Obwohl gegen ihn Anfang Oktober eine Anklage wegen terroristischer Vereinigung eingebracht wurde, hat sich ein womöglich in die Anschlagspläne verwickelter 18-Jähriger zum Zeitpunkt des Attentats auf freiem Fuß befunden.

Mehr Panorama-Themen finden Sie hier

Er wurde erst am Tag danach festgenommen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft Wien "wäre auf Basis der vorliegenden Anklage eine U-Haft unverhältnismäßig gewesen". Bekannt wurde am Montag auch, dass die Observation des späteren Attentäters abgebrochen wurde.

Im Gespräch mit der APA verwies Behördensprecherin Nina Bussek auf das jugendliche Alter - zum Zeitpunkt, als die inkriminierten Tathandlungen einsetzten, war der Bursch 16 Jahre alt - und die bisherige Unbescholtenheit des nunmehr 18-Jährigen. Außerdem enthalte der Terror-Paragraph § 278b Abstufungen.

Delikte des 18-Jährigen eher "im niederschwelligen Bereich"

Die Delikte, die man dem 18-Jährigen in der rechtswirksamen Anklage vorwerfe, seien eher im niederschwelligen Bereich angesiedelt: "Seine Tathandlungen haben sich im Wesentlichen darauf beschränkt, Propagandamaterial in Chats zu teilen."

Den späteren Attentäter habe er zwar mit Zuspruch bestärkt, diesem aber keine darüber hinausreichende Unterstützung geboten. Da es überdies keine Hinweise auf gewalttätiges Verhalten gegeben habe, hätte es mit dem Wissensstand beim Einbringen der Anklage keine hinreichenden Haftgründe gegeben, sagte Bussek.

Am vergangenen Wochenende wurde über den 18-Jährigen und neun weitere mutmaßliche Islamisten die U-Haft verhängt, weil sie verdächtigt werden, in das Blutbad in der Innenstadt möglicherweise verwickelt oder zumindest eingeweiht gewesen zu sein. Ermittelt wird gegen die Männer wegen des Verdachts auf Beteiligung am Mord, an einer kriminellen Organisation und terroristischer Vereinigung.

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen um den Terror-Anschlag in Wien stellt sich unterdessen immer drängender die Frage, weshalb die Observation des späteren Attentäters abgebrochen wurde. Mitte Juli hatten sich mehrere Terror-Verdächtige in Wien verabredet.

Der Attentäter und sein Netzwerk wurden dabei tagelang vom Verfassungsschutz beobachtet. Just zu dem Zeitpunkt, als sich der Attentäter in der Slowakei Munition kaufen wollte, stellte der Verfassungsschutz seine Observationen ein.

Verfassungsschutz war von Kollegen aus Deutschland gewarnt worden

Dabei hatten die Staatsschützer nach Informationen der APA detailliert beobachtet, wie der 20-Jährige und sein Wiener Bekanntenkreis vier islamistische Gesinnungsgenossen aus Deutschland und der Schweiz am Flughafen Schwechat abholten.

In weiterer Folge sollen sie den ausländischen Gästen ein Kennenlernen der Bundeshauptstadt und - wie zu vermuten ist - der lokalen Islamisten-Szene ermöglicht haben.

Der spätere Attentäter und einige seiner Bekannten, die seit dem Wochenende wegen mutmaßlicher Mitwisserschaft bzw. Mittäterschaft am Blutbad in Wien in U-Haft sitzen, führten die Deutschen und Schweizer in unterschiedlicher Zusammensetzung zum Essen aus.

Sie besuchten mit diesen Moscheen zum gemeinsamen Gebet und ließen sie in ihren Wohnungen übernachten. Auch einige Sehenswürdigkeiten der Stadt sollen sie den Glaubensbrüdern gezeigt haben.

Der heimische Verfassungsschutz war von Kollegen aus Deutschland gewarnt worden, dass zwei mutmaßliche Dschihadisten auf dem Weg nach Wien waren.

Weshalb der spätere Attentäter und sein engeres Umfeld nicht mehr überwacht wurden, nachdem die beiden Deutschen von ihrem Wien-Aufenthalt zurückgekehrt waren, ist weiter unklar. (APA/dh)  © APA

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.