Immer mehr Menschen lassen teure Untersuchungen und medizinische Eingriffe bei Ärzten im Ausland erledigen. Ob zum Zahnarzt nach Polen, zur Augen-Operation nach Ungarn oder zur Brustvergrößerung nach Thailand – Medizintourismus wird immer populärer. Worauf muss man bei ärztlichen Behandlungen im Ausland achten?
Wer seine Brille loswerden und auch nicht mehr auf Kontaktlinsen angewiesen sein möchte, hat die Möglichkeit, seine Augen lasern zu lassen.
In Österreich kostet das im Allgemeinen pro Auge mindestens 1.000 Euro, im Ausland bekommt man es oft schon für die Hälfte.
Ähnlich verhält es sich bei Zahnarztkosten. Ein Zahnimplantat kostet in Österreich im Durchschnitt etwa 2.500 Euro, im europäischen Ausland - wie zum Beispiel Ungarn oder Polen - ist man bereits mit 900 Euro dabei.
Selbst wenn man Reise- und Aufenthaltskosten mit einrechnet, bleibt der Eingriff dennoch deutlich günstiger.
Aus diesem Grund boomt die Medizintourismus-Industrie und hat laut einem Bericht von VISA und Oxford Economics weltweit derzeit ein Volumen von mehr als 400 Milliarden US-Dollar.
Laut Prognosen soll sich das in den kommenden zehn Jahren um weitere 25 Prozent steigern. Ein sehr lukratives Geschäft also.
Über 30.000 Anfragen in anderthalb Jahren
Das Berliner Start-up Junomedical bietet seit 2016 eine fachgerechte Begleitung zur Behandlung im Ausland an und will für Patienten eine gute Betreuung bei hoher Qualität gewährleisten.
"Wir wollen Transparenz schaffen und vermitteln Patienten nur an von uns geprüfte Ärzte. Außerdem helfen wir bei der Reiseplanung und begleiten den Patienten vor, während und nach der Behandlung", erklärt Gründerin Sophie Chung unserer Redaktion im Interview.
Ihr Team besteht aus etwa 20 Mitarbeitern und hat in den gut anderthalb Jahren seit Gründung bislang mehr als 30.000 Anfragen bearbeitet.
Warum ärztliche Behandlungen im Ausland immer beliebter werden, hat für sie ganz bestimmte Gründe: "Viele Menschen sind mit der lokalen Gesundheitsversorgung unzufrieden. Oft handelt es sich dabei um eine Kombination der drei Hauptprobleme im Gesundheitssystem: niedrige Behandlungsqualität, überhöhte Kosten und lange Wartezeiten."
Laut Chung machen vor allem die kürzeren Wartezeiten auf einen Operationstermin das Ausland immer interessanter.
"Patienten aus Ländern wie Großbritannien, die eine Hüft- oder Knieprothese benötigen, warten im Schnitt über drei Monate bis zum Termin. Über Junomedical können Patienten mit einem Spezialisten zum Beispiel in Polen schon für nächste Woche einen Termin vereinbaren."
Intransparenter Markt und fehlendes Vertrauen
Medizintourismus scheint also sehr attraktiv zu sein – und dennoch trauen sich viele nicht, eine Operation tatsächlich im Ausland vornehmen zu lassen.
Zu groß ist beispielsweise die Angst vor weitverbreiteten Horrorgeschichten von geplatzten oder giftigen Brustimplantaten, dem Handel mit Organen oder Komplikationen bei Eingriffen.
Ebenso steht die Frage im Raum, wie eine mögliche Nachsorge abläuft und ob man von heimischen Ärzten möglicherweise abgewiesen wird.
"Natürlich ist ein Eingriff im Ausland nicht dasselbe wie ein Besuch beim Arzt um die Ecke. Es erfordert mehr Planung, von der An- und Abreise über den Aufenthalt bis hin zur Nachsorge. Zudem ist es für Patienten oft schwierig, einen geeigneten und erfahrenen Arzt im Ausland zu finden. Der Markt ist leider sehr intransparent und einige Anbieter nutzen die Not des Patienten aus", so die Junomedical-Gründerin Chung.
