Eine Studie sorgte unlängst für einen kurzzeitigen Aufschrei: In Tampons und Binden wurden Schwermetalle gefunden. Mit der Gynäkologin Mandy Mangler haben wir über die Auswirkungen dieser Studie und alternative Periodenprodukte gesprochen - und uns gefragt, ob der Tampon überhaupt noch zeitgemäß ist.

Ein Interview

Den meisten Frauen passiert es um die 400 Mal im Leben: Ein unangenehmes Ziehen im Unterbauch, begleitet von Rückenschmerzen und Unwohlsein - es ist wieder so weit: Die Menstruation ist da.

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Etwas, was die meisten Frauen kaum in der Mittagspause, im Supermarkt oder abends in einer Bar herausposaunen würden. Aber wieso eigentlich nicht? Mandy Mangler ist Gynäkologin und Chefärztin zweier Berliner Kliniken und sieht die Menstruation vor allem als eines: Stärke.

Was wäre aus Ihrer Sicht in unserer Welt anders, wenn auch Männer menstruieren würden?

Mandy Mangler: Gloria Steinem hat dazu mal ein sehr gutes Essay geschrieben. Wenn Männer menstruieren würden, wäre die Periode ein Wettbewerb: Wer kann am besten menstruieren, wer hat am meisten Blut, solche Dinge. Vermutlich wäre alles rund um die Menstruation deutlich positiver besetzt, etwas, worauf man stolz ist, was wichtig genommen wird und untersucht werden muss. Vor allem würde man den menstruierenden Menschen dann endlich zugestehen, dass es oft auch eine körperliche Beeinträchtigung gibt und für viele mit Schmerzen einhergeht.

Wer ist Gloria Steinem?

  • Gloria Steinem (geb. 1934) ist eine US-amerikanische Frauenrechtlerin und Journalistin. Als Aktivistin für politische, soziale und feministische Anliegen ist sie seit den späten 1960er-Jahren bekannt. Als Journalistin schrieb sie unter anderem für das "New York Magazine", "Cosmopolitan" und die "New York Times" und co-gründete im Jahr 1972 das feministische Magazin "Ms.".

Es gibt viele Geschichten, die mich als Frau nur den Kopf schütteln lassen: Über eine Astronautin, der von ihren männlichen Kollegen für eine Woche 100 Tampons mitgegeben wurden. Über Männer, die denken, ein Tampon würde für die ganze Dauer der Periode halten. Wie kann es sein, dass die Hälfte der Menschheit menstruiert, aber das Wissen rund um das Thema so mangelhaft ist?

Weil die Periode, genau wie der weibliche Orgasmus, Kinderkriegen, Stillen und die Menopause, immer noch als sogenannte "Frauenthemen" abgestempelt werden. In der Gynäkologie haben lange Zeit Männer die Impulse gegeben und es ist wahnsinnig schwierig, da eine weibliche Perspektive mit einfließen zu lassen. Die Gynäkologie ist leider nicht ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, Frauen zu unterstützen. Das sieht man auch deutlich am Berufsverband, der noch nie eine Frau an der Spitze hatte.

"Unsere Gesellschaft existiert nur, weil wir Frauen diese biologische Stärke erfüllen. Wofür sollten wir uns eigentlich schämen?"

Gynäkologin Mandy Mangler über den weiblichen Körper

Was für Impulse waren das, die von den Männern gegeben wurden?

Das Patriarchat hat es geschafft, Frauen als das schwache Geschlecht abzuwerten. Und Dinge wie die Periode oder Geburt als etwas einzuordnen, was im Privaten passieren muss, etwas, mit dem Männer nichts zu tun haben. Unsere biologischen Funktionen werden uns als Schwäche ausgelegt. Dabei kann man sie als Stärke betrachten. Wir alle kommen aus einem Frauenkörper, der wahnsinnig viel Energie aufgebracht hat, um uns auf die Welt zu bringen. Unsere Gesellschaft existiert nur, weil wir Frauen diese biologische Stärke erfüllen. Wofür sollten wir uns eigentlich schämen?

Vor einigen Monaten wurde viel über eine Studie aus den USA diskutiert, in der Schwermetalle in Tampons und Binden nachgewiesen wurden. Da gab es einen ziemlichen Aufschrei, eine der Beteiligten dieser Studie hat gesagt, Tampons wären eine "Blackbox". Was denken Sie darüber?

Es ist wichtig, dass es diese Studie gibt und dass man diese auch ernst nimmt. Wenn wir Schwermetalle über den Mund und die Nahrung aufnehmen, dann gelangen diese nicht immer in den Körper, denn über den Darm wird nicht alles aufgenommen. Aber ob Schwermetalle über die Vagina im großen Stil aufgenommen werden können, wissen wir noch gar nicht. Es ist wichtig, dass man das untersucht hat und dass man sich Gedanken darüber macht, ob Periodenprodukte gesund und sicher sind oder krank machen.

