Eine Beziehung zweier junger Menschen geht zu Ende. Später löscht einer der beiden eine ganze Familie aus. Nun hat ein Gericht über die Tat im österreichischen Nobelort Kitzbühel geurteilt. Der Angeklagte bekundet Reue.
Schwarzer Anzug, weißes Hemd, schwarze Krawatte. Eine Corona-Maske dient dem Angeklagten im Blitzlichtgewitter der Fotografen auch als kleiner Schutz vor zu viel Neugierde. 26 Jahre ist Andreas E. alt und hat zugegeben, eine wohl unerträgliche Schuld auf sich geladen zu haben. Er wünsche sich so sehr, dass ihn jemand aufgehalten hätte in jener Nacht, sagt er am Mittwoch vor dem Landesgericht Innsbruck.
Fünf Menschenleben hat der junge Mann auf dem Gewissen. "Es tut mir unendlich leid", meint der 26-Jährige in seinem Schlusswort. Wegen fünffachen Mordes verurteilt ihn das Gericht erwartungsgemäß zu lebenslanger Haft. Bei guter Führung und Prognose kann er damit frühestens nach 15 Jahren auf Freilassung hoffen. Das Urteil ist vorerst nicht rechtskräftig.
Angeklagter psychisch unauffälllig
Aufgrund seines Geständnisses und der Spuren am Tatort bestand von Anfang an kein echter Zweifel an der Schuld des Angeklagten. In den frühen Morgenstunden des 6. Oktober 2019 erschoss er seine 19-jährige Ex-Freundin, deren Vater, deren Mutter, deren Bruder und einen Freund der 19-Jährigen in einem Einfamilienhaus im Wintersportort Kitzbühel. Beim Motiv spielten Eifersucht, Enttäuschung, emotionale Überforderung eine Rolle. Eifersucht allein sei es nicht gewesen, sagt seine Verteidigerin zum Auftakt. "Es ist viel komplexer."
Der Beschuldigte habe ein ausgeprägtes Bedürfnis, seinen Platz bei jemandem zu finden, erklärt eine Gutachterin. Die Beziehung zu seiner Ex-Freundin sei einer der wesentlichsten stabilisierenden Faktoren in seinem Leben gewesen. Durch die Zurückweisung sei sein gesamtes Beziehungsgeflecht zusammengebrochen. Dennoch habe der Angeklagte gewusst, was er tut - und er hätte anders handeln können. "Er ist völlig normal. Es gibt keine psychiatrische Diagnose und das mag vielleicht für viele das Erschreckendste sein", sagt die Psychiaterin.
Mord in Kitzbühel: Kollegen nennen Andreas E. "ruhig und zurückhaltend"
Die Freundin des Angeklagten hatte die mehrjährige Beziehung einige Monate vor der Tat beendet. Der Schock saß offenbar tief. Zeitweilig war der Kontakt zur Familie so eng, dass der heute 26-Jährige sogar unter der Adresse seiner späteren Opfer gemeldet war. Nach früheren Aussagen der Mutter des Angeklagten war bis kurz vor der Trennung eigentlich eine Hochzeit geplant. Der Angeklagte, Arbeiter bei einer Baufirma, war bei den Ermittlungen von den Kollegen als "ordentlich, ruhig und zurückhaltend" beschrieben worden. In der Nacht zum 6. Oktober 2019 überstürzten sich die Ereignisse. Die beiden Ex-Partner trafen sich zufällig in einem Lokal in Kitzbühel. Der Polizei zufolge wurde gestritten, aber der Disput nahm keine dramatischen Formen an.
Umso Schlimmeres folgte: Mehrfach fuhr der 26-Jährige in den frühen Morgenstunden zu dem ihm so vertrauten Anwesen. Nach seiner Aussage wiesen ihn der Vater und der Bruder seiner Ex-Freundin ab. Dann bewaffnete er sich. Aus dem Safe seines im Ausland lebenden Bruders nahm er eine Pistole vom Kaliber neun Millimeter. Er griff sich einen Baseballschläger und ein Messer. Er klopfte erneut und eröffnete das Feuer. Alle Opfer wurden aus kurzer Distanz mit Schüssen in den Kopf getötet. Bei dem 24 Jahre alten Freund der Tochter handelte es sich um den Torwart des Kitzbüheler Eishockey-Teams. Am Vorabend war er noch bei einem Spiel aufgrund seiner hervorragenden Leistung zum "Man of the Match" gewählt worden.
Andreas E.: "Ich hatte einen Tunnelblick"
Nach der Tat stellte sich der junge Mann bei der Polizei. "Ich habe soeben fünf Personen ermordet", sagte er zu den Polizisten und legte seine Waffen auf den Tresen der Wache. Die in dem 8.000-Einwohner-Ort beispiellose Tat schockierte ganz Österreich. 340 Menschen aus dem Ort suchten nach dem blutigen Geschehen psychologische Hilfe beim Krisen-Interventionsteam.
Sein Tun könne er sich nicht erklären, sagt der 26-Jährige im Prozess. "In der Nacht ist einfach alles zusammengekommen. Niemand konnte etwas dafür. Ich hatte einen Tunnelblick." Das Geschehen verfolge ihn. "Das erlebe ich jede Nacht beim Schlafen, das ist schlimm genug", begründet er den Umstand, warum er die Tat nicht noch einmal in allen Einzelheiten schildern will.
Die Familie des 26-Jährigen wird in Kitzbühel nach Aussage von Bürgermeister Klaus Winkler nicht ausgegrenzt. Sie habe nach der Tat und bis heute Beistand und Hilfe erfahren und sei Teil der Gemeinschaft. "Und das werden sie auch so bleiben", sagte Winkler dem Sender "Oe24". (mt/dpa)
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