Weltweit, auch in Deutschland, haben Medien berichtet, dass die zentralasiatische Diktatur Turkmenistan das Wort "Coronavirus" verboten habe. Doch Recherchen zeigen: Das stimmt so nicht, die Situation ist viel komplexer.
Turkmenistan ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten – zumindest für Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow, der das zentralasiatische Land diktatorisch regiert.
Der gelernte Zahnarzt schottet das muslimische Land nach außen ab, die ehemalige sowjetische Teilrepublik zählt zu den repressivsten Regimen der Welt. Die Bevölkerung wird nur einseitig informiert.
Da würde es durchaus ins Bild passen, dass Berdimuhamedow nun das Wort "Coronavirus" verboten haben soll. Das vermeldeten in den vergangenen zwei Tagen zahlreiche deutschsprachige und internationale Medien, darunter die Deutsche Presse-Agentur (dpa), "Der Spiegel", NTV, "T-Online.de", "Taz", "Redaktionsnetzwerk Deutschland", "Tag24", "Watson", "Blick", "The Independent", NPR, "Newsweek", ABC News, Fox News und CBS News.
Das Problem ist: Es stimmt so nicht.
Will Turkmenistan das Coronavirus aus dem Sprachgebrauch verdrängen?
Den Medienberichten zufolge wolle Turkmenistan das Coronavirus aus dem täglichen Sprachgebrauch verdrängen. Notfalls sogar mit Staatsgewalt. Laut dpa könne selbst der, der die Pandemie in Privatgesprächen erwähne, festgenommen werden.
Eine Google-Suche zeigt aber: Regierungswebseiten verweisen nach wie vor sehr wohl auf das Virus. So erklärt die turkmenische Botschaft in Moskau prominent auf der Startseite: "ACHTUNG: Aufgrund der aktuellen, weltweiten epidemiologischen Situation aufgrund der Ausbreitung einer neuen Coronavirus-Infektion (...) wird die Konsularabteilung der Botschaft Turkmenistans in Russland auf Fernzugriff umstellen." Für die Einreise müsse eine Bescheinigung über das Nichtvorhandensein der Infektion eingereicht werden. In Russland arbeiten viele Turkmenen als Gastarbeiter.
Und am 25. März berichtete die staatliche Nachrichtenagentur über die Bemühungen der Regierung, die Heimreise von Turkmenen aus Ländern zu organisieren, "in denen eine Epidemie neuer Coronaviren herrscht". Laut der Meldung werden auch in Turkmenistan selbst "umfassende Präventiv- und Sensibilisierungsmaßnahmen" durchgeführt.
Auch etliche private, ebenfalls vom Staat kontrollierte Medien hätten in den vergangenen Wochen Artikel über das Coronavirus veröffentlicht, wie die auf Zentralasien spezialisierten Nachrichtenseiten "Eurasianet" und "Novastan" aufzeigen. Ebenso hatte das turkmenische Gesundheitsministerium selbst am Dienstag auf einer Pressekonferenz zur COVID-19-Lage im Land informiert, wie "Euronews" bemerkt.
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Kein Verbot des Wortes "Coronavirus"
Diese Beispiele widersprechen einem offiziellen, generellen Verbot, wie vielfach behauptet wurde. Tatsächlich ist die Situation um das Coronavirus in dem Land komplexer.
Die meisten Medienberichte über das Verbot berufen sich auf einer am Dienstag veröffentlichte Meldung von Reporter ohne Grenzen (RSF). Die Organisation mit Hauptsitz in Paris setzt sich international für die Pressefreiheit ein, eine solche ist in Turkmenistan faktisch nicht existent. In dem Land gibt es weder unabhängige Medien noch Journalisten, die frei berichten können.
In der ursprünglichen Fassung des RSF-Statements, die auch die deutsche Sektion am Mittwoch verbreitete, hieß es: "Turkmenistan verbietet das Wort 'Coronavirus'". Die Organisation beruft sich dabei unter anderem auf eine am 17. März veröffentlichte Meldung des "Turkmenistan Chronicle", einer laut RSF unabhängigen Nachrichtenquellen Turkmenistans, deren Webseite im Land selbst blockiert ist. Demnach wurde das Wort "aus den Gesundheitsinformationsbroschüren entfernt, die in Schulen, Krankenhäusern und an Arbeitsplätzen verteilt werden", schreibt RSF.
Daneben führt die NGO Berichte von Journalisten aus der Hauptstadt Aschgabat an, wonach öffentliche Gespräche über das Virus mit Festnahmen endeten. Offensichtlich gibt es also Versuche der Regierung, zumindest Informationen über die Ausbreitung des Coronavirus im Land zu unterdrücken. Das allerdings ist kein Verbot des Wortes, wie die vielen Gegenbeispiele zeigen.
Am Donnerstag hat RSF seine Meldung abgeschwächt und stellt nun voran: "Die turkmenischen Behörden vermeiden so weit wie möglich die Verwendung des Wortes 'Coronavirus', um die Verbreitung von Informationen über die Pandemie zu verhindern."
Coronavirus-Situation in Turkmenistan
Turkmenistan hat bereits seit Längerem Vorsichtsmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie getroffen, wie auch RSF erklärt: Bereits Ende Januar hat das Land die meisten seiner Grenzen geschlossen, an Bahnhöfen und Bushaltestellen werde die Temperatur der Menschen gemessen. An gut besuchten Orten und in Bankfilialen sollen Feuchttücher ausgeteilt worden sein. Dort müssten sich Menschen auch Desinfektionsspray in den Mund sprühen. Veranstaltungen seien aber nicht verboten.
Ob als Reaktion auf die weltweiten Berichte oder bereits länger geplant: Wie die turkmenische Nachrichtenseite "Arzuw News" am Mittwoch vermeldete, hat das Gesundheitsministerium Turkmenistans nun "eine Hotline für Fragen im Zusammenhang mit der COVID-19-Infektion eingerichtet".
Offiziell hat sich bisher niemand in Turkmenistan mit dem Virus infiziert. Unabhängigen Berichten zufolge soll es aber bereits erste Corona-Fälle geben – Turkmenistan grenzt direkt an den vom Virus besonders stark betroffenen Iran.
Verwendete Quellen:
- "Eurasianet": "Turkmenistan has not banned 'coronavirus'"
- "Novastan": "Medienkritik: Turkmenistan hat den Begriff „Coronavirus“ nicht verboten"
- Reporter without Borders: "Coronavirus off limits in Turkmenistan"
- Reporter ohne Grenzen: "Turkmenistan verbietet das Wort 'Coronavirus'"
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