Während andere Kultureinrichtungen wieder Besucher einlassen dürfen, bleiben Clubs in Deutschland weiterhin geschlossen. Die Branche ist in einer prekären Lage. Doch von München bis Berlin entstehen erste Konzepte, um das Feiern trotz der Coronakrise möglich zu machen. Ein Blick auf zwei deutsche Großstädte und die Situation ihrer Clubszene.
Mehrere hundert Boote auf dem Berliner Landwehrkanal, eng gedrängt, laute Musik, Discokugeln neben Traumfängern: Als sich Ende Mai in der Hauptstadt auf diese Weise Tausende Menschen sammelten, um gegen die Schließung der Clublandschaft zu demonstrieren, gab es viele empörte Stimmen.
Egoistischer Hedonismus sei das, so der Kanon auf den sozialen Netzwerken. Unverantwortlichkeit attestierte nicht nur die Landespolitik, sondern insbesondere auch die Vertretung der ortsansässigen Nachtclubs selbst, die Berliner Club Commission.
Hier hatte man in der Zwischenzeit nämlich bereits begonnen, ernsthafte Ideen zu sammeln, um Clubs einigermaßen pandemiegerecht wieder öffnen zu können - und war sich gleichzeitig bewusst, dass es das Feiern wie zuvor so schnell nicht mehr geben wird.
"Wissen, dass es aktuell keinen Sinn ergibt, Clubs wieder zu öffnen"
Bis heute sieht der Berliner Verband seine Clubs nicht in absehbarer Zeit zu alter Form zurückkehren. "Wir wissen, dass es aktuell keinen Sinn ergibt, Clubs wieder zu öffnen", sagt Pressesprecher Lutz Leichsenring im Gespräch mit unserer Redaktion.
Doch in Berlin gebe es einen engen Austausch mit der Politik, mit einem "Tag der Clubkultur" werde die Bedeutung für die Stadt öffentlich betont. Man müsse nun an Alternativen arbeiten, so Leichsenring. Damit eine Branche, die sich aufgrund der Pandemie in einer äußerst prekären Lage befindet, wieder auf die Beine kommt.
In Bayern hört sich das allerdings etwas anders an: Dort empfahl Ministerpräsident
Bayern und Berlin, das sind auch sonst zwei Gegenstücke deutscher Mentalität, doch im Umgang mit der Clubkultur zeigt sich das vielleicht in besonderer Weise: In Berlin werden Clubs als Kulturorte definiert. "Da sind wir anderen Städten vielleicht ein bisschen voraus", formuliert es Leichsenring.
Münchner Clubs werden nicht wie Theater und Co. unterstützt
Aus diesem Grund gebe es auch während der Pandemie andere Möglichkeiten zur Förderung als für den Rest der Veranstaltungs- und Gastronomiebranche. In Bayern ist das beispielsweise nicht der Fall und so werden Münchner Clubs nicht durch jene Corona-Hilfen unterstützt, wie sie Theater, Opern, Kinos zu retten versuchen.
"Da schwingt schon das Gefühl mit, dass gerade junge Menschen und Kulturschaffende zu kurz kommen", sagt Dierk Beyer. Er ist Vorstand im Verband der Münchner Kulturbetreiber (VDMK) und unter anderem für die Münchner "Nachtgalerie" und den Club "neuraum" verantwortlich.
Die bayerischen Hilfsprogramme seien einfach unzureichend - "und das, obwohl es vielleicht keine Branche gibt, die so stark betroffen ist wie wir", so Beyer. Im Durchschnitt sind es zwischen 80 und 100 Prozent an Umsatz, die Veranstalter während der Pandemie verloren haben.
Beyer berichtet von Fällen, in denen vor allem kleinere Clubs nicht in die Corona-Hilfen eingeschlossen werden, weil sie bestimmte Auflagen nicht erfüllen. "Starke und komplizierte Reglementierungen führen dazu, dass manche Unternehmer überhaupt keine Förderung bekommen", sagt der Clubbetreiber.
Berliner Club Commission versucht, einen Schritt weiter zu gehen
In Bayern seien durch die aktuellen Bestimmungen gerade kleinere Clubs weiterhin gefährdet, berichtet Beyer. Meist hänge die finanzielle Situation allein davon ab, ob die Vermieter der Räumlichkeiten mit niedrigeren Mieten entgegenkommen oder es Möglichkeiten gibt, Veranstaltungen im Freien zu veranstalten.
"Das ist schade, da wir in München gerade von der Vielfalt der Clubs leben", sagt Beyer. Während Clubbetreiber im Freistaat also vor allem noch um Hilfsgelder kämpfen, versucht die Berliner Club Commission schon, einen Schritt weiter zu gehen.
Berlin legt Hoffnung in Nutzung der Außenbereiche
Hier entwickelt man Konzepte für Clubs in einer Welt mit Corona, zusammengebaut aus Eindrücken aus der ganzen Welt, von London über Antwerpen bis Seoul. In Berlin legt man besondere Hoffnung auf die Nutzung der Außenbereiche, möglicherweise durch kulturelle Zusatzangebote, die auch untertags stattfinden können.
Aus gesundheitlicher Sicht seien jedenfalls alle Maßnahmen sinnvoll, die Abstand und Handhygiene gewährleisteten, bestätigt Friedrich Pürner, Arzt und Epidemiologe. Dass sich Viren in geschlossenen Räumen und Menschenmassen leichter ausbreiteten, könne man jährlich in der Grippesaison beobachten.
Pürner leitet das Gesundheitsamt einer bayerischen Gemeinde, kennt aus seinem Alltag also auch eine Vielzahl an Hygienekonzepten, die seit Beginn der Pandemie vorgelegt und geprüft werden. Doch nicht immer ergebe ein solches Konzept überhaupt Sinn, sagt Pürner.
Arzt: "Dann könnten Clubs vermutlich nie wieder aufmachen"
Jegliche Konzepte zur Öffnung von Clubs entstünden zum jetzigen Zeitpunkt nur aus - verständlichem - Aktionismus. Doch ginge es streng nach dem Infektionsschutz, sei seine Prognose klar.
"Dann könnten Clubs vermutlich nie wieder aufmachen", sagt er. So einfach lasse sich das allerdings nicht entscheiden, gerade da es sich hier um zentrale soziale Treffpunkte für junge Menschen handle.
Wenn sich das Feiern nun in der kalten Saison zwangsläufig ins Private verlagere, bliebe das Problem der Ausbreitung dennoch bestehen. Sinnvoll findet Pürner sämtliche Maßnahmen, die Besucherzahlen beschränken, ähnlich wie es für Museen, Theater, Konzerte und Opern bereits umgesetzt wird.
Es bleibt eine Gewissheit, die Clubbetreiber vom Süden bis in die Hauptstadt betrifft: Sie waren eine der ersten, die schlossen und werden vermutlich die letzten sein, die ihre Türen wieder öffnen können.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Dr. med. Friedrich Pürner (Sachgebietsleiter Gesundheitsamt Aichach-Friedberg),
- Gespräch mit Dierk Beyer (Verband der Münchner Kulturveranstalter e.V.)
- Gespräch mit Lutz Leichsenring (Clubcommission - Verband Berliner Club-, Party- und Kulturereignisveranstalter e.V.)
- Deutschlandfunk: "Wie es um Diskotheken und Clubs in der Coronakrise steht"
- Augsburger Allgemeine: "Söder rechtfertigt freiwilliges Testen als Gegenstück zum Lockdown"
- Vibe Lab: "Club Reopening Update: How to build more flexible and innovative dance floors"
- Spiegel Online: "Was in Berlin passiert, ist ziemlich einmalig"
- Tagesspiegel: "Teilnehmer von Bootsdemo sollen soziale Kontakte minimieren"
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