Österreich wurde vor genau einem Jahr von einem historischen Hochwasser heimgesucht. Menschen verloren mit einem Schlag ihr Hab und Gut, ganze Ortschaften wurden zerstört. Die Folgen: Wut, Resignation und ein wirtschaftliches Desaster. Wir blicken zurück auf ein Jahr Katastrophe.
Während sechs Tagen Dauerregens hatte sich zwischen 30. Mai und 3. Juni 2013 entlang der Donau ein Jahrhundert-Hochwasser aufgebaut. 10.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde schossen über Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich und Wien.
Hinterlassen hat die Flut Schäden in Höhe von fast 870 Millionen Euro. Knapp 22 Millionen Euro Hochwasserhilfe genehmigte die EU, 250 Millionen Euro stemmten die Versicherungen. Viele Betroffene konnten wegen der Reparaturarbeiten monatelang nicht in ihre Wohnungen und kämpfen zum Teil noch heute gegen Angst und seelische Belastungen. Denn auf den meisten Kosten bleiben sie sitzen, Existenzen stehen auf dem Spiel.
Österreichs Bewohner am Rande der Existenz
Rund 4.000 Häuser waren im niederösterreichischen Donautal betroffen. In Oberösterreich erwischte es die Bezirke Perg, Urfahr-Umgebung, Eferding und Linz-Land besonders schlimm. Bis zu drei Meter hoch stand das Wasser auf einem Viertel der Ennser Gemeindefläche. Ein Österreicher weiß, was das bedeutet: Schon mehrmals musste das Bauernhaus von Landwirt Franz N. geräumt und saniert werden. Auch 2013: "Wir haben noch alles was ging nach oben geräumt, im Erdgeschoss war alles hin."
Der Schaden beträgt knapp 100.000 Euro, bis Juni diesen Jahres soll ein Schätzwert für das Haus vorliegen. Dann wolle man entscheiden, ob man absiedelt - ein Dammbau ist seit Kurzem vom Tisch. "Die Ablöse beträgt nur einen Teil des Zeitwertes und unser Gebäude ist über 100 Jahre alt. Für das Grundstück gibt's kein Geld." Abrisskosten wären selbst zu tragen. Dazu kommt der Einkommensverlust wegen des Ernteausfalls.
Verbundkraftwerke in der Kritik
Auch im Eferdinger Becken sind Schätzgutachter unterwegs: Auf 24 Quadratkilometern Fläche soll abgesiedelt werden - wer freiwillig geht, wird finanziell entschädigt. Bis Ende 2015 müssen die Bewohner sich entscheiden. Das sorgt für Unmut. Eine "Notwehrgemeinschaft" war rasch formiert, die die Rolle der Verbundkraftwerke und der Politik in der Katastrophe kritisch hinterfragte.
Pragmatisch reagierte Kössen in Tirol: Rund 350 Häuser standen unter Wasser, die Schäden waren enorm. Probleme bereiteten besonders aufschwimmende Heizöltanks, die ganze Wohnhäuser kontaminierten. Die Konsequenz: Die Einwohner rüsteten kurzerhand auf Gas um.
Ernteausfälle in der Landwirtschaft
Hohe Folgeschäden und Totalausfälle hat die Flut in der Landwirtschaft angerichtet. Zahlreiche Bauern verloren Erntevorräte - Wiesen und Äcker wurden unbenutzbar. Große Teile der Folgeernte fallen aus.
Besonders schwer betroffen sind etwa Pinzgauer Bauern, in Oberösterreich wurden auf 10.500 Hektar Grünland, Äcker, Wald und Gemüsefläche geschädigt. Die Kosten werden nur zu 40 Prozent vom Fonds gedeckt.
Maßnahmen für den Hochwasserschutz
Knapp zwei Milliarden Euro flossen in Österreich seit 2012 in den Schutz vor Naturgefahren. 94 neue Projekte um 28 Millionen Euro wurden kürzlich abgesegnet. Bis 2017 soll ein Projekt im Salzburger Hallein fertig gestellt sein, entlang der Donau werden bis 2016 ganze 420 Millionen Euro in den Hochwasserschutz investiert. Das 250-Millionen-Projekt für das Eferdinger Becken liegt zeitlich gut im Plan: 2015 soll der Schutz für St. Georgen an der Gusen mit dem Bau starten, der Aist- und der Machlanddamm haben sich bereits bewährt.
Das Risiko von Naturkatastrophen wie diesen dürfte in den nächsten Jahrzehnten europaweit weiter steigen. Jeder in den Hochwasserschutz angelegte Euro könnte Schäden in fast doppelter Höhe verhindern. Auch wird künftig verstärkt auf Raumordnung, Naturschutz und Bauverordnungen geachtet. Aktuell denkt Oberösterreich über strengere Auflagen für den Bau in Risikogebieten nach, etwa über eine Anhebung der geforderten Fußbodenoberkanten von derzeit 20 auf 50 Zentimeter.
"Man hat durch das Hochwasser 2002 und 2013 viel im Katastrophenschutz dazugelernt", ist Helmut Födermayr, Bezirksfeuerwehrkommandant Linz-Land, überzeugt: "Die Gemeinden sind sehr aktiv, man arbeitet gut zusammen." Allerdings sei auch Eigeninitiative nötig, was vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft unterstützt wird. Die Broschüre "Leben mit Naturgefahren" informiert Bürger über Vorsorgemaßnahmen.
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