Haben wir also jahrelang giftige oder zumindest belastete Periodenartikel benutzt?

Es existiert eine Datenlücke zur Periode und Menstruationsprodukten. Denn diese sind wenig im Fokus der Forschung. Kein Mensch auf der Erde weiß, was es bedeutet, wenn jemand 30 Jahre lang bei jeder Menstruation einen möglicherweise bleihaltigen Tampon benutzt hat. Wir können es nicht abschließend sagen, das ist das große Problem.

Es gab in den letzten Jahren bereits einen Wandel: Was sind die Alternativen, wenn man keinen Tampon benutzen möchte?

Man kann sich grundsätzlich überlegen, ob man etwas in die Vagina einführen möchte oder nicht. Das wären dann Tampons, Menstruationstassen oder Menstruationsscheiben. Ich persönlich finde Menstruationstassen super, aber das muss jede Person selbst entscheiden. Die Tassen haben aus gynäkologischer Sicht den großen Vorteil, dass man ein Gefühl für die Menge, Konsistenz und den Geruch bekommt. Und dass man dadurch auch den eigenen Zyklus viel besser versteht. Dann gibt es Produkte, die äußerlich wirken, Perioden-Unterwäsche zum Beispiel. Manche Menschen machen auch "Free Bleeding", je nachdem wie stark die Menstruation ist.

"Dass das so schambehaftet ist, finde ich absurd."

Gynäkologin Mandy Mangler über die Menstruation

"Free Bleeding", also freies Bluten, bedeutet, dass man keinerlei Periodenprodukte nutzt. Der Blutfluss während der Periode ist meistens nicht konstant, sondern erfolgt in Abständen und deutet sich zum Beispiel durch ein Ziehen im Unterleib an. Man hört beim "Free Bleeding" also auf die Zeichen des eigenen Körpers - ist es damit in gewisser Weise auch ein politischer Akt?

Alles, was die Menstruation in ein natürliches und ermächtigendes Licht stellt, ist meiner Meinung nach super. Die Menstruation ist etwas so Starkes, der Ursprung eines jeden Menschen liegt im Zyklus einer Frau. Dass das so schambehaftet ist, finde ich absurd. Wenn wir es schaffen, die Menstruation zu normalisieren und sie als Stärke zu sehen, dann haben wir viel geschafft. Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe für uns alle.

Gibt es Periodenartikel, von denen Sie abraten würden?

Ich würde mich jetzt nicht per se gegen Tampons aussprechen, aber man sollte auf jeden Fall weiter ein Auge drauf haben und schauen, was nach der Studie weiter herausgefunden wird. Die Frage ist zum Beispiel, ob man jungen Mädchen bei ihrer ersten Periode wirklich zuerst einen Tampon anbieten muss und nicht zum Beispiel Perioden-Unterwäsche, die viel sanfter ist. Da kann man schon die Frage stellen: Ist der Tampon überhaupt noch ein zeitgemäßes Periodenprodukt?

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Was glauben Sie, welche Mythen und alten Denk- und Handlungsmuster über die Periode werden wir in Zukunft noch hinterfragen?

Ein Mythos wäre, dass nur Frauen zyklische Wesen sind. Das stimmt aber nicht. Wenn man das bei Männern richtig kategorisieren würde, könnte man sehen, dass auch sie einem Zyklus unterliegen, der nur weniger offensichtlich ist. Bei Männern variiert das Testosteron, morgens ist es höher als abends, im Sommer höher als im Winter. Ich finde außerdem bei der Menstruation diese Stigmatisierung der Laune sehr auffällig. Also allgemeine Aussagen über Frauen und wenn sie schlecht gelaunt sind, dass es dann nur daran liegen kann, dass sie ihre Tage haben. Ich hoffe, dass wir das hinter uns lassen können.

Über die Person

  • Prof. Dr. Mandy Mangler ist Chefärztin von zwei Berliner Kliniken und versteht sich als feministische Gynäkologin. Bekanntheit erlangte sie durch den Podcast "Gyncast", wo sie mit den Journalistinnen Esther Kogelboom vom "Tagesspiegel" und Anna Kemper vom "ZEIT Magazin" über alle Fragen rund um den weiblichen Körper spricht. Im Oktober erschien ihr Buch "Das große Gynbuch". 2022 wurde sie für ihren Einsatz um die Gleichstellung und Diversität in der Medizin mit dem Berliner Frauenpreis ausgezeichnet, im Oktober 2024 folgte der Verdienstorden des Landes Berlin. Mangler hat fünf Kinder und lebt mit ihrem Partner in Berlin.

Redaktioneller Hinweis

  • Die Informationen in diesem Artikel ersetzen keine persönliche Beratung und Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt.
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