zugestimmt, dass er um die Todesstrafe herumkommt.

Wie Söring vor Gericht ins Kreuzverhör genommen wurde, kann man in der Dokumentation "Das Versprechen" nachsehen. Der Film wurde 2016 veröffentlicht und rekonstruiert den Fall. Er ist ein Plädoyer für Sörings Unschuld.

Söring wird als hochintelligenter Diplomatensohn dargestellt. Er ist in einem schmucklosen Gefängnisraum zu sehen und beteuert immer wieder seine Unschuld. Seine Haare sind ergraut. Elizabeth Haysom wird porträtiert als Tochter eines reichen Unternehmers, die bisexuell ist und möglicherweise von ihrer Mutter sexuell missbraucht wurde.

Noch heute gibt es Ungereimtheiten

Der Fall warf zahlreiche Fragen auf. Söring hatte die Morde zunächst gestanden, später aber das Geständnis widerrufen und erklärt, die psychisch kranke und drogenabhängige Elizabeth habe ihre Eltern getötet.

Er habe den Mord nur gestanden, weil er seine Freundin vor der Todesstrafe habe bewahren wollen, behauptete Söring. "Ich dachte, ich sei ein Held." Er sei fälschlicherweise davon ausgegangen, als Sohn eines deutschen Diplomaten selbst diplomatische Immunität zu genießen.

Haysom erklärte in ihrem Prozess, sie habe ihren damaligen Freund zu den Morden nur angestiftet.

"Die Schuldfrage ist meines Erachtens bis heute nicht abschließend geklärt", sagte der CDU-Transatlantik-Koordinator Peter Beyer kürzlich. Er traf Söring zweimal im Gefängnis. "Es sind immer noch viele Fragen offen." Im Deutschlandfunk betonte Beyer, dass die Verurteilung rechtskräftig sei - verwies aber darauf, dass am Tatort gefundene DNA-Spuren nicht zu Söring passten.

Sowohl in den USA als auch in Deutschland kann Söring auf zahlreiche Unterstützer zählen. Die US-Amerikanerin Amanda Knox, die vier Jahre in Italien im Gefängnis saß, bevor sie vom Vorwurf des Mordes an einer britischen Austauschstudentin freigesprochen wurde, sagte vor wenigen Monaten über Söring: "In vielerlei Hinsicht ist er die Version von mir, die nie befreit wurde."

Sowohl Söring als auch Haysom kommen frei

Die Freilassung des 53-Jährigen - und auch Haysoms - ändert nichts an dem Urteil in einem der wohl spektakulärsten transatlantischen Kriminalfälle der vergangenen Jahrzehnte. Eine Begnadigung lehnte der Gouverneur von Virginia, Ralph Northam, am 25. November ab.

In ihrer Entscheidung machte die Gnadenkommission des Bundesstaats klar, dass es keine Grundlage für Sörings Behauptung gebe, unschuldig zu sein. Sowohl er als auch Haysom hätten aber mehr als 33 Jahre für ihre "fürchterlichen Verbrechen" gebüßt und stellten keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Deshalb werde Söring aus der Haft entlassen und nach Deutschland abgeschoben und mit einer Wiedereinreisesperre belegt.

Der ehemalige US-amerikanische Strafverteidiger Andrew Hammel hat keinen Zweifel an Sörings Schuld. "Bei der Beweislage wäre Söring zweifelsohne auch in Deutschland für schuldig befunden worden", schrieb Hammel kürzlich in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er spricht von einem "Mythos von Sörings Unschuld", der in den deutschen Medien besonders populär sei.

Söring ersuchte Angela Merkel um Hilfe

Mehrfach hatte Söring seit seiner Verurteilung als Haupttäter Entlassung auf Bewährung beantragt, mehrfach erfolglos. 2013 äußerte er die Hoffnung, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Treffen mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama den Fall zur Sprache bringen würde.

In einem Brief schrieb Söring: Eine lebenslängliche Haftstrafe sei in den USA eine Todesstrafe auf Raten. "In den Vereinigten Staaten brüstet man sich mittlerweile damit, dass diese Strafe viel grausamer ist als die schnelle, schmerzlose Giftspritze. Ist sie auch."

In Deutschland kann eine lebenslange Freiheitsstrafe nach frühestens 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Söring schrieb, den Rest seines Lebens bis zum Tod hinter Gittern zu verbringen sei eine Existenz ohne Sinn, ohne Freundschaft, Liebe und Hoffnung.

Die Perspektive hat sich nun gedreht. "So richtig glaube ich es erst, wenn ich im Flugzeug sitze und der Sprit nicht mehr reicht, um umzukehren", zitierte der Freundeskreis Söring vor einigen Tagen auf Twitter. Inzwischen ist er in Frankfurt gelandet. (Lena Klimkeit/dpa/afp/ank/mgb)

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