Homosexualität steht längst nicht mehr überall auf der Welt unter Strafe, doch noch immer werden Schwule, Lesben, Trans- und Bisexuelle geächtet. Das kann so weit gehen, dass Betroffene ausgeschlossen, verfolgt und Opfer von Gewalt werden. Offensichtlich wird: Eine entsprechende Gesetzeslage verbessert die Lage für Homosexuelle oft nur bedingt.
Es klingt unglaublich: Ein Sprecher des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow dementierte vor wenigen Tagen die Existenz homosexueller Menschen im eigenen Land.
Zuvor waren Anfang April in der russisch autonomen Republik Tschetschenien mehr als hundert Männer wegen des Verdachts auf Homosexualität festgenommen worden. Drei Männer seien dabei sogar getötet worden. Darüber berichtete ursprünglich die russische Zeitung "Nowaja Gaseta".
Offizielle Stellen leugneten die Festnahmen mit teils obskuren Begründungen: "Man kann niemanden verhaften oder unterdrücken, den es in der Republik gar nicht gibt", sagte Alwi Karimow der Nachrichtenagentur Interfax. Der Sprecher des Tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow fügte hinzu: "Sollten solche Leute in Tschetschenien existieren, müssten sich die Sicherheitsbehörden keine Sorgen um sie machen, denn ihre Verwandten würden sie schon an einen Ort geschickt haben, von dem sie nie wiederkehren könnten."
Selbst wenn Homosexualität in der islamisch geprägten Teilrepublik nicht mehr unter Strafe steht, ist die Angst vor "Ehrenmorden" groß, denn Homosexualität gilt dort als Schande.
Ein Outing käme laut der regierungskritischen Zeitung "Nowaja Gaseta" einem Todesurteil gleich. Die Daily Mail spricht gar von Internierungscamps, in denen Homosexuelle gefoltert und zu Tode geprügelt würden.
"Legal aber nicht gleichberechtigt"
Der Fall Tschetschenien zeigt die nach wie vor geringe gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexualität, obwohl diese im Gesetz als legal eingestuft wird.
"Legal aber nicht gleichberechtigt", heißt es in Russland. Mit dieser Gesetzesauslegung steht der Staat rechtlich auf derselben Stufe wie Deutschland. Über die Lebenssituation für Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle sagt die rechtliche Lage allein jedoch wenig aus.
Das belegen Umfragen in der russischen Bevölkerung, die zeigen, wie ablehnend der Großteil der Menschen dort Homosexuellen gegenübersteht. Das Lewada-Zentrum, das einzige vom russischen Staat unabhängige Meinungsforschungsinstitut in Russland, veröffentlichte bereits im Jahr 2013 eine Umfrage zu homophoben Stimmungen in der Bevölkerung.
Demnach gaben 23 Prozent der 1600 Befragten aus unterschiedlichen Regionen in Russland an, dass Homosexualität hauptsächlich das Ergebnis schlechter Erziehung, Hemmungslosigkeit und schlechter Angewohnheit sei. 27 Prozent gaben sogar an, sich gegenüber Homosexuellen ablehnend oder ängstlich zu verhalten. Des Weiteren stehen 62 Prozent der Befragten der Erlaubnis homosexueller Ehen in Russland "vollkommen negativ" gegenüber.
Teilweise verheerende Lage in Ländern Asiens und Afrikas
In welchen Ländern Homosexuelle besonders vielen Anfeindungen ausgesetzt sind, zeigt der "Gay Travel Index" auf, den das viel zitierte Onlineportal "Spartacus" regelmäßig aktualisiert. Russland ist dort auf den hintersten Plätzen zu finden (Rang 183 von 194, aktualisiert Ende Februar 2017). Die dortige Lage wäre damit vergleichbar mit der in Afghanistan oder Libyen.
Die Liste berücksichtigt 14 Kategorien, von gleichgeschlechtlicher Ehe bis hin zur Todesstrafe.
