Seit Jahrzehnten fahnden Ermittler aus Niedersachsen nach Mitgliedern der RAF-Terroristen. Nun haben sie einen Coup zu verkünden.
Gegen die frühere RAF-Terroristin Daniela Klette ist Untersuchungshaft angeordnet worden. Ermittler werfen ihr mehrere Raubtaten vor. Das teilten Staatsanwaltschaft Verden und das Landeskriminalamt Niedersachsen am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Hannover mit. Ein Ermittlungsrichter habe sechs Haftbefehle erlassen.
Zielfahnder nahmen Daniela Klette demnach am Montagabend in einem Mietshaus in Berlin-Kreuzberg fest. Sie habe keinen Widerstand geleistet, sagte Friedo de Vries, Präsident des Landeskriminalamtes Niedersachsen. Am Dienstag standen uniformierte Polizisten vor dem siebengeschossigen Gebäude. Der Eingang war gesperrt. Kriminaltechniker waren vor Ort und untersuchten die betreffende Wohnung nahe der früheren Grenze zwischen West- und Ost-Berlin.
Im Zuge der Festnahme Klettes haben die Ermittler zudem noch eine weitere Person festgenommen. Es handele sich um einen Mann im "gesuchten Alterssegment", sagte de Vries. Die Identität des Mannes werde noch geklärt, es sei nicht sicher, ob sein Ausweisdokument echt sei.
Pistolenmagazine und Patronen in Wohnung gefunden
Klette wurde nach Angaben des Landeskriminalamtes Niedersachsen am Dienstag mit einem Hubschrauber nach Bremen geflogen und von dort aus weiter zum Amtsgericht Verden gebracht. Ein Haftrichter habe die Haftbefehle gegen die 65-Jährige erlassen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Verden wurde außerdem ein Durchsuchungsbefehl für die Wohnung erteilt. Ermittler fanden dort nach eigenen Angaben unter anderem zwei Magazine einer Pistole und Patronen.
Die Staatsanwaltschaft Verden und das Landeskriminalamt Niedersachsen fahnden seit Jahrzehnten nach den früheren RAF-Terroristen Burkhard Garweg (55), Ernst-Volker Staub (69) und Daniela Marie Luise Klette (65). Sie werden der sogenannten dritten RAF-Generation zugeordnet.
Vertreter dieser Generation sollen den damaligen Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, und den Treuhand-Chef, Detlev Karsten Rohwedder, umgebracht haben. Täter und Motiv sind bis heute jedoch unbekannt. Rohwedder war am 1. April 1991 in Düsseldorf in seinem Haus am Schreibtisch erschossen worden. Das RAF-Kommando reklamierte die Tat für sich. Rohwedder wurde aus einer Kleingartenlage und mehr als 60 Metern Entfernung ins Visier genommen. Es war der letzte Mordanschlag, der der RAF zugeordnet wird.
Überfälle wohl nicht politisch motiviert
Die Behörden werfen Garweg, Staub und Klette versuchten Mord und eine Serie schwerer Raubüberfälle zwischen 1999 und 2016 vor. Die Tatorte lagen demnach in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Überfälle nicht politisch motiviert waren. Die Beschuldigten sollen die Taten begangen haben, um an Geld zu gelangen.
Klette steht nach dpa-Informationen im Verdacht, an einem Schusswaffen-Angriff auf die US-Botschaft in Bonn 1991 beteiligt gewesen zu sein. Vermutet wird außerdem eine Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt 1993.
Spuren deuten darauf hin, dass sie auch bei einer Anti-Terror-Aktion 1993 im mecklenburgischen Bad Kleinen am Tatort war. Bei der Aktion starben damals der Polizist Michael Newrzella und der RAF-Mann Wolfgang Grams. Die frühere RAF-Terroristin Birgit Hogefeld wurde verhaftet.
Omid Nouripour: "Hartnäckigkeit der Polizei" hat sich ausgezahlt
Von der Politik wurde die Nachricht über die Festnahme Klettes mit Freude aufgenommen. "Die Festnahme der seit über 30 Jahren untergetauchten Terroristin ist ein großer Fahndungserfolg der Polizei", erklärte Grünen-Chef Omid Nouripour in einem schriftlichen Statement gegenüber unserer Redaktion. Klette werde sich für zahlreiche Straftaten verantworten müssen.
"Durch die Festnahme besteht die Chance, dass die vielen schweren Gewalttaten der dritten Generation der RAF weiter aufgeklärt werden können, die bis heute weitgehend im Dunklen liegen – das ist besonders für die Betroffenen eine gute Nachricht." Der Fall zeige, "dass die Hartnäckigkeit der Polizeiarbeit sich ausgezahlt hat und terroristische Straftäter in diesem Land zur Rechenschaft gezogen werden.“
Ein ähnliches Fazit zog auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). "Dieser Fahndungserfolg ist das Verdienst jahrzehntelanger unermüdlicher Ermittlungsarbeit. Der Rechtsstaat hat seine Beharrlichkeit und seinen langen Atem gezeigt. Niemand sollte sich im Untergrund sicher fühlen", wird Faeser in einer Mitteilung ihres Ministeriums zitiert.
Die Verbrechen der Rote Armee Fraktion (RAF) stünden "bis heute beispiellos für die Gefahren des Linksextremismus und Linksterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland. Mit der Festnahme der 65 Jahre alten Klette in Berlin werde eine weitere strafrechtliche Aufarbeitung der Taten möglich. "Diese Aufklärung schulden wir auch den Angehörigen der Opfer der RAF", sagte Faeser weiter. (dpa/fte/thp/fab)
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