Schon vor über 2.300 Jahren erarbeiteten sich die Chinesen ihre Organuhr. Die traditionelle chinesische Medizin ordnet hierbei bestimmten Organen bestimmten Uhrzeiten zu. Dieses Konzept soll uns helfen, unseren körpereigenen Rhythmus zu finden und so Krankheiten vorzubeugen. "Deswegen sollte sie auch eher 'Uhr des Biorhythmus unserer Abwehrkräfte' heißen", sagt Johannes Greten von der Deutschen Gesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin in Heidelberg.
Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) wurde vor über 2.000 Jahren entwickelt und stützt sich auf fünf Säulen: die Akupunktur, die wichtige Chinesische Phytotherapie, die Diätetik, Tuina und Qi Gong.
Die Organuhr hilft der Akupunktur: Sie ist klassisch aufgeteilt in Tageszeiten, jede Tageszeit ist einem Organ unseres Körpers zugeteilt: zum Beispiel dem Magen 7:00 bis 9:00 Uhr, der Blase 15:00 bis 17:00 Uhr.
Die Chinesen haben schon früh bemerkt, dass sich Krankheiten und ihre Symptome zu bestimmten Uhrzeiten häufen. Wenn man nun weiß, wann die Organe besonders aktiv sind, dann weiß man auch, wann sie am ehesten Krankheitssymptome produzieren. "Das ist wichtig für die Diagnose - und damit für die Therapie", sagt Johannes Greten von der Deutschen Gesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin in Heidelberg.
Nach der der TCM-Lehre werden die Gewebe aller Organe des Körpers durch eine funktionelle Kraft qi ("Energie") aktiviert. Da die Organregionen gemäß der Uhr nacheinander aktiviert werden, verschiebt sich die körperliche Aktivierung innerhalb des Körpers. Die TCM betrachtet diese Verschiebungen wie einen Fluss der funktionellen Kraft qi, als "Energie-Fluss".
Die Organuhr unterstützt die Akupunktur
"Die TCM kann nun diese inneren Aktivierungsmuster über Hautpunkte verändern", erklärt Greten. Man kennt sie als Akupunkturpunkte, die in Linien als sogenannte Leitbahnen ("Meridiane") über den Körper verlaufen.
"Ihre Funktion ist mit den Organregionen direkt gekoppelt." Aktiviert man diese Punkte, kommt auch die Funktion wieder in Gang. "Bei der Akupunktur sticht man mit feinen Nadeln in die Haut ein, wobei man mit einer genauen Kombination von Leitbahnen und Reiztechniken arbeiten muss", erklärt Greten. "Weil hier auch die Tageszeit, in der das Symptom auftritt, für die Therapie wichtig ist, braucht man die Chinesische Organuhr."
Die Organuhr hilft bei Schlafstörungen
Kann man also zum Beispiel zwischen 23:00 und 01:00 Uhr nicht einschlafen, weil unterdrückte Gefühle und ärgerliche Konflikte einen wach halten, würde man Punkte der Gallenblase wählen, die für diese emotionale Ausrichtung steht.
"Wachen Sie aber zwischen 3:00 und 5:00 Uhr auf, ist nach chinesischer Vorstellung das Herz, das Organ der Gefühle, betroffen", sagt Greten. "Die Chinesen denken, dass dann dort das Blut mit seinen die Ruhe nährenden Stoffen fehlt. Man kommt nicht 'herunter'."
Zwar bezieht sich die "Organuhr" zwischen 1:00 und 3:00 Uhr auf die Leber, zwischen 13:00 und 15:00 Uhr auf den Dünndarm und zwischen 17:00 und 19:00 Uhr auf die Niere, doch ist der Name etwas irreführend. "Denn der Begriff des Organs wird in der chinesischen Medizin anders interpretiert als in unserer westlichen Medizin", sagt Greten. "Als westlicher Arzt würde man eher sagen, es geht um den Ort der Beschwerden, der häufig in der Region eines Organs auftritt, aber eben auch um seine Bedeutung für die Regulation des ganzen Menschen."
Bezieht sich die Uhr also auf die Leber, ist keine Lebererkrankung im Sinne der westlichen Medizin gemeint. Aber man könnte am Rippenbogen, wo die Leber liegt, eine Spannung fühlen, eine Anspannung des Muskeltonus und eine Aktivierung der Stressnerven, des Sympathikus. "Es ist also mehr die Beschreibung eines Musters von Empfindungen und Symptomen, unter Einschluss des ganzen Nervensystems", erklärt Greten.
Den Biorhythmus an die Organuhr anpassen
Der Rhythmus, wie er bei der Organuhr festgehalten ist, ist bei allen Menschen gleich. Der Grund: "Der Mensch hat wie ein Auto einen Steuerungsapparat. Beim Auto ist es die Software, beim Menschen das vegetative Nervensystem. Es steuert alle unsere Körperaktivitäten und Organe." Die chinesische Medizin hat also ein System gefunden, die Funktion dieser Software festzustellen und zu behandeln.
Und kann man seinen Biorhythmus an seine Lebensumstände anpassen? "Man sollte immer versuchen, den eigenen Lebensstil an den individuellen Biorhythmus der Uhr anzugleichen", sagt Greten. "Jeder sollte deshalb lernen, mit sich und den eigenen Besonderheiten und Chancen zu leben."
Hierbei gehe es etwa um das Selbstmanagement der Patientinnen und Patienten, ihren Tag-Nacht Rhythmus, die richtige Ernährung und das emotionale Gleichgewicht. "Zum Beispiel ist es nicht sinnvoll, dass alle Schüler um acht Uhr in die Schule gehen", sagt Greten. Denn gerade in der Pubertät könnten viele erst um 1:00 Uhr einschlafen, kommen morgens nicht aus dem Bett und können sich dann um 8:00 Uhr nicht konzentrieren.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Johannes Greten
- LMU Klinikum: Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)
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