Am sichersten können Homosexuelle laut "Gay Travel Index" durch Europa reisen: Schweden, Großbritannien, Belgien, die Niederlande oder Frankreich sind auf den vorderen Plätzen. Deutschland ist auf Platz 22.
Am schlimmsten hingegen ist die Lage in vielen Ländern Asiens und Afrikas.
In einer umfangreichen Befragung des weltweiten Dachverbands der Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Trans und Intersexorganisationen (LGBTI) schneiden Afrika und Asien insgesamt, sowie Russland und die Ukraine tendenziell schlecht ab.
Beispiele aus der Umfrage:
Afrika: 53 Prozent (Ägypten) gaben "sehr unwohl" an. Asien: 55 Prozent (Jordanien) gaben "sehr unwohl" an.
Afrika: 60 Prozent (Simbabwe) und 72 Prozent (Algerien) gaben "sehr wütend" an. Asien: 74 Prozent (Jordanien) und 79 Prozent (Indonesien) gaben "sehr wütend" an. Sonstige: 59 Prozent (Ukraine) und 62 Prozent (Russland) gaben "sehr wütend" an.
Afrika: 51 Prozent (Nigeria) gaben "starke Zustimmung" an. Asien: 41 Prozent (Pakistan) gaben "starke Zustimmung" an.
Afrika: 58 Prozent (Ägypten) und 71 Prozent (Algerien) antworteten mit "Nein". Asien: 50 Prozent (Irak) und 69 Prozent (Indonesien) antworteten mit "Nein". Sonstige: 66 Prozent der Befragten in Russland antworteten mit "Nein". |
Zusätzlich zur Ablehnung in der Bevölkerung werden Schwule, Lesben, Trans- und Bisexuelle in einigen Ländern der beiden Kontinente konkret vom Staat bedroht:
Asien
Im Iran, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien kann Homosexualität mit dem Tod bestraft werden. Im Iran gilt dabei für Männer die Todesstrafe, wohingegen Frauen mit 100 Peitschenhieben bestraft werden.
In Brunei sieht das Strafgesetzbuch die Todesstrafe durch Steinigung für einvernehmlich homosexuelle Beziehungen vor. Im Jemen und in Afghanistan steht die Todesstrafe auf homosexuelle Handlungen im Gesetz, wird jedoch nicht vollstreckt.
Afrika
In Afrika sind homosexuelle Handlungen in den meisten Ländern illegal. In manchen Ländern wie Ghana oder Kenia ist die Homosexualität bei Frauen erlaubt, während sie bei Männern verboten ist.
Auf dem Kontinent steht die Todesstrafe im Sudan, in Mauretanien und in Nigeria im Gesetz. Vollstreckt wird sie jedoch nicht.
"Alle 27 Stunden ein Mord"
Doch auch vermeintlich offene und tolerante Länder erleben immer wieder Wellen homophober Gewalt.
In Brasilien beispielsweise wurden im Jahr 2015 laut Amnesty International 318 Schwule, Lesben und Transsexuelle wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität ermordet. "Alle 27 Stunden ein Mord", heißt es im Amnesty Journal aus dem Februar 2017. Zuletzt sei es deutlich schlimmer geworden.
Südafrika ist mit einer der modernsten Verfassungen der Welt eigentlich ein Positivbeispiel auf dem Kontinent. Diskriminierungen und Gewalt gegen Schwule und Lesben sind laut Amnesty International jedoch an der Tagesordnung. Seit 2005 bereits gibt es die Homo-Ehe, doch in dem Land fehle es noch immer an gesellschaftlicher Akzeptanz gegenüber Homosexuellen. Das läge besonders an den vielen konservativen Glaubensrichtungen in Südafrika, die ein Ausleben sexueller Identität für Schwule, Lesben, Trans- und Bisexuelle sehr schwierig machen.
Die Legalisierung der Homosexualität scheint in vielen Ländern erst positiv auf die gesellschaftliche Lage auszuwirken, wenn sie mit Anti-Diskriminierungsgesetzen kombiniert wird.
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