Wir alle hinterlassen permanent unseren genetischen Fingerabdruck. In der Kriminalistik liefert die DNA-Analyse heutzutage oft die entscheidenden Hinweise, wenn es darum geht, einem Täter auf die Spur zu kommen. Doch hat die Methode auch Grenzen? Darüber haben wir mit Dr. Ingo Bastisch, Leiter des Gen-Labors im Kriminaltechnischen Institut des BKA in Wiesbaden, gesprochen.
Herr Bastisch, ist die DNA-Forschung aus der Kriminalistik überhaupt noch wegzudenken?
Dr. Ingo Bastisch: Die DNA-Analyse ist aus sehr vielen Kriminalitätsbereichen nicht mehr wegzudenken. Überall da, wo täterseitig ein Kontakt stattfindet, bietet die DNA-Analyse Ermittlungsansätze und dient als beweiskräftige Aussage vor Gericht.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Nehmen wir als Beispiel den Einbruchsdiebstahl. Jemand schlägt eine Glasscheibe ein und verletzt sich dabei. Die Blutspur an der Glasscheibe ist für die DNA-Analyse sehr aussagekräftig und die Spur selbst für das Tatgeschehen sehr relevant.
In anderen Fällen ist es vielleicht weniger klar. Bei einem Diebstahl, bei dem beispielsweise ein Portemonnaie gestohlen wurde, finden sich vielleicht von einem Beschuldigten Körperzellen am Portemonnaie.
Trotzdem gibt es in diesem Fall immer noch die Möglichkeit, dass die Zellen nicht durch den Diebstahl, sondern auf andere Weise an den Gegenstand gekommen sind. Die DNA-Analyse ist in jedem Fall ein wichtiges Stück in der Beweiskette, das dann auch vor Gericht von einem Richter entsprechend bewertet wird.
Bislang darf mit der DNA-Spur nur das Geschlecht bestimmt und überprüft werden, ob die DNA schon im Zusammenhang mit anderen Straftaten aufgetaucht ist. Derzeit wird über die sogenannte erweiterte DNA-Analyse in Deutschland diskutiert, die in anderen Ländern bereits zulässig ist. Was sind Chancen, was Risiken dieser Methode?
In Deutschland darf die DNA-Analyse aktuell nur zur Identifizierung eingesetzt werden. Daher ist die Untersuchung seinerzeit gesetzlich auf den Teil der DNA beschränkt worden, der keine zusätzlichen Informationen wie zum Beispiel die Augenfarbe enthält. Bei allem anderen hat es sich der Gesetzgeber vorbehalten, zu gegebener Zeit neu zu entscheiden.
Bei der Auslegung der gesetzlichen Regelungen gibt es in Europa unterschiedliche Herangehensweisen. In Deutschland ist festgelegt, was ausdrücklich erlaubt ist. In England beispielsweise dagegen darf gemacht werden, was nicht explizit verboten ist. Das sind einfach unterschiedliche Vorgehensweisen.
Wie läuft die Ermittlung bisher und wie könnte sie zukünftig aussehen?
Wenn ein Ermittler am Tatort ein DNA-Profil sichert, das mit einem Tatverdächtigen- oder Beschuldigten-Profil verglichen werden kann, erhält er eventuell einen Treffer. Gibt es keinen Treffer, dann wird die gesicherte Spur mit der DNA-Analysedatei beim Bundeskriminalamt verglichen. Auf diese Datenbank können alle Bundesländer zugreifen. Dort sind Profile von bereits bekannten Straftätern gespeichert, aber auch DNA-Muster anderer Tatorte.
Ist diese Recherche auch erfolglos, aber die gefundene DNA tatrelevant, vielleicht sogar die einzige Spur, beispielsweise die Blutspur an der Glasscheibe, dann wären natürlich weitere Informationen aus der DNA für die Ermittler von großem Interesse.
Im Moment können wir nur sagen, ob nach einem Mann oder nach einer Frau als Täter gesucht werden muss. In den Niederlanden kann man auch sagen, dass der gesuchte Täter vielleicht braune Haare und blaue Augen hat.
Das kann die DNA-Analyse mittlerweile mit gewissen Wahrscheinlichkeitswerten vorhersagen. So können die Ermittler gleich in eine bestimmte Richtung schauen.
Was sind Grenzen der Methode?
Bei der DNA-Analyse zu Identifizierungszwecken sind wir gewohnt, eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung zu erhalten. Bei den äußerlich erkennbaren Merkmalen bewegen wir uns dagegen in geringeren Wahrscheinlichkeiten.
Da ist es vielleicht zu 80 Prozent möglich, dass jemand blaue Augen hat. In jedem fünften Fall weicht also die Realität von der Vorhersage ab.
Da ist also die Fehlerquote deutlich höher?
Wir sprechen nicht von einer höheren Fehlerquote, vielmehr ist ein Treffer unwahrscheinlicher. Und diese mögliche Abweichung kann man mit einem Wahrscheinlichkeitswert angeben.
Sollte die erweiterte DNA-Analyse zugelassen werden oder überwiegen die Risiken?
Sie hilft den Ermittlern, ihre Arbeit zu priorisieren. Wenn es einen Kreis von potenziellen Verdächtigen gibt, können sie sich zunächst auf diejenigen konzentrieren, auf die das DNA-Profil zutrifft. Polizeiarbeit kann so in bestimmten Fällen effektiver werden.
Die DNA-Analyse ist im Prinzip nichts anderes als eine Zeugenaussage. Nur dass in diesem Fall nicht ein Mensch eine Beobachtung gemacht hat, die ja auch mit einem gewissen Fehlerpotenzial behaftet sein kann, sondern dass es eine objektive Information mit einem bekannten Wahrscheinlichkeitspotential gibt, die die Polizeibeamten in ihre Ermittlungen einbeziehen können.
Wo würden Sie Grenzen ziehen?
Das ist ganz klar Aufgabe des Gesetzgebers. Es gibt bestimmte Abstufungen, welche Informationen schützenswert sind. Die äußeren Merkmale eines Menschen wie Haar- oder Augenfarbe gehören aus meiner Sicht nicht dazu.
Derzeit liegt der DNA-Test zur Ahnenforschung im Trend. Was halten sie davon?
Wer das macht, sollte sich darüber im Klaren sein, dass viele der anbietenden Firmen in Ländern beheimatet sind, in denen der Datenschutz nicht den gleichen Standard hat wie in Deutschland. Niemand kann also absehen, was mit seiner DNA passiert, nachdem er sie abgegeben hat.
Aktuell gibt es in den USA einen Fall, bei dem ein pensionierter Ermittler mit den Informationen von Ahnenforscherseiten einen Täter identifiziert hat. Ob das im Sinne des DNA-Spenders oder der Anbieter ist, ist fraglich. Die Amerikaner scheinen damit kein Problem zu haben, in Europa ist das anders.
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