Ein 46-jähriger IT-Techniker, der am 22. April 2017 in Wien-Wieden seine Ehefrau laut Anklage von der Dachterrasse 15 Meter in die Tiefe gestoßen hatte, ist am Montagabend am Landesgericht zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Geschworenen verwarfen mit dem knappest möglichen Abstimmungsverhältnis die Mordanklage. Vier Laienrichter folgten der Anklage, vier verneinten sie.
Bei Stimmengleichheit ist zugunsten des Angeklagten auszugehen. Die Eventualfrage in Richtung Totschlag wurde von den Geschworenen einstimmig bejaht.
Demnach hat sich der Ehemann ihrer Ansicht nach in einer allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen lassen, die Frau am Hals zu packen und von sich über die Brüstung zu stoßen.
Bei einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren erschienen dem Schwurgericht sieben Jahre tat- und schuldangemessen.
Die bisherige Unbescholtenheit und das "Tatsachengeständnis" (Richter Stefan Apostol) wurden mildernd berücksichtigt. Erschwerend war kein Umstand.
Nach der Urteilsverkündung waren im Verhandlungssaal Unmutsäußerungen von engsten Freunden der Getöteten zu vernehmen.
"Wahnsinn" oder "Frechheit" hieß es. "Habt's schon gehört, was da los war?", rief ein zuvor vernommener Zeuge sichtlich erzürnt den Geschworenen zu, worauf ihn der Vorsitzende mit den Worten "Raus mit Ihnen" des Saales verwies.
50.000 Euro für die Tochter
Die knapp vierjährige Tochter der ums Leben gekommenen Bankerin bekam vom Gericht ein Trauerschmerzengeld von 50.000 Euro zugesprochen.
Der Mutter der Getöteten billigten die Richter 5.000 Euro zu. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Während Verteidiger Timo Gerersdorfer nach Rücksprache mit dem Angeklagten auf Rechtsmittel verzichtete, gab Staatsanwältin Gabriele Müller-Dachler vorerst keine Erklärung ab.
"Ich bin schuld am Tod meiner Frau", hatte der Mann eingangs der Verhandlung zugegeben. Mörder sei er allerdings keiner, versicherte der Angeklagte.
Er behauptete, die Frau habe ihn im Schlafzimmer attackiert, beschimpft ("Ich hasse mein Leben, warum kannst du nicht tot sein?"), geschlagen und nach ihm getreten.
Auseinandersetzung ging auf der Terrasse weiter
Er habe sich auf die Terrasse begeben, nachdem er ihr unter anderem ein Küchenmesser entwunden hatte, "um mich zu beruhigen". Sie sei ihm gefolgt, wiederum auf ihn losgegangen.
"Da bin ich mit den Händen ausgefahren, habe sie gepackt, zugepackt und weggedrückt." Er habe sie "weggedrückt von mir. Ich wollte, dass sie aufhört herumzuschlagen", präzisierte der 46-Jährige.
Dabei sei die Frau rücklings über eine Brüstung in die Tiefe gefallen.
"Das klingt für mich wie ein Unfall", kommentierte ein besitzender Richter diese Verantwortung. "Es war wahrscheinlich ein Unfall, weil ich nicht vorhatte sie zu töten", meinte der Angeklagte.
Ursprünglich war in dem Fall von Selbstmord ausgegangen worden. Fest steht, dass die Bankerin seelische Probleme und vor allem mit ihrem Älterwerden Schwierigkeiten hatte.
Frau fühlte sich phasenweise ungeliebt
Von ihrem Mann, den sie bereits 1991 kennengelernt und im Sommer 2013 geheiratet hatte, nachdem sich 2012 der Kontakt wieder intensiviert hatte, fühlte sie sich phasenweise ungeliebt.
Dieser kümmerte sich vor allem um die gemeinsame, im April 2014 geborene Tochter. Ein von ihr selbst anlässlich ihres 45. Geburtstages ausgerichtetes Essen mit Verwandten und Freunden ließ sie sausen.
Ihr Mann und ihre Tochter gingen ohne sie in das Lokal, wo ein Tisch reserviert war. Danach begab sich der IT-Techniker mit der Tochter zu Freunden, um die Frau seiner Aussage zufolge daheim "ausspinnen" zu lassen.
Das befreundete Paar überredete den Mann, doch noch in die eheliche Wohnung zu schauen, nachdem die 45-Jährige ihm angeblich eine harsche SMS geschickt hatte.
Dort angelangt, stellte der 46-Jährige fest, dass die Frau betrunken war - wie später festgestellt wurde, hatte sie zum Todeszeitpunkt 1,56 Promille im Blut.
Der Mann behauptet, sie sei ihm sofort aggressiv begegnet, habe ein Sektglas nach ihm geworfen, ihn ein Weichei genannt und ihm vorgehalten, sie nur mehr als Mutter, nicht als Frau zu behandeln.
Mann dachte nur an die Tochter
Auf die Frage, warum er nach dem Terrassensturz weder Polizei noch Rettung verständigt hatte, sondern sich zurück zu den Freunden begab und auch dort nichts sagte, entgegnete der Angeklagte: "Schock. Panik. Angst. Ich bin fluchtartig aus der Wohnung gelaufen. Ich habe nur an unsere Tochter gedacht. Ich muss für unsere Tochter da sein. Das war das Einzige, was ich gedacht habe."
Die befreundete Frau entschied sich nach einiger Zeit mit der 45-Jährigen das Gespräch zu suchen.
Sie fand dann im Innenhof des Wohnhauses in der Wieden die Leiche und verständigte den Angeklagten, indem sie ihm per SMS mitteilte: "Die Karin liegt im Hof. Sie ist gesprungen."
Als der Witwer fünf Tage später von der Polizei als Zeuge zum vermeintlichen Suizid vernommen wurde, erwähnte er kein Wort von den tatsächlichen Umständen.
"Ich hab' den Gedanken nicht zugelassen, was ich getan habe", erklärte er dazu nun dem Schwurgericht.
Der fast perfekte Mord
"Es hätte beinahe der perfekte Mord sein können", betonte die Staatsanwältin. Nur dank des Gespürs einer Kollegin, die damals Journaldienst versah, und der raschen, präzisen Reaktion des zuständigen Gerichtsmediziners habe man entdeckt, dass es sich um keinen Freitod handelte.
Bei der sanitätspolizeilichen Beschau der Leiche waren charakteristische, auf eine Würgeakt hindeutende Spuren am Hals und Einblutungen in den Augen übersehen worden.
Die Obduktion ergab dann eindeutige Hinweise auf Fremdverschulden.
Nach seiner Festnahme hatte der Witwer gegenüber der Polizei angegeben, er hätte die Frau mit beiden Händen gepackt, über das 1,1 Meter hohe Geländer gehoben und dann losgelassen.
Davon wollte er vor Gericht nichts mehr wissen. Er wäre körperlich gar nicht in der Lage gewesen, die Frau über die Brüstung zu heben, bemerkte er.
"Ich bin generell nicht jemand, der sehr kräftig ist", sagte der 1,84 Meter große Mann, der seinen Grundwehrdienst bei der Garde absolviert hatte.
Die Bankerin wog zuletzt bei einer Größe von 1,75 Meter 52 Kilogramm. © APA
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