• Bei einem Aufmarsch von Gegnern der Corona-Maßnahmen in Wien kam es zu Tumulten und Übergriffen gegen Medienvertreter.
  • Laut Polizei waren etwas mehr als 10.000 Menschen auf der Straße, auch Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache nahm an der Demo teil.

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Der Aufmarsch von Gegnern der Corona-Maßnahmen in Wien hat am Samstag friedlich begonnen, aber dann gab es doch Tumulte, beinahe Zusammenstöße mit Gegendemonstranten und Übergriffe gegen Medienvertreter. Polizeisprecher Markus Dittrich bestätigte, dass es bis zum frühen Abend fünf Festnahmen gegeben habe. Aus Polizeikreisen erfuhr die APA von zwei weiteren. Laut Polizei marschierten etwas mehr als 10.000 gegen die Corona-Maßnahmen, laut Veranstalter mehr als 50.000.

Bis 14.00 Uhr hatten sich etwa 6.000 bis 7.000 Aktivisten auf dem Maria-Theresien-Platz versammelt, weitere 3.000 nach Angaben von Dittrich auf dem Heldenplatz. Auch aus der rechtsextremen Szene gab es, wie im Vorfeld schon erwartet, regen Zulauf. Gegen 14.30 Uhr versammelten sich die beiden Gruppen auf dem Ring. Die Einhaltung des Covid-19-Maßnahmengesetzes interessierte die Manifestanten nicht wirklich, Mund-Nasen-Schutz war kaum zu sehen, auch bei Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache zumindest zeitweise nicht. Abstandsregeln wurden ebenfalls nicht eingehalten. Nach Kritik in sozialen Netzwerken twitterte die Polizei: "Zahlreiche Identitätsfeststellungen wegen Missachtung der COVID Auflagen sind bereits erfolgt. Die Betroffenen werden natürlich auch angezeigt."

"Schmeißts den dreckigen Fetzen endlich weg"

Verwunderlich war das Nichtbefolgen der Maßnahmen nicht: Bei den Eröffnungsreden am Maria-Theresien-Platz hatte sich eine Sprecherin bereits in derben Worten gegen die Pflicht, Mund-Nasen-Schutz zu tragen und Abstand zu halten, gewandt: "Schmeißts den dreckigen Fetzen (gemeint: Maske, Anm.) endlich weg", forderte sie die Demonstranten auf. Anmerkung: Zahlreiche Studien haben bereits die Wirksamkeit von Masken untersucht. Eine übergreifende Analyse mehrerer Studien, die im Juni 2020 im Fachblatt "The Lancet" veröffentlicht wurde, war schließlich zu dem Schluss gekommen, dass eine Maske das Infektionsrisiko messbar verringert. Johannes Knobloch, Leiter des Bereichs Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, erläuterte im vergangenen Oktober: "Wir wissen, dass eine Maske Tröpfchen abhält und die Übertragung von Aerosolen vermindert. Somit sollte die Zahl der Tröpfcheninfektionen durch eine Maske deutlich reduzierbar sein, die Übertragung von Aerosolen in vielen Situationen ebenfalls."

Der zunächst friedliche Marsch über den Ring entgegen der Fahrtrichtung eskalierte auf Höhe des Stubentors: Eine Gruppe von etwa 15, 20 Gegendemonstranten hatte sich auf die Fahrbahn gesetzt und blockierte den Marsch. "Wir impfen euch alle", schleuderten sie den Anti-Corona-Aktivisten entgegen. Hooligans aus der Fußballszene versuchten sie zu attackieren, die Polizei trennte aber die beiden Gruppen. Die Hooligans richteten ihre Aggressionen auf Medienvertreter. Ein Kameramann der APA berichtete, dass die Aktivisten ihn anpöbelten und bedrohten. Der freie Journalist Michael Bonvalot schrieb auf Twitter, ein Fotograf sei geschlagen und getreten worden, auch er selbst wurde bedroht.

Zahlreiche Rechtsextremisten unter den Demonstranten

Die Polizei löste die Blockade schließlich auf und stellte die Identitäten der Aktivisten fest. Der Aufmarsch der Anti-Corona-Aktivisten wurde fortgesetzt und erreichte gegen 17.30 Uhr wieder den Heldenplatz, wo die Kundgebung nach kurzer Zeit beendet wurde und die Aktivisten zunächst noch auf den Maria-Theresien-Platz weiterzogen. Dort ging die Versammlung mit einigen Reden bis etwa 18.30 Uhr weiter.

An der Demo nahmen auch zahlreiche Rechtsextremisten teil. Polizeikreise bestätigten der APA, dass der Sprecher der rechtsextremen Identitären, Martin Sellner, auf der Demo war. Aus Polizeikreisen erfuhr die APA auch, dass der mehrfach verurteilte Neonazi Gottfried Küssel mit zwei Bussen voller Gesinnungsgenossen aus dem Raum Oberwart und alten Mitstreitern aus Zeiten der verbotenen Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition (VAPO) aus dem Langenloiser Raum bei der Demo war. Es gibt demnach laut Erkenntnissen von Verfassungsschützern starke Hinweise darauf, dass Küssel Kader aus VAPO-Zeiten wieder um sich scharen will. Die VAPO war eine 1986 gegründete militante neonazistische Gruppe, die laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes nie als Partei oder Verein konstituiert war. Küssel war ihr Vorsitzender, die VAPO wurde Mitte der 1990er-Jahre zerschlagen.

Gegen 13.00 Uhr war eine Gegendemo am Eck Stephansplatz-Graben gestartet. Laut Polizeisprecher Markus Dittrich waren es zunächst etwa 150 bis 200 Manifestanten aus dem linken Spektrum von VSStÖ und Sozialistischer Jugend bis zu Antifa-Organisationen, die daran teilnahmen. Die Demo richte sich gegen den "Wahnsinn, der heute am Heldenplatz stattfindet", meinte ein Redner. (apa/fra)

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