• Die große Mehrheit derjenigen, die dieser Tage wegen Covid-19 auf der Intensivstation liegen, ist nicht geimpft. Damit eine vierte Welle glimpflich verläuft, müsste die Impfquote eigentlich höher sein.
  • Studien zufolge liegt der Anteil der nicht geimpften Menschen in Deutschland (über 12 Jahre) bei rund 20 Prozent, etwa die Hälfte davon sind harte Impfverweigerer.
  • Unter den Ungeimpften sind viele junge Frauen, offenbar gibt es hier eine große Unsicherheit, ob eine Impfung negative Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit hat.

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Bereits seit Mitte Juli wird die Impfkurve immer flacher. Zwar werden im Schnitt pro Tag immer noch knapp 120.000 Menschen in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft. Die Quote der Geimpften in der gesamten Bevölkerung liegt aber unter dem, was sich das Robert-Koch-Institut (RKI) für eine möglichst glimpfliche vierte Welle im Herbst und Winter wünschen würde: nämlich eine Quote zwischen 85 und 90 Prozent.

Wie weit wir in Deutschland davon weg sind, ist nicht ganz klar. Die Daten, die das RKI von den Ärzten über das Digitale Impfquoten-Monitoring (DIM) bekommt und die in das Impfdashboard von RKI und Bundesgesundheitsministerium einfließen, ergeben eine Quote von rund 65 Prozent für die gesamte Bevölkerung, mit Impflücken vor allem bei den 18- bis 59-Jährigen (29 Prozent noch nicht geimpft) und den 12- bis 17-Jährigen (57 Prozent noch nicht geimpft). Für die unter 12-Jährigen gibt es noch keinen Impfstoff (sie werden in dieser Statistik aber auch nicht mitgezählt) und bei den Jugendlichen muss berücksichtigt werden, dass es hier erst seit August eine offizielle Impfempfehlung gibt.

Von den rund 20 Prozent nicht Geimpften sind die Hälfte "Impfverweigerer"

Blick man also vor allem auf die jungen bis mittelalten Erwachsenen, sagen die Daten: Rund ein Drittel von ihnen ist noch nicht geimpft. Weil nicht alle Ärzte ihre Impfungen über das System melden, ist diese Zahl wahrscheinlich etwas zu hoch; das RKI schätzt auch auf Basis seiner eigenen Telefonbefragungen, der COVIMO-Studie, wonach die Quote der nicht geimpften 18- bis 59-Jährigen nur 16 Prozent beträgt: Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte, bei um die 20 Prozent. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die COSMO-Studie der Universität Erfurt, wie COVIMO eine Telefonbefragung von Erwachsenen.

COSMO erarbeitet auf Grundlage der Antworten aus den Telefonaten Empfehlungen - und hat sich deswegen zuletzt sehr ausführlich mit der Frage beschäftigt: Wer sind eigentlich die Menschen, die noch nicht geimpft wurden? Sind es mehr Frauen oder mehr Männer? Wie alt sind sie? Wo wohnen sie? Welche Gründe geben sie an, dass sie noch nicht geimpft sind? Und: Wen von ihnen kann man überhaupt noch erreichen?

Dabei machen die COSMO-Zahlen klar: Die sogenannten Impfverweigerer sind keine kleine Gruppe, aber es sind bei Weitem nicht alle, die noch nicht geimpft sind, Impfverweigerer. Von den rund 20 Prozent nicht geimpften Menschen ist es etwas mehr als die Hälfte. Diese "Impfverweigerer" sind keine Zögerer, keine Unentschlossenen, sondern Menschen, die (zumindest zum jetzigen Zeitpunkt) sagen: Nein, ich möchte und werde mich nicht impfen lassen. Von denjenigen, die nicht strikt gegen das Impfen sind, ist rund die Hälfte bereit sich noch impfen zu lassen, die andere Hälfte ist unentschlossen.

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Ungeimpfte: Mehr Jüngere, mehr Frauen

Generell sind die Ungeimpften laut der Studie eher jünger, was wohl zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass viele von ihnen anscheinend keine Angst haben, schwer an COVID-19 zu erkranken. Dass unter den Ungeimpften darüber hinaus aber auch mehr Frauen als Männer sind, ist für die COSMO-Studienautoren ein Hinweis darauf, dass viele Frauen befürchten, die Impfung könnte sich negativ auf ihre Fruchtbarkeit auswirken.

Sie sehen junge Frauen deswegen als wichtige Zielgruppe für eine gute Impfaufklärung an. Dass mehr Informationen zu diesem Thema insgesamt nicht schaden könnten, zeigt eine andere Zahl: In der COVIMO-Studie des RKI war sich von allen Befragten jeder Zweite unsicher, ob die Impfung auch bei Kinderwunsch sicher ist.

Ein weiteres Merkmal der ungeimpften Gruppe mag damit zusammenhängen: niedrige Bildung. Zwar ist die Unsicherheit beim Thema Fruchtbarkeit insgesamt recht groß, jedoch macht es ein niedriger Bildungsstand in der Regel schwieriger, Informationen (auch falsche) einzuordnen. Dass viele der Ungeimpften nach eigenen Angaben außerdem niemanden kennen, der an Covid-19 erkrankt ist, trägt wohl zu der Schlussfolgerung bei: Warum soll ich mich dem (als hoch wahrgenommenen) Risiko einer Impfung aussetzen, wenn für mich dadurch keine Vorteile, sondern eigentlich nur Nachteile entstehen?

Dazu passt auch, dass Ungeimpfte weniger häufig als Geimpfte sagen, dass sie glauben, eine Impfung könnte ihnen wieder mehr Normalität bescheren. Warum sie das denken, ist nicht ganz eindeutig. Aber die Studie hat auch ergeben, dass Ungeimpfte tendenziell weniger Abstand halten, Maske tragen und Kontakte einschränken. Vielleicht haben sie sich also einfach schon immer weniger eingeschränkt und deswegen nicht so einen großen Druck, etwas zu verändern.

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Praktische Hürden sind bei den Verweigerern nicht das Problem

Es sind aber auch andere Beweggründe denkbar: So hat die Befragung ergeben, dass es einen Zusammenhang zwischen der Impfbereitschaft und dem Vertrauen in die Politik gibt. Je geringer das Vertrauen in die Politik ist (in Ostdeutschland war es laut der Studie besonders gering), desto geringer ist auch die Impfbereitschaft (auch das insbesondere im Osten).

Besonders wichtig ist für viele nicht Geimpfte die Frage: Ist der Impfstoff sicher? Sind die Nebenwirkungen zu vernachlässigen, gibt es keine "Langzeitnebenwirkungen"? Hier hilft nach Meinung der Studienautoren nur: Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Und zwar am besten direkt und individuell, also zum Beispiel bei einem Arztbesuch.

Überhaupt einen Termin zu vereinbaren, wird von einigen Ungeimpften auch immer noch als Problem gesehen. Hier das Angebot noch niedrigschwelliger zu machen, könnte also auch Menschen motivieren, zur Impfung zu gehen. Die Studienautoren empfehlen deswegen, noch mehr in den Firmen und in den Schulen zu impfen.

Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung - oder doch Impfanreize?

Ingesamt lässt sich feststellen: Es gibt nicht den oder die typischen Ungeimpften. Zwar könnte die Ansprache in anderen Sprachen noch verbessert werden (Stichwort: Migrationshintergrund), generell gibt es das größte Potenzial aber wohl bei den jüngeren Leuten.

Neben Aufklärung bringen einige Wissenschaftler hier auch immer wieder Anreize wie Geldzahlungen ins Spiel. In den Studien der Uni Erfurt und des RKI wurde das nicht abgefragt, Forscher wie die Wirtschaftswissenschaftlerin Nora Szech vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sind aber überzeugt, dass das etwas bringen würde. Szech hat mit Marta Serra-Garcia von der University of California San Diego eine Studie zum Thema Impf- und Testanreize veröffentlicht.

Sie schrieb unserer Redaktion auf Anfrage: "Griechenland motiviert jüngere Menschen schon länger mit 150 Euro Impfbonus. Solch eine Maßnahme wäre auch hierzulande wichtig." Auch rückwirkende Kompensationen seien denkbar oder ein Impfbonus in Form von Gutscheinen, etwa für Restaurantbesuche, Shopping oder kulturelle Angebote - und das nicht nur für Jüngere, sondern für alle Impfwilligen. "Jeder der sich impfen lässt, schafft laut ifo-Institut einen Wert von 1.500 Euro für die Gemeinschaft. Wir sollten den Impfbereiten zumindest einen Bruchteil davon abgeben", findet Szech.

Verwendete Quellen:

  • Antworten per Mail von Professor Nora Szech, Inhaberin des Lehrstuhls für Politische Ökonomie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
  • Website des Robert Koch-Instituts (RKI)
  • Epidemiologisches Bulletin 27/2021 des RKI
  • COSMO-Studie: Wellen 48 bis 51 (Befragungszeitraum 27. Juli bis 8. September 2021; veröffentlicht am 10. September 2021): Zusammenfassung
  • COVIMO-Studie des RKI, 7. Report (Befragungszeitraum 26. Juli bis 18. August 2021; veröffentlicht am 7. Oktober)
  • Impfdashboard des RKI und des Bundesgesundheitsministeriums
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