In Österreich geht der Insektenbestand drastisch zurück. Seit 1990 sind laut dem am Dienstag veröffentlichten "Insektenatlas 2020" drei Viertel der Insekten verschwunden.

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Gleichzeitig sank deren Artenvielfalt um bis zu ein Drittel. Setzt sich dieser Abwärtstrend fort, leiden nicht nur insektenfressende Tierarten darunter, auch markante Ernteausfälle wären die Folge.

Knapp über eine Million der etwa 1,8 Millionen Tierarten weltweit entfallen auf Insekten. Bis zu 4,5 Millionen Insektenarten könnten Schätzungen zufolge darüber hinaus noch entdeckt werden, ist dem von der Umweltschutzorganisationen Global 2000 in Kooperation mit dem Naturschutzbund Österreich und der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlichten Insektenatlas zu entnehmen. Insekten spielen jedoch nicht nur zahlenmäßig eine tragende Rolle: Sie leisten für Ökosysteme wertvolle Arbeit. So bestäuben sie Pflanzen, bekämpfen Schädlinge, erhalten die Bodenfruchtbarkeit, reinigen Gewässer und stellen eine Nahrungsgrundlage für andere Tiere dar.

Klimawandel, Lichtverschmutzung und Landwirtschaft

Neben dem Klimawandel und zunehmender Lichtverschmutzung werden Insekten vor allem durch die Ausweitung und Intensivierung der Landwirtschaft in Form von Monokulturen, die nur wenigen Arten einen Lebensraum bieten, Überdüngung und steigendem Pestizideinsatz bedroht. Die Landwirtschaft wäre zugleich einer der großen Verlierer eines fortschreitenden Insektenschwunds.

Müsste sie auf die Bestäubungstätigkeit von Insekten verzichten, würden bei Nahrungsmitteln wie Kakao, Wassermelonen oder Kürbissen Ernterückgänge von über 90 Prozent drohen. Apfel-, Kirschen- oder auch Gurkenernten würden um 40 bis 90 Prozent schrumpfen. Bei lediglich sieben von 107 untersuchten pflanzlichen Lebensmitteln würde dagegen kein Ernterückgang verzeichnet werden, zeigte eine Untersuchung des Weltrats für Biodiversität (IPBES).

Artensterben stoppen mit Pestizideinsatz reduzieren

"Wer unsere Nahrungsmittelversorgung sicherstellen will, muss das Artensterben stoppen. Wer das Artensterben stoppen will, muss den Pestizideinsatz reduzieren und Lebensräume erhalten", erklärte Dominik Linhard, Biologe bei Global 2000, in einer Aussendung der Umweltschutzorganisation. Ein neuer Vergabemechanismus für die jährlich fast 60 Milliarden schwere EU-Agrarförderung wäre laut zahlreichen Umweltinitiativen ein wichtiger Schritt zur Erreichung dieser Ziele. Die Europäische Union verpflichtet derzeit keinen ihrer Mitgliedstaaten dazu, einen bestimmten Anteil der Agrarförderung für ökologische Ziele einzusetzen. Ein Großteil der Förderung wird als Pro-Hektar-Zahlung überwiesen - demnach bringt viel Fläche viel Geld.

"Gerade jetzt wird der Rahmen für die EU-Agrarpolitik der nächsten Jahre gesteckt. Hier muss es Ziel sein, Landwirte bestmöglich bei aktiven Maßnahmen für mehr Biodiversität und Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft zu unterstützen", sagte Birgit Mair-Markart, Geschäftsführerin des Naturschutzbundes Österreich. Umweltorganisationen und Fachexperten verlangen etwa, dass auf mindestens zehn Prozent der Fläche Strukturelemente wie Hecken oder Blühstreifen angelegt werden, um Lebensräume für Insekten zu schaffen und Biotope zu vernetzen.

Experten fehlt ein konkreter Aktionsplan für Insektenschutz

Auf österreichischer Ebene bemängeln Experten, dass es keinen konkreten Aktionsplan für Insektenschutz gebe und die Datengrundlage zur Bewertung von Entwicklungen lückenhaft sei. Zwar wurden einzelne für Bienen hochgiftige Chemikalien EU-weit verboten, doch geht der Trend hinsichtlich der eingesetzten Pestizidmengen hierzulande weiterhin nicht nach unten. Seinen Niederschlag findet das etwa in einem großräumigen Rückgang der rund 4.070 heimischen Schmetterlingsarten, einer 40-prozentigen Gefährdungsquote der aktuell 121 vorkommenden Heuschreckenarten oder Gefährdungstendenzen bei zwei Drittel aller Libellenarten.

Österreich ist aufgrund seiner großen Diversität von Landschaften und Lebensräumen ein relativ artenreiches Land. Von 54.125 beschriebenen heimischen Tierarten entfallen in etwa 40.000 auf Insekten.  © APA

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