Die meisten Berghütten sind in der Winterpause und die Wandersaison 2024 neigt sich dem Ende zu. Zeit, Bilanz zu ziehen.
In den vergangenen Monaten haben immer wieder schwere Bergunfälle für Schlagzeilen gesorgt. Von fatalen Unglücken mit tödlichem Ausgang war zu lesen.
Gab es 2024 tatsächlich besonders viele Unfälle im alpinen Gelände? Über Unglücke in den Bergen und warum sie passieren, haben wir mit Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein gesprochen. Er koordiniert dort das Krisenmanagement.
Herr Winter, hat es in dieser Saison überdurchschnittlich viele Unglücke in den Bergen gegeben?
Stefan Winter: Im Moment ist das für uns im Deutschen Alpenverein noch schwer abzuschätzen, weil wir weltweit Fälle sammeln und auswerten. Die genauen Fallzahlen liegen erst am Ende des Jahres vor.
Gefühlt wurde in den Medien 2024 sehr häufig über Bergunfällen berichtet.
Von der aktuellen Berichterstattung sollte man sich nicht täuschen lassen. Heutzutage wird sehr engmaschig über Bergunfälle berichtet. Bad News erzeugen Aufmerksamkeit. Bergunfälle sind teilweise spektakulär und diese Nachrichten bekommen viele Klicks. Aktuell kann ich eine Zunahme also weder bestätigen noch dementieren.
Menschen sind seltener leichtsinnig – aber dafür leichtfertig
Wann steigen die Fallzahlen während der Saison?
Generell steigen die Fallzahlen vor allem in den Ferienzeiten im Sommer und auch im Wander-Herbst, vor allem bei schönem Wetter. Dann sind viel mehr Leute unterwegs und es passiert einfach mehr. Wenn viele Leute mit dem Auto auf der Straße fahren, passieren auch mehr Unfälle.
Überschätzen sich viele Menschen, wenn sie in den Bergen unterwegs sind? Sind sie leichtsinnig oder haben vielleicht nicht die richtige Ausrüstung?
Leichtsinnig sind die Menschen heutzutage viel weniger als früher. Die Gesundheit hat so einen hohen Wert wie noch nie in Deutschland und in Mitteleuropa. Aber manche Leute sind manchmal leichtfertig, das heißt, sie haben eine mangelnde Kondition und Gehtechnik. An der Ausrüstung scheitert es meistens nicht. Wenn es eine Notlage oder einen Unfall gibt, dann liegt es oft an einer mangelhaften Tourenplanung und falschen Selbsteinschätzung.
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Gibt es Berge, an denen besonders viele Unfälle passieren?
Es gibt sehr beliebte "Hotspot-Berge", bei denen mehr passiert. Da sind dann aber auch mehr Leute unterwegs. Man muss das also in Relation sehen. Auf Bergen wie der Zugspitze sind ja Tausende von Leuten unterwegs, was die Konsequenz nach sich zieht, dass dort auch mehr Unfälle geschehen im Vergleich zu Bergen, an denen es sehr einsam ist.
Wie kommt es zu den Unfällen?
Die Ursachen sind häufig Stolpern, Ausrutschen und Hinfallen, gefolgt von Kreislaufproblemen.
Gehen die meisten Verletzungen glimpflich aus?
Häufige Verletzungsarten, die glimpflich ausgehen, sind Verrenkungen, Verstauchungen und Brüche, starke Blutergüsse, Prellungen und Abschürfungen. Gemessen an der Vielzahl der Leute, die unterwegs sind, gibt es relativ wenige Schwerverletzte oder gar Todesfälle.
Bei welcher Art von Bergsport passiert am meisten?
Am meisten passiert tatsächlich beim Wandern. Das liegt daran, dass Millionen Leute wandern. Das spiegelt sich dann in den absoluten Zahlen wider. Das soll jetzt aber nicht dazu verleiten, dass man meint, das sei ein gefährlicher Risikosport. Es gibt ein Risiko, aber das ist sehr gering.
Da ist der Wintersport riskanter?
Ja, das stimmt. Am meisten rückt die Bergwacht bei Unfällen auf der Skipiste aus. Und auch im DAV verzeichnen wir die meisten Unfälle beim Pistenskifahren.
Erfahrung schützt nicht immer vor fatalen Fehlern
Kann man definieren, welche Arten von Menschen besonders in Bergnot geraten?
Es sind grundsätzlich mehr Männer als Frauen betroffen. Bei den Todesfällen stehen Herz-Kreislauf-Probleme an der ersten Stelle. Da sind vor allem Männer ab 50 aufwärts betroffen. Weniger betroffen sind Anfänger, die sind tatsächlich eher sehr vorsichtig und einfach unterwegs.
Ausgebildete Leute, die beispielsweise einen Kletterkurs gemacht haben, machen weniger Fehler und haben ein geringeres Verletzungsrisiko. Aber auch sehr erfahrene Menschen sind nicht davor gefeit, einen entscheidenden, fatalen Fehler zu machen. Aber rein statistisch ist da das Risiko geringer.
Wie geht eine Rettung vonstatten?
Die Alarmierung erfolgt meist über das Handy. Damit gerät man in Deutschland in der Regel über den allgemein gültigen Notruf 112 an die Leitstelle. Von dort wird weitergegeben an den Einsatzleiter der Bergwacht, der dann Rücksprache hält, sich ein Bild der Lage macht und dann über die Einsatzmittel entscheidet. Sobald der Unfallort etwas abgelegener ist, wird, sofern verfügbar, auf einen Hubschrauber zurückgegriffen.
Wie lange dauert es, bis die Bergwacht nach einem Unfall vor Ort ist?
Je nach Abflugort hat der Hubschrauber Anflugzeiten zwischen zehn Minuten und einer Stunde. Wenn die Rettung erdgebunden ist, dauert es unter Umständen etwas länger.
Über den Gesprächspartner
- Stefan Winter ist Ressortleiter für Sportentwicklung in der DAV-Bundesgeschäftsstelle und koordiniert das DAV-Krisenmanagement.
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