Zum 1. Februar wurde in Österreich das Pfand auf Glas-Mehrwegflaschen von 9 auf 20 Cent erhöht. Da auch das Pfand für Bierkästen deutlich höher ist, bekommt man im Nachbarland mehr als doppelt so viel Pfand für einen Kasten Bier wie in Deutschland. Dies führt mancherorts zu Pfandtourismus.

Mehr Panorama-News

Der Tanktourismus an der deutsch-österreichischen Grenze hat einen Bruder bekommen: den Pfandtourismus. Seit Anfang Februar bringt eine Kiste mit 20 leeren Mehrwegflaschen in Österreich 3,90 Euro mehr ein als in Deutschland.

Das wird bereits rege genutzt, ganze Anhängerladungen mit Kästen sollen schon über die Grenze gefahren worden sein. Was für Verbraucher wie ein Schnäppchen aussieht, kostet Handel und Brauereien bares Geld und heizt die Diskussion um eine Pfanderhöhung in Deutschland neu an.

Konkret hat die österreichische Brauwirtschaft das Flaschenpfand von bisher 9 auf 20 Cent erhöht. In Deutschland beträgt es 8 Cent pro Flasche. Zudem ist das Kastenpfand in Österreich mit 3 Euro schon länger doppelt so hoch wie in Deutschland. Einer normalen Pfandflasche sieht man aber nicht an, auf welcher Seite der Grenze sie verkauft wurde und von welcher Brauerei sie stammt. Wohin die leeren Flaschen aus dem Handel zurückkommen, wird daher meist durch die in der Regel brauereieigenen Bierkästen bestimmt.

Das Problem trifft also die Brauer und Getränkehersteller, die auf beiden Seiten der Grenze verkaufen. Wird einer ihrer Kästen samt Flaschen in Deutschland gekauft und in Österreich zurückgegeben, fehlen ihnen genau die 3,90 Euro, die der Kunde gewinnt. Teilweise - je nach individueller Vereinbarung - treffe es auch den Handel ganz oder anteilig, heißt es vom Bayerischen Brauerbund.

Bereichert man sich im Nachbarland?

Noch ist der Effekt neu, doch die Brauereien sind alarmiert. "In den ersten Tagen war die Tendenz katastrophal", sagt Christian Thiel von der Brauerei Schönramer in Petting der Deutschen Presse-Agentur. 13 Kilometer sind es von dort bis zur Grenze, keine 20 bis ins Zentrum von Salzburg. "Da versuchen Leute, sich zu bereichern, auf Kosten der Brauerei und des Handels. Ich kenne einen Fall, da ist jemand mit einem Anhänger mit 50 Kästen bei einem kleinen Getränkemarkt vorgefahren. Der hat das aber nicht angenommen."

"Da versuchen Leute, sich zu bereichern."

Christian Thiel von der Brauerei Schönramer aus Petting

In diese Richtung weist auch der Verband der Brauereien Österreichs. "Das Vorfahren mit einem Anhänger voller Kästen könnte schiefgehen", sagt Sprecher Florian Berger. Händler hätten das Recht, nur haushaltsübliche Mengen an Flaschen und Kästen zurückzunehmen und die Rücknahme von Produkten, die sie selbst nicht anbieten, zu verweigern.

Zahlen über einen möglichen Pfandtourismus lägen bisher nicht vor, sagt Berger. "Es gibt aber grenznahe Handelspartner, die berichten, dass nun ein bisschen mehr los sei als sonst."

Grenznahe Brauereien fürchten Pfandtourismus

Anders sieht das Stephan Marold, Brauereidirektor der Brauerei Hacklberg aus Passau. Der Mediengruppe Bayern sagte er: "Die Erhöhung des Mehrweg-Glasflaschenpfandes in Österreich wirkt sich leider jetzt schon spürbar auf den vollständigen Leergutrückfluss in den Grenzgebieten aus. Der Pfandtourismus hat leider schon eingesetzt und wird sich weiter verstärken."

Die Kreisstadt Passau liegt direkt an der Grenze zu Österreich. Der nächste Supermarkt in der österreichischen Gemeinde Schardenberg ist knapp 11 Kilometer entfernt, die nächste größere Stadt Schärding am Inn direkt hinter der Grenze nur rund 16 Kilometer.

Doch nicht nur in Niederbayern gibt es mögliche Probleme mit Pfandtourismus. Überall entlang der knapp 817 Kilometer langen deutsch-österreichischen Grenze (ohne den Bodensee) liegen Städte in unmittelbarer Grenznähe. Besonders prominent sind Bregenz am Bodensee, Kufstein in Tirol direkt am Grenzübergang der A93 sowie Salzburg. Auch hier sind es von Bad Reichenhall aus nur knapp 16 Kilometer bis zum ersten österreichischen Supermarkt. Christoph Gaschberger, Inhaber der Brauerei Bürgerbräu in Bad Reichenhall, rechnet gegenüber der Mediengruppe Bayern mit etwa zehn Prozent Pfandtouristen. "Die Österreicher bringen uns in Zugzwang", sagt Gaschberger, der aber nicht mit einer schnellen Lösung rechnet.

Debatte auch in Deutschland

Denn auch in Deutschland schwelt seit Jahren eine Diskussion über eine Pfanderhöhung, die durch den Vorstoß des Nachbarn neu entfacht wurde. Hintergrund ist, dass das Pfand seit Jahrzehnten nicht erhöht wurde und immer noch bei den 8 Cent liegt, die sich bei der Euro-Umrechnung aus den alten 15 Pfennig ergeben haben. Dabei kosten Leergut und Kästen in der Beschaffung längst deutlich mehr. 20 Cent pro Flasche wie in Österreich kämen den tatsächlichen Kosten viel näher, sagen sowohl der dortige als auch der Bayerische Brauerbund.

Eine Umstellung bringt jedoch Probleme mit sich. Zum einen befürchten die Brauer, dass die Kunden dies als Preiserhöhung wahrnehmen würden. Zum anderen werden in einem solchen Fall alle Flaschen und gegebenenfalls auch Kästen im Umlauf plötzlich mehr wert. Bei rund 4 Milliarden Flaschen im Umlauf - so schätzen der Bayerische und der Deutsche Brauerbund - summieren sich Centbeträge schnell auf hunderte Millionen Euro. Genauer gesagt bis zu 480 Millionen Euro, beziffert Lothar Ebbertz vom Bayerischen Brauerbund. Und weil die Kunden mit der Rückgabe bis nach der Erhöhung warten könnten, werden im schlimmsten Fall Leergutengpässe befürchtet. Hinzu kämen Kosten für die Umrüstung der Rücknahmeautomaten im Handel.

Doch der Deutsche Brauer-Bund sieht dafür derzeit wenig Chancen. Zwar könne man die Erhöhung in Österreich nachvollziehen und beobachte sie genau, heißt es vom Verband, man habe das Thema aber schon vor längerer Zeit geprüft und festgestellt, dass eine Erhöhung "nur sehr schwer umsetzbar" wäre.

Die Kosten könnten die bereits unter Druck stehenden Brauereien überfordern. Außerdem seien die Märkte in Deutschland und Österreich sehr unterschiedlich und die Rücklaufquote in Deutschland wesentlich besser. Dennoch erhalten die Befürworter derzeit Rückenwind durch die Situation an der Grenze.

Österreicher wollten Rücklauf erhöhen

Die österreichischen Brauer haben mit der deutlichen Erhöhung des Bierpfandes ein Zeitfenster genutzt. Nach der Einführung eines Pfandes von 25 Cent auf Plastikflaschen und Dosen zum Jahreswechsel habe unter den 350 meist kleinen Brauereien Einigkeit geherrscht, dass die Bierflasche nun dringend wertvoller werden müsse, sagt Verbandssprecher Florian Berger. "Es ging darum, die Motivation zur Rückgabe zu steigern."

Die Erhöhung des Pfandes von 9 auf 20 Cent entspreche in etwa dem Wiederbeschaffungswert einer Flasche. Jährlich landeten rund sechs Prozent der im Umlauf befindlichen Bierflaschen im Altglas, im Restmüll oder in der Landschaft. Die Rückgabementalität habe in den vergangenen Jahren deutlich nachgelassen, heißt es vonseiten des Verbands. Dabei könne eine Flasche bis zu 40 Mal wiederbefüllt werden.

Hohe Akzeptanz des neuen Pfandsystems in Österreich

Wie die neue Rückgabementalität aussehen könnte, zeigt sich beim Pfand auf Plastikflaschen und Metalldosen. Seit 1. Januar wurden laut Recycling Pfand Österreich rund eine Million Pfandflaschen und -dosen zurückgegeben. Insgesamt sind in der Alpenrepublik derzeit 25 Millionen Pfandgebinde im Umlauf.

Diese Zahl wird sich nach dem Übergangsjahr 2025, in dem noch Dosen und Flaschen ohne Pfandlogo verkauft werden, deutlich erhöhen. Die Gefahr des Pfandtourismus besteht hier übrigens nicht: Da die Flaschen auf beiden Seiten der Grenze unterschiedlich sind, können sie auch nur im Herkunftsland zurückgegeben werden.

Die breite Akzeptanz des Einwegpfandsystems in der Bevölkerung bestätigt auch eine aktuelle Umfrage von marketagent im Auftrag von Recycling Pfand Österreich. Demnach befürworten 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher das System.

Besonders positiv wird der Umweltbeitrag bewertet: 68 Prozent sehen den größten Vorteil darin, dass weniger Flaschen und Dosen in der Natur landen. Auch die Tatsache, dass aus alten Getränkeverpackungen wieder neue hergestellt werden und die Materialien im Kreislauf bleiben, begrüßen 66 Prozent. Rund 68 Prozent der Befragten sind der Meinung, über das neue Pfandsystem gut Bescheid zu wissen.

Deutschland könnte beim Pfand von Österreich lernen

Sollte es irgendwann auch in Deutschland zu einer Erhöhung des Flaschenpfands kommen, könnte sich ein Blick nach Österreich daher lohnen. Dort habe es eine Vereinbarung mit dem Handel gegeben, sich die Kosten der Umstellung zu teilen, sagt Lothar Ebbertz vom Bayerischen Brauerbund. Außerdem hätten die Kollegen jenseits der Grenze die Erhöhung erst relativ kurzfristig angekündigt, um Hortungseffekte zu reduzieren, und mit dem Februar einen Monat gewählt, in dem eher weniger Bier getrunken wird.

In Deutschland, dem trotz sinkender Zahlen immer noch mit Abstand größten Biermarkt Europas, wird laut einer Statista-Erhebung im Januar am wenigsten Bier getrunken. Die Diskussion um ein höheres Flaschenpfand hätte also noch etwas Zeit, sollte ein ähnliches Vorgehen wie in Österreich gewählt werden.

Verwendete Quellen:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.