Wegen SARS-CoV-2 kommt es zu einer harten Auseinandersetzung zwischen Wissenschaftlern und Journalisten: Der Virologe Christian Drosten wurde von der "Bild" wegen einer Corona-Studie angegriffen, er wehrt sich im "Spiegel" dagegen. Reden Journalisten und Wissenschaftler aneinander vorbei, weil sie verschiedene Sprachen sprechen?
Die "Bild"-Zeitung hatte den Berliner Charité-Chef
Wir haben mit dem Kommunikationswissenschaftler Joachim Trebbe über die Verständigungsprobleme zwischen Wissenschaft und Journalismus gesprochen.
In der Auseinandersetzung zwischen der "Bild"-Zeitung und dem Virologen Christian Drosten scheinen Journalisten und Wissenschaftler verschiedene Sprachen zu sprechen.
Joachim Trebbe: Die Systeme Wissenschaft und Journalismus sind tatsächlich nicht unbedingt kompatibel. Das hat sich schon bei früheren Kontroversen gezeigt, an denen Christian Drosten beteiligt war.
Journalismus vs. Wissenschaft: Unterschiedliche Methoden
Wieso verstehen sich diese beiden Systeme nicht?
Vor allem wegen der unterschiedlichen Herangehensweisen. Kritischer Journalismus versucht, verschiedene Interessen und Ziele in der Gesellschaft gegeneinander zu stellen, um aufzuzeigen, wo genau die Kontroversen liegen.
Das ergibt ja durchaus Sinn ...
... aber auch die Vorgehensweise der Wissenschaft ist sinnvoll. Hier gibt es einen anderen Begriff von Kontroverse im Sinne einer gemeinsamen Suche nach Ergebnissen.
Im konkreten Fall handelte es sich um eine Studie über Kinder. Drosten geht offenbar davon aus, dass Kinder genauso das Virus übertragen können wie Erwachsene.
Wo liegt die Wahrheit? Kontroverse gehört zum Erkenntnisprozess
Das haben andere Wissenschaftler kritisiert.
Ja, weil sie eine Diskussion eröffnen wollten. In der Wissenschaft hat Kritik einen anderen Stellenwert als im Journalismus.
Wissenschaftler wollen durch gegenseitiges Kritisieren und Verwerfen zu Hinweisen kommen, wo die Wahrheit liegt. Innerwissenschaftliche Kontroverse gehört auch in der Medizin zum Erkenntnisprozess.
Aber die Öffentlichkeit will über die Ergebnisse informiert werden.
Christian Drosten arbeitet genau an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Er soll Politik und Öffentlichkeit beraten, doch was er mitteilt, hat gesellschaftliche Auswirkungen, für die er nicht Experte ist, die er gar nicht abschätzen kann.
Und er hat einen Status großer Wichtigkeit erhalten, mit dem umzugehen man erst lernen muss. Es gibt jeden Tag neue Studien, neue Tests, neue Ergebnisse. Der Takt des Beurteilens und Kritisierens in der Öffentlichkeit ist sehr schnell, Sichtweisen und Tatsachen werden dabei oft aus dem Zusammenhang gerissen.
Es kommt zum Missverständnis mit dem Leser
Die Öffentlichkeit will schnell informiert werden. Ist das falsch?
Nein, aber es kommt dabei zu Missverständnissen. Das hat sich schon gezeigt, als Institute ihre Berechnungsgrundlagen für die Zählung der Corona-Infizierten geändert haben.
Viele haben das als "Schuldeingeständnis" verstanden – als ob man vorher etwas falsch gemacht habe. Dieser Gedanke entsteht wohl auch deshalb, weil wir derzeit viel mit "Fake News" zu tun haben.
Auch die Wissenschaft kann Fake News produzieren.
In der Wissenschaft ist die Einstellung überholt, dass es Ergebnisse gibt, die für immer und ewig gelten. Oft ändern sich die Fakten oft schon dadurch, dass sie beobachtet werden. Winzige Veränderungen im Versuchsaufbau verändern die Ergebnisse.
Entsprechend vorsichtig muss man diese Ergebnisse werten. Zu sagen: "Hier haben wir ein genaues Ergebnis und das gilt für immer" – diese Einstellung ist überholt. Aber Zwischenergebnisse müssen, wie im Fall von Drostens Studie, veröffentlicht und diskutiert werden. Das ist dem Publikum manchmal sehr schwer zu vermitteln.
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