Die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr erhielt während der Corona-Pandemie über Monate hinweg massive Drohungen, die sie in den Suizid getrieben haben sollen. In Wels läuft nun der Prozess gegen einen 61-jährigen Deutschen, der im Verdacht steht, sie im Internet bedroht zu haben.
Im Prozess gegen einen 61-jährigen Deutschen, der die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr im Internet massiv bedroht haben soll, waren am Mittwoch zahlreiche Zeugen am Wort. Der Sukkus ihrer Schilderungen: Kellermayr habe Angst gehabt und sich kaum mehr unter Leute gewagt. Hintergrund waren demnach Drohungen, wobei die beunruhigendsten Nachrichten nicht vom Angeklagten, sondern von einem nach wie vor Unbekannten kamen. Aber auch diverse andere Probleme hätten eine Rolle gespielt.
Ärztin muss Praxis aus Sicherheitsgründen schließen
Die Impfbefürworterin Kellermayr hatte während der Corona-Pandemie über Monate massive Drohungen per E-Mail und über soziale Medien - mutmaßlich aus der Impfgegnerszene - erhalten. Am 22. November 2021 hatte sie erstmals Anzeige erstattet. Im Sommer 2022 schloss sie ihre Ordination aus Sicherheitsgründen. Einige Wochen später beging sie Suizid.
Bei den Nachrichten an sie gibt es im Wesentlichen zwei Hauptstränge: Ein Darknet-User, der unter dem Fake-Namen "Claas" auftrat, schickte ihr drastisch ausformulierte Todes- und Folterdrohungen. Dem nun angeklagten Deutschen werden hingegen E-Mails und Twitter-Nachrichten (heute X) von Februar bis Juli 2022 zur Last gelegt, in denen er der Medizinerin ankündigte, sie vor ein noch einzurichtendes "Volkstribunal" zu stellen und sie "auf die Anklagebank und dann sicher ins Gefängnis" zu bringen. Kellermayr antwortete auch immer wieder auf seine Nachrichten.
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Zeugen sprechen von Folter- und Todesdrohungen
Der Angeklagte bestreitet die Mails und Tweets auch nicht, sieht aber nur ein wechselseitiges Streitgespräch. Er bekannte sich daher beim Prozessstart am Mittwoch nicht schuldig. Am zweiten Verhandlungstag, dem Donnerstag, waren zahlreiche Zeugen am Wort. Eine von ihnen, die privat in Kontakt mit Kellermayr war, schilderte, dass sich die Ärztin bedroht gefühlt und nicht mehr vors Haus getraut habe. Anlass sei ein ganzes "Knäuel" an Drohungen gewesen, allen voran die Folter- und Todesdrohungen des unbekannten "Claas", aber auch jene mit dem Volkstribunal, die der Angeklagte geäußert haben soll. Hinzu seien auch finanzielle Probleme gekommen.
Kellermayr soll massive Angst gehabt haben
Ihr gegenüber habe die Ärztin einmal ganz konkrete Suizidgedanken geäußert, berichtete die Zeugin. Sie habe damals nur deshalb darauf verzichtet, die Rettung zu rufen, weil Kellermayr versprochen habe, sich sofort in Behandlung zu begeben. Auch eine ehemalige Mitarbeiterin der Ärztin berichtete von Suizidgedanken ihrer Chefin. "Kurz vor der Schließung der Ordination ist etwas mit ihr passiert", sagte sie. Vor allem habe sich die Medizinerin vor "Claas" gefürchtet, so die Einschätzung der Frau. Aber als sie festgestellt habe, dass der andere Absender - der Angeklagte - zahlreiche Vorstrafen habe, habe ihr das auch Angst gemacht. Kellermayr hatte in einem ihrer Abschiedsbriefe auch auf die Nachrichten des Angeklagten Bezug genommen.
Angeklagtem drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis
Eine Datenexpertin hatte Kellermayr geholfen, den Absendern der Drohungen im Netz auf die Spur zu kommen. Dabei ging es aber offenbar stärker um den noch unbekannten Täter. Der Angeklagte sei ohnehin leicht zu identifizieren gewesen, weil er mit seiner eigenen Adresse geschrieben habe. Es habe Kellermayr vor allem Angst gemacht, dass jemand mit offener Identität solche Dinge schreibe, beschrieb die Frau ihren Eindruck. Der Angeklagte sei ganz offensichtlich davon überzeugt gewesen, im Recht zu sein. "In solchen Milieus ist es üblich, dass sie ein anderes Verständnis für Gerechtigkeit haben", meinte sie.
Im Lauf des Tages standen noch weitere Zeugeneinvernehmen am Programm. Ein Urteil ist für 9. April geplant. Im Falle seiner Verurteilung drohen dem Angeklagten ein bis zehn Jahre Gefängnis. (APA/bearbeitet von amb)
Hilfsangebote
- Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 0800/1110-111 (Deutschland), 142 (Österreich), 143 (Schweiz).
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