Die Sorge der Patienten ist also teilweise gar nicht unbegründet. Gerade in Sachen Nachsorge wird man oft im Stich gelassen.
Die schnelle Operation zum günstigen Preis ist eben kein Rundum-Sorglos-Paket für den Patienten.
Qualifizierte Ärzte sind nicht leicht zu finden
Junomedical hat sich laut eigener Aussage auf die Fahne geschrieben, Patienten nur an qualifizierte Ärzte mit hochwertigen Materialien, hoher Patientenorientierung und modern ausgestattete Kliniken zu vermitteln.
Die 33-jährige Sophie Chung ist selbst approbierte Ärztin und kann sämtliche Bedenken und Sorgen nachvollziehen, versucht diese aber auszuräumen: "Die bei uns gelisteten Ärzte und Kliniken werden durch eine datenbasierte Qualitätsbewertung regelmäßig überprüft. Außerdem wird bei uns nicht jeder Arzt aufgenommen – es werden viele abgelehnt, weil wir sie nicht für geeignet halten. Wir gehen wirklich sehr selektiv vor und schauen uns alles ganz genau an. Bei uns sollen Patienten ihre Behandlungen von den besten Ärzten im jeweiligen Land bekommen."
Sie sieht ihr Unternehmen dabei als "persönlichen Assistenten" der Patienten und betont, dass diese vor, während und nach der Behandlung - und auch bei etwaigen Komplikationen - unterstützt würden.
Zudem ist der Service für Patienten kostenlos. "Bei uns bezahlen Ärzte und Krankenhäuser dafür, dass sie gelistet werden und in Junomedical ein ausgelagertes internationales Büro haben."
Kostenersparnis liegt bei 40 bis 80 Prozent
Besonders beliebte Behandlungen im Ausland sind sogenannte elektive Eingriffe – also nicht dringend notwendige Behandlungen oder Wahloperationen.
Dazu zählen Eingriffe wie Magenverkleinerungen, das Einsetzen von Hüftprothesen, Haartransplantationen oder Laserkorrektur der Augen.
Dabei kann die Ersparnis im Vergleich zu einer Operation im Inland enorm sein. Laut Chung können im Schnitt 40 bis 80 Prozent an Kosten gespart werden.
"Ob sich die Reise lohnt, hängt meist ganz individuell vom Patienten ab. Welche Behandlung benötigt der Patient? Übernimmt die Krankenkasse einen Teil der Kosten? Wie hoch sind die anfallenden Reisekosten?", so Chung.
Viel Planungsaufwand für Patienten
Wer eine Behandlung im Ausland auf eigene Faust plant, sollte Folgendes beachten.
Da sich nicht jeder Arzt im Inland bereiterklärt, einen im Ausland operierten Patienten im Anschluss zu übernehmen, sollten Nachsorge, Reha oder Weiterbehandlung immer abgeklärt und gewährleistet sein.
Sonst bleibt man möglicherweise auf teuren Folgekosten sitzen.
Wer bereits bei einem Gespräch vor der Operation kein gutes Gefühl beim behandelnden Arzt im Ausland hat, sollte sich lieber nicht darauf einlassen, nur um ein paar Euro zu sparen.
Wichtig ist auch, ob es eine Garantieleistung für das Material gibt und inwiefern der Patient bei medizinischen Komplikationen, Spätfolgen und Unzufriedenheit entschädigt oder weiterbehandelt wird.
Außerdem sollte geklärt werden, ob bei einer Nachkorrektur die Kosten vom Patienten getragen werden müssen oder diese vom behandelnden Auslandsarzt übernommen werden.
Ob man eine Operation, deren Kosten nur teilweise oder gar nicht von der Krankenkasse übernommen werden, am Ende nun im In- oder Ausland vornehmen lassen möchte, bleibt letztlich immer eine persönliche Entscheidung. Schließlich geht es ja um die eigene Gesundheit.
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