Schon Mitte April sollte die Corona-Tracing-App in Deutschland eingeführt werden, vor Mitte Juni wird sie wohl nicht kommen. Das hat mehrere Gründe. In Österreich ist eine ähnliche Anwendung dagegen längst im Einsatz. Was sie richtig macht und warum sich Deutschland einfach bedienen könnte, erklärt Datenschützer Max Schrems.

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Schon seit Mitte März ist in Österreich die App "Stopp Corona" im Einsatz, fast 600.000 Nutzer haben sie installiert. Mit ihrer Hilfe können Nutzer benachrichtigt werden, wenn sie mit jemandem Kontakt hatten, der mit dem Coronavirus infiziert ist. Herausgebracht hat die App das Rote Kreuz. Der Grund: Viele Bürger äußerten Bedenken gegen eine staatliche App.

Die neutrale Institution Rotes Kreuz stellte die App zusammen mit einer Entwicklerfirma in kurzer Zeit auf die Beine. Sie holte sich dabei auch Rat von Datenschützern und unabhängigen Beratern: Sie konnten den Quellcode der App auf Schwachstellen überprüfen. Unter den Experten war auch Max Schrems vom Europäischen Zentrum für digitale Rechte ("Noyb"). Der österreichische Jurist ist vor allem durch seinen Einsatz für mehr Datenschutz bei Facebook bekannt geworden. Was die "Stopp Corona"-App richtig macht, erklärt Schrems so: "Sie verfolgt einen relativ dezentralen Ansatz. Damit bleiben die Kontaktdaten jeweils auf dem Handy des Nutzers – also in der Hosentasche."

Datenschutzbedenken in Deutschland

In Deutschland ist eine Tracing-App noch immer nicht in Sicht. Die von T-Systems und SAP entwickelte staatliche Anwendung sollte ursprünglich bereits im April in den App-Stores verfügbar sein. Jetzt ist in Regierungskreisen von Mitte Juni die Rede, so das ZDF – das wäre drei Monate nach Veröffentlichung von "Stopp Corona". Sorgfalt sei wichtiger als Schnelligkeit, heißt es dort laut ZDF.

Die wochenlange Verzögerung hat weitere Gründe. Zum einen gab es Streit um den Datenschutz: Nach den ursprünglichen Plänen der Bundesregierung sollten die Daten der Anwender zentral auf einem Server gespeichert werden. Datenschützer protestierten. Nun soll wie in Österreich ein dezentraler Ansatz genutzt werden: Informationen werden ausschließlich auf den Mobiltelefonen der einzelnen Nutzer abgelegt. Um für mehr Transparenz zu sorgen, will die Regierung den Quellcode der App veröffentlichen, so wie es auch Österreich gemacht hat.

Zum anderen läuft die Entwicklung in Deutschland bürokratischer ab: Vor der Veröffentlichung soll die App nach Angaben der Welt offiziell zertifiziert werden, unter anderem vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.

Wie die Tracing-Apps funktionieren

Die deutsche Tracing-App setzt auf ein ähnliches Prinzip wie in Österreich: Beide arbeiten mit dem Bluetooth-Übertragungsstandard. Das ist "aktuell die genaueste Methode, um die Nähe von Personen zueinander zu bestimmen", erklärt Max Schrems. GPS oder Handynetz-Daten seien dagegen viel ungenauer, vor allem innerhalb von Gebäuden.

Über die Bluetooth-Signalstärke kann ein Mobiltelefon ermitteln, wie weit entfernt ein anderes Smartphone ist. Wenn auf beiden Tracing-Apps installiert sind, tauschen sie anonyme ID-Schlüssel aus. Hat sich ein Anwender mit dem Coronavirus infiziert, meldet er das in der App – freiwillig.

Die Vorteile der Tracing-Apps

Mithilfe der auf dem Telefon gespeicherten ID-Schlüssel können anschließend Menschen benachrichtigt werden, die sich kürzlich in der Nähe eines Infizierten aufgehalten haben. Sie erfahren aber nicht, wer der Infizierte ist und wo sich beide getroffen haben.

Bisher müssen Gesundheitsämter in mühevoller Kleinarbeit herausfinden, mit wem ein Infizierter Kontakt hatte. Das Tracing per App ist schneller und erfolgt automatisch. Nach Angaben von Schrems ist diese Lösung zusätzlich datenschutzfreundlicher. Denn Behörden müssen die Namen der Kontakte eines Infizierten erfragen und aufzeichnen, die App erfasst Informationen anonym.

Trotzdem sind auch in Österreich die Bedenken vieler Anwender gegenüber der App hoch, wie Schrems erklärt: "Es ist einfach paradox für die Menschen, dass eine pseudonyme Tracing-App am Handy viel datenschutzfreundlicher ist als eine zentrale Datenauswertung oder das aktuelle analoge Tracing durch Gesundheitsbehörden." Seiner Ansicht nach ist das auch ein Problem der Kommunikation durch das Rote Kreuz: Es habe die Verunsicherung der Bürger unterschätzt: "Viele lehnen die App daher leider ab."

Probleme der Tracing-Apps

Der Datenschützer hält auch die österreichische Tracing-App "noch nicht für ideal". Sie werde aber immer weiterentwickelt und beispielsweise auf den DP3T-Standard wechseln. Er soll den Datenschutz beim Tracing noch besser sicherstellen.

Ein weiteres Problem: Alle Tracing-Apps, die auf Bluetooth setzen, funktionieren bislang nicht optimal. Bei iPhones können zwei Geräte im Hintergrund nicht automatisch Schlüssel austauschen. Die Tracing-App muss dafür immer geöffnet sein. Auch bei einigen Android-Smartphones klappt das nicht zufriedenstellend. Apple und Google arbeiten an einer Lösung.

Sollte andere Länder sich bei Österreich bedienen?

Trotzdem ist die österreichische Tracing-App einsatzfähig. Andere Länder könnten die Open-Source-Anwendung nutzen und anpassen, statt eigene Programme zu entwickeln – auch Deutschland oder die Schweiz, bei der sich die App ebenfalls verzögert. "Natürlich wäre es sinnvoll, wenn andere Staaten sich einfach bedienen würden – was es auch später einfacher macht, grenzübergreifende Systeme umzusetzen", sagt Schrems.

Der deutsche Außenminister hatte sich für eine einheitliche und EU-weite Tracing-App ausgesprochen. Schrems hält das "als glühender Europäer für sinnvoll", aber erst in einem nächsten Schritt. Denn vorerst gebe es relativ wenige grenzüberschreitende Reisen, und es sei gut möglich, zwei Apps zu nutzen. Schrems sagt: "Pragmatisch gesehen ist es wichtiger, die Apps gut und schnell zu bauen, bevor wir Monate verschwenden, um eine europäische Lösung zu koordinieren."

Quellen:

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Das Tesla-Werk in Kalifornien wurde aufgrund der Eindämmung der Coronavirus-Pandemie geschlossen. Gründer Elon Musk will jetzt die Produktion wieder hochfahren - auch wenn er damit gegen das Gesetz verstößt. (Teaserfoto: imago images / ZUMA Press)
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