In Kolumbien gibt es wahrlich genügend Gründe, um zu streiken. Einige Frauen aus Barbacoas gehen mit ihrem Protest ans Eingemachte: Sie treten mit einem Sexstreik für bessere Straßen ein.

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Taxifahrer legen in Kolumbien zu Weihnachten gerne tagelang den Verkehr in der Hauptstadt Bogotá lahm. Mit diesen Protestmaßnahmen erhoffen sie sich ein Aufgeld von ihren Fahrgästen. Bauern und Indios setzen sich für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen und unterbinden die Versorgung der Großstädte mit Lebensmitteln, indem sie die Landstraßen blockieren. Lehrer und Universitätsdozenten hätten ihre Überstunden gerne mit einem prozentualen Aufschlag vergütet, der zwar per Gesetz nicht vorgesehen ist, den sie aber dennoch angemessen halten. So weigern sie sich tagelang den Schulunterricht oder ihre Vorlesungen abzuhalten. Die Liste lässt sich endlos fortsetzen.

Neue Maßstäbe in dem protestgebeutelten südamerikanischen Land setzt jedoch ein Streik, den rund 300 Frauen in der Kleinstadt Barbacoas initiiert haben. Unter dem Motto "Piernas Cruzadas" ("Gekreuzte Beine") verweigern sie sich ihren Ehemännern und Lebensgefährten. Ihre Forderung: Die einzige Zugangsstraße zu dem im Süden Kolumbiens gelegenen 35.000-Einwohner-Städtchen müsse nach fast zwei Jahrzehnten des Wartens endlich asphaltiert werden. Andernfalls, so drohen sie, gebe es künftig keinen Sex mehr!

Fahrt ins nächste Krankenhaus dauert 14 Stunden

57 Kilometer beträgt die Strecke zwischen Barbacoas und Junín, dem nächstgelegenen Ort. Eigentlich sollte der Ausbau der Schotterpiste kein allzu großes Problem sein. Zumindest auf lokalpolitischer Ebene wird das entsprechende Bauvorhaben regelmäßig diskutiert - nämlich alle vier Jahre, wenn die Wahlen zum Bürgermeister und zum Gemeinderat anstehen. Insgesamt fünf Gemeindehäupter sind in der Vergangenheit dank ihrer Versprechungen ins Amt gewählt worden. Sie hatten angekündigt, die Schotterpiste zu teeren. In Kolumbien halten die Vorhaben der Lokalpolitiker jedoch meist nur bis zum Tag der Wahl. Nicht umsonst erreicht der Andenstaat in dem jährlich von Transparency International veröffentlichten Korruptionsindex gerade mal Platz 94 von 175 möglichen Rängen.

Marybel Silva ist Richterin und Sprecherin der Bewegung "Piernas Cruzadas". Sie bringt die Forderungen der Frauen auf den Punkt. "Wir haben in Barbacoas kein vernünftiges Krankenhaus. Und bis nach Junín, wo sich ein gut ausgerüstetes Hospital befindet, dauert die Fahrt bis zu 14 Stunden. Wer von uns zum Beispiel Probleme in der Schwangerschaft hat, würde es sicher nicht ins Krankenhaus schaffen", erklärt sie.

"Piernas Cruzadas" gibt es seit 2011

Schon 2011 hatten Barbacoas' Frauen mit der Ankündigung eines Sexstreiks auf sich aufmerksam gemacht. Die Regierung schlichtete damals und bot Hilfe an. Ingenieure der kolumbianischen Streitkräfte sollten bei den Bauarbeiten zur Hand gehen, stellten ihre Unterstützung allerdings nach wenigen Wochen wieder ein, nachdem es zu einer Auseinandersetzung mit Rebellen der linksgerichteten FARC-Guerilla gekommen war.

Für die Ausflüchte der Lokalpolitiker haben Maribel Silva und ihre Mitstreiterinnen trotz des Schusswechsels mit den Rebellen kein Verständnis mehr. "Seit vergangenem Oktober lassen wir unseren Ankündigungen Taten folgen. Etliche Frauen aus Barbacoas schlafen seit Monaten in der Gemeindeturnhalle und gehen nur tagsüber nach Hause, wenn ihre Männer in der Arbeit sind", sagt sie.

Nach einem halben Jahr Sexstreik veröffentlichten die Frauen im April 2014 ein erstes Fazit: 13 Kilometer der Strecke nach Junín wurden in Rekordzeit asphaltiert, Dutzende Freiwillige nahmen täglich an den Bauarbeiten teil - und obwohl die Männer der Kleinstadt alles andere als glücklich über die Forderungen ihrer weiblichen Gemeindemitglieder sind, kam es noch zu keinem ernsthaften partnerschaftlichen Zerwürfnis. Ende Oktober meldeten die Frauen einen weiteren Erfolg: Inzwischen sind rund 20 der 56 Kilometer mit Asphalt bedeckt. Bis Anfang 2015 sollten es 40 Prozent werden.

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