Einem Gutachten zufolge seien die Angriffe eines 61-jährigen Deutschen mitursächlich für den Suizid der oberösterreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr. Die Impfbefürworterin erhielt während der Corona-Pandemie massive Drohungen. Jetzt hat der Prozess gegen den Mann begonnen.
Unter großem Medieninteresse hat am Mittwoch in Wels der Prozess gegen einen 61-jährigen Deutschen, der die oberösterreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr im Internet massiv bedroht haben soll, begonnen. Gemäß forensisch-psychiatrischem Gutachten seien die Angriffe mitursächlich für den Suizid der Medizinerin im Juli 2022 gewesen. Der Angeklagte, der sich nicht selbst äußerte, gibt laut den Verteidigern zwar einen Disput mit Kellermayr zu, bekannte sich aber nicht schuldig.
Die Impfbefürworterin Kellermayr hatte während der Corona-Pandemie über Monate massive Drohungen per E-Mail und über soziale Medien - mutmaßlich aus der Impfgegnerszene - erhalten. Am 22. November 2021 hatte sie erstmals Anzeige erstattet. Im Sommer 2022 schloss sie ihre Ordination aus Sicherheitsgründen. Einige Wochen später beging sie Suizid.
Verfasser von Morddrohungen unbekannt
Umfangreiche Erhebungen in Deutschland und in Österreich waren die Folge. Als ein Verfasser von Nachrichten, in denen Kellermayr u.a. angedroht wurde, sie vor ein Volkstribunal zu stellen, wurde ein 61-jähriger Deutscher ausgeforscht, der nun angeklagt ist. Allerdings laufen nach wie vor Ermittlungen hinsichtlich weiterer Drohnachrichten an Kellermayr, die zumindest von einer anderen, bisher noch unbekannten, Person geschickt worden sein dürften. Diese Mails enthalten drastisch ausformulierte Morddrohungen.
Der nun Angeklagte soll von Februar bis Juli 2022 in E-Mails sowie Twitter-Nachrichten (heute X, Anm.) angekündigt haben, die Medizinerin vor ein noch einzurichtendes "Volkstribunal" zu stellen und sie "auf die Anklagebank und dann sicher ins Gefängnis" zu bringen. Er bestreitet das auch nicht, sieht aber nur ein wechselseitiges Streitgespräch. Er bekannte sich daher nicht schuldig. In Österreich liegt nichts gegen den Mann vor, in Deutschland hat er elf Vorstrafen, davon fünf einschlägig, das meiste ist allerdings länger her. Der letzte Strafregister-Eintrag stammt aus dem Jahr 2010.
"Nicht der, den man gesucht, aber der, den man gefunden hat."
Verteidiger
Der 61-Jährige will sich im Verfahren nicht äußern. Verteidigerin Sonja Fasthuber verlas stattdessen eine längere Erklärung ihres Mandanten. Er sieht demnach die Korrespondenz mit Kellermayr "als Streitgespräch in einer angespannten Zeit". Dass Millionen Menschen, die sich vor einer neuen Impfung fürchten würden, "diskriminiert" worden seien, habe er "inhuman" gefunden. Er sei damals überzeugt gewesen, dass sich Menschen, die sich öffentlich so positionieren, strafbar machen würden. Mit dem "Tribunal" sei der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag gemeint gewesen, ergänzten die Anwälte des Mannes.
Verteidiger Martin Feigl wies in seinem Vortrag darauf hin, dass Kellermayr auf sozialen Medien mit Impfgegnern interagiert habe und dabei "resolut" aufgetreten sei. Sein Mandant habe den Suizid, den er zutiefst bedaure, nicht voraussehen können. Der Verteidiger stellte die Tat vielmehr in Zusammenhang mit Kellermayrs Krankengeschichte und den E-Mails des noch nicht ausgeforschten Darknet-Users. Sein Mandant, der unter seinem eigenen Firmenaccount agiert habe, sei also "nicht der, den man gesucht hat, aber der, den man gefunden hat".
Zeugen berichten von Angst Kellermayrs, getötet zu werden
Im Lauf des ersten Prozesstages wurden zahlreiche Postings verlesen und mehrere Zeugen gehört. Gegenüber Kollegen und Bekannten hatte Kellermayr über die Drohungen gegen sie gesprochen. Mehrere hatten den Eindruck, dass sie "tatsächlich Angst hatte, getötet zu werden". Allerdings bezogen sich diese Einschätzungen eher auf die dem unbekannten Täter zugeordneten Nachrichten.
Drei weitere Verhandlungstage sind vorgesehen, ein Urteil ist für 9. April geplant. Im Falle seiner Verurteilung drohen dem Angeklagten ein bis zehn Jahre Gefängnis. (apa/bearbeitet von nap)
Hilfsangebote
- Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 0800/1110-111 (Deutschland), 142 (Österreich), 143 (Schweiz